Samstag, November 30

Im April wurde die Schweizer Tennisspielerin erstmals Mutter, mittlerweile bereitet sie sich auf ihr Comeback vor. Doch wann das erfolgt, lässt Belinda Bencic offen. Sie fühlt sich körperlich noch nicht bereit.

Belinda Bencic, am 23. April sind Sie Mutter einer Tochter namens Bella geworden. Wie sehr hat sich Ihr Leben seither verändert?

Es hat sich vieles verändert, aber alles eigentlich zum Guten. Natürlich ist nun alles etwas anders als in der Zeit, als ich und mein Partner Martin (Hromkovic, die Red.) noch nicht Eltern waren. Manchmal kann ich mir gar nicht mehr vorstellen, was wir da mit unserer Zeit alles gemacht haben. Aber nach drei Monaten hat sich alles eingespielt. Sicher ist vieles anstrengender. Insgesamt erachtete ich es aber als riesige Bereicherung, Bella an unserer Seite zu haben.

Sie sind mittlerweile 27 Jahre alt. In Ihrem bisherigen Leben hat sich immer alles um den Tennissport gedreht. Nun haben Sie plötzlich einen neuen Lebensmittelpunkt. Wie ist das für Sie?

Ich kann heute vieles besser einordnen. Tennis war mein Leben, und der Sport ist mir immer noch wichtig. Doch ich weiss heute: Es gibt auch noch anderes als das Leben auf dem Court. Gleichzeitig begegne ich all den Fragen, die mit meiner Karriere zu tun haben, etwas lockerer und weniger verkrampft. Wenn ich auf dem Platz stehe, konzentriere ich mich zu hundert Prozent auf das Tennis. Gleichzeitig freue ich mich immer, danach nach Hause zu gehen und in mein neues Leben einzutauchen, in dem sich nicht mehr alles um einen gelben Ball dreht. Heute sehe ich Tennis mehr als meinen Job und meine Arbeit, mein Lebenssinn aber ist nun Bella.

Sie haben Ihren letzten Match im vergangenen September in San Diego bestritten. Das ist eine lange Zeit. Waren Sie bereits einmal so lange vom Tennis weg?

Die längste Pause war jene nach meiner Handgelenkverletzung. Damals war ich sechs oder sieben Monate weg. Ich habe in den vergangenen Wochen mehrmals mit anderen Spielerinnen gesprochen, die Mutter geworden sind. Sie haben mir einhellig gesagt: Der Wiedereinstieg ist etwas streng. Man muss sich überwinden. Doch die Automatismen sind schnell wieder zurück. Die Muskeln erinnern sich. An diesem Punkt stehe ich nun.

Wie weit sind Sie auf dem Weg zu Ihrem Comeback? Oder anders gefragt: Wann sehen wir Sie wieder wettkampfmässig auf dem Court?

Ich weiss noch nicht genau, auf wann ich das Comeback planen kann. Seit sechs Wochen bin ich wieder im Training. Ich begann mit nur etwa einer Stunde auf dem Court. Dann habe ich langsam etwas intensiver und manchmal auch zweimal eine Stunde trainiert. Es geht vorwärts, aber die Priorität liegt immer noch im Bereich der Kondition, in dem ich natürlich schon noch einiges tun muss. Ich war mir immer bewusst, dass es schnell geht. Schon nur nach zwei Wochen Ferien befindet man sich nicht mehr auf demselben Niveau. Ich empfinde es manchmal fast ein wenig als unfair, wie schnell man Muskelmasse verliert.

Was machen Sie mit Bella, während Sie trainieren?

Meist nehmen wir sie mit auf den Platz oder ins Gym. Martin ist ja auch dabei, und oft stehen uns seine oder meine Mutter zur Seite. Ich habe sehr viel Unterstützung. Bella gewöhnt sich bereits jetzt an unser Leben, das einfach auf der Tour stattfindet.

Wo trainieren Sie im Moment?

Ich teile meine Zeit zwischen der Schweiz und Bratislava. Dann werden wir den Rest des Sommers und den Herbst in Monaco verbleiben, um am Finish zu arbeiten.

Wie gut hat die Pause Ihrem Körper getan? Sie wurden ja immer wieder von Verletzungen zurückgeworfen?

Eine Schwangerschaft ist ja nicht reine Erholung, sondern eine ziemliche Strapaze für den Körper. Trotzdem haben sich viele kleinere Wehwehchen, leichtere Entzündungen und solche Dinge erholen können. Für mich war diese Pause auch eine Art Reset für den Körper. Nun arbeite ich mit meinem neuen Körper motiviert weiter.

Am Montag beginnt das US Open, gibt es für Sie konkrete Comeback-Pläne?

Ich kann es noch nicht genau sagen. Ich hoffe, es reicht noch in dieser, sonst zu Beginn der neuen Saison. Schon in einem Monat werde ich besser sagen können, wo ich stehe. Ich wünschte mir natürlich, ich wäre für den Fed-Cup-Final im November bereit. Wir wollen schliesslich wieder Weltmeisterinnen werden. Doch es bringt nichts, das zu stark zu forcieren. Ich werde bestimmt am Anfang an kleineren Turnieren versuchen, wieder Fuss zu fassen. Ich habe zwar ein geschütztes Ranking und könnte deshalb an jedem Turnier wieder einsteigen. Es bringt aber nichts, das zu tun, wenn ich körperlich noch nicht bereit dazu bin. Wie lange ich von diesem Protected Ranking profitieren kann, hängt ja auch davon ab, wie lange ich weg von der Tour war. Deshalb würde ich mich selbst bestrafen, wenn ich mein Comeback zu sehr forcieren würde. Und ganz ehrlich: Ich will jetzt einmal die Zeit mit Bella geniessen.

Wie schwer tun Sie sich mit dem Gedanken, wieder voll in den Turnieralltag einzutauchen und alles dem Tennis unterzuordnen?

Am schwierigsten wird das ganze Drumherum. Das Packen, das Fliegen, die Reisen, bis man an den Turnieren ist. Auf den Turnieralltag freue ich mich eindeutig, und auch auf den Wettkampf. Aber natürlich wird logistisch alles anders werden. Wir dürfen künftig mit mehr Übergepäck reisen als bisher. Doch das alles ist machbar. Das Schwierigste wird wohl sein, wieder weniger zu Hause zu sein. Ich habe mich daran gewöhnt, wie ein normaler Mensch zu leben.

Wann haben Sie zuletzt so richtig sesshaft gelebt?

Sesshaft war ich noch nie. Und ich denke, das werde ich auch noch lange nicht werden. Ich fühle mich überall ein wenig zu Hause. Während Corona habe ich zuletzt erlebt, wie es ist, mehr zu Hause zu sein. Auch dieses Leben hat etwas für sich.

Im Tenniszirkus hat es immer mehr Mütter. Unlängst wurden etwa Naomi Osaka oder Elina Switolina Mutter. Wie viel haben Sie von diesen anderen Spielerinnen gehört?

Ich habe mich mit einigen von ihnen ausgetauscht, jetzt nicht unbedingt mit Switolina oder Osaka, sie kenne ich nicht gut genug. Aber ich habe mich etwa mit Angelique Kerber ausgetauscht oder auch mit Stephanie Vögele. Dabei ging es weniger um das eigentliche Spielen oder den Turnieralltag, mehr um die Schwangerschaft. Natürlich gibt es einem Mut, von anderen zu hören, die das auch geschafft haben. Es ist schon ein wenig ein Neustart.

Vor drei Wochen hat Sie die Chinesin Zheng Qinwen in Paris als Olympiasiegerin abgelöst. Man sagt, ein Olympiasieg verändere das ganze Leben. Ist das wirklich so?

Auf eine Art schon. Ich habe einen Traum realisiert und kann nun sagen: Egal, was noch kommt – die Arbeit, all die Opfer, die ich seit meiner Kindheit für das Tennis erbracht habe, haben sich gelohnt. Wenn ich einmal zurücktrete, werde ich stolz auf meine Karriere zurückblicken können. Ich habe eine gewisse Lockerheit entwickelt. Ich erinnere mich noch gut an den Olympiafinal in Tokio. Ich war so nervös wie noch nie zuvor und überzeugt: Sollte ich gewinnen, werde ich alles gelassen nehmen. Die Goldmedaille war eine riesige Befreiung. Dieses Gefühl dauerte rund zwei Wochen an. Dann war ich wieder genauso nervös vor einem Erstrunden-Match, wie ich es vor dem Olympiasieg gewesen war. So funktioniert der Sport, man will immer mehr. Das war auch bei Roger Federer oder Rafael Nadal nicht anders. Wie oft man auch gewonnen hat: Wann immer man auf den Platz tritt, will man erneut gewinnen.

Mit 27 Jahren sind Sie vielleicht in der Mitte Ihrer Karriere. Was für Ziele haben Sie noch?

Der Olympiasieg nimmt mir etwas Druck weg. Gleichzeitig bleibt es ein Ziel von mir, irgendwann ein Major-Turnier zu gewinnen. Ich habe noch einige gute Jahre vor mir. Und ich habe in meiner Kindheit und Jugend zu viel und zu hart gearbeitet, um bereits jetzt loszulassen und nur noch zu geniessen. Angelique Kerber hat ihre Karriere an den Spielen in Paris mit 37 beendet. Sie hatte ihre beste Phase in jener Zeit, in die ich nun eintrete. Ich denke, es liegt auch für mich noch einiges drin.

Und die Familienplanung, die wird ja wohl auch noch nicht abgeschlossen sein?

Definitiv nicht. Ich möchte sicher noch mehr Kinder, sicher noch eines, maximal zwei. Zwei oder drei Kinder, das wäre schön. Doch das hat Zeit. Ich plane nicht, ein zweites Mal eine Schwangerschaftspause von der Tour zu machen. Viele Spielerinnen, die auf die dreissig zusteuern, fühlen sich plötzlich unter Druck. Die biologische Uhr tickt. Dass ich nun bereits Mutter bin, nimmt auch in dieser Hinsicht etwas Druck von mir. Für weitere Kinder lasse ich mir Zeit, bis meine Karriere abgeschlossen ist.

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