Dienstag, November 26

Die Insolvenzen von Signa-Gesellschaften in den vergangenen Wochen erfolgen ungeplant und unkoordiniert. Dadurch sinken die Chancen, bestehende Werte in der Gruppe zu erhalten. Zudem droht vielen Geschäftsführern persönlich ein gefährliches juristisches Nachspiel.

Der Kollaps seiner Immobilien- und Handelsgruppe Signa ist für René Benko nicht nur ein unternehmerisches, sondern auch ein persönliches Drama. Der drohende Zerfall seines Lebenswerks dürfte ihn spätestens ab dem Sommer umgetrieben haben. Doch der Österreicher zögerte viel zu lange, konsequent die richtigen Massnahmen einzuleiten. Inzwischen fällt der Konzern mit den rund tausend Subgesellschaften so unkoordiniert zusammen wie ein Kartenhaus im Wind.

Wahllose Insolvenzen von Konzerngesellschaften

Es hätte eine Alternative gegeben: Als sich eine Überschuldung oder eine Zahlungsunfähigkeit (oder beides) am Horizont abzeichnete, hätte Benko proaktiv darauf reagieren müssen. Das hätte bedeutet, frühzeitig einen Plan für eine mögliche Insolvenz zu entwickeln sowie die Insolvenz zeitnah einzuleiten, wenn sie unvermeidbar erscheint. Durch eine generalstabsmässig geplante Insolvenz besteht nämlich die Chance, ein Verfahren, einen Gruppengerichtsstand und einen Insolvenzverwalter in jedem Land zu erhalten, um so möglichst den Mehrwert zu bewahren, der häufig noch in einem Konzern steckt.

Für diesen Schritt hätte ein Mann wie Benko wohl entweder einen starken Berater oder einen starken Restrukturierungsexperten mit freier Hand benötigt. Beides war offenbar nicht vorhanden oder gewünscht. So verschwendete Benko wertvolle Zeit für die verzweifelte Suche nach neuen Kapitalgebern für sein untergehendes Imperium, obwohl Aussenstehenden ziemlich klar war, dass diese nur sehr schwierig zu finden sein würden. Schon für angestellte Manager ist das Eingeständnis des Scheiterns schwierig, Unternehmer tun sich mit dieser Einsicht erfahrungsgemäss noch viel schwerer – das zeigt auch der Fall Benko.

Statt einer koordinierten Insolvenz mit Hoffnung auf Besserung läuft nun seit drei Monaten der unstrukturierte Zerfall der Signa-Gruppe über die zahlreichen Landesgrenzen hinweg. Dabei meldeten die Geschäftsführer wichtiger Dach-, Zwischen- und Subgesellschaften scheinbar wahllos Insolvenz an. Zwischen den Jahren geschah dies beispielsweise bei den beiden wichtigsten Obergesellschaften der Immobiliensparte, der Prime und der Development.

Allerdings hatten deren Vorstände Timo Herzberg und Tobias Sauerbier für die dort angesiedelten deutschen Projekte, etwa den Elbtower in Hamburg, schon gut drei Wochen vorher zu den jeweiligen Amtsgerichten für einen Insolvenzantrag gehen wollen. Daraufhin wurden sie jedoch sofort abberufen, wie die NZZ berichtete. Effektiv wurde für den Elbtower dann erst Mitte Januar ein Insolvenzantrag gestellt, obwohl laut Medienberichten schon seit Oktober keine Rechnungen mehr bezahlt wurden und sich in Deutschland nahezu die gesamte Insolvenzverwalterbranche über das Vorgehen wunderte.

Das ungeplante Vorgehen verschärfte die Interessenkonflikte zwischen den Geschäftsführern von Sub- und Dachgesellschaften. Erstere fürchteten die enormen straf- und haftungsrechtlichen Konsequenzen, wenn sie zu spät in die Insolvenz gehen. Letztere bangten um die Vermögenswerte ihrer Muttergesellschaften, denn eine Tochter in der Insolvenz ist in der Bilanz der Obergesellschaft sofort nichts mehr wert, was wiederum unmittelbar die Situation der Mutter verschlechtert. Zudem hängt es bei unkoordinierten Pleiten teilweise von Zufälligkeiten ab, wo in einem Konglomerat gerade welche Gelder stecken, zumal sich die Einheiten oft gegenseitig Darlehen geben.

Auch Galeria und KaDeWe Group in der Insolvenz

Bei einem unkoordinierten Zerfall denkt irgendwann jeder Geschäftsführer nur noch an sich und versucht zu retten, was noch zu retten ist. Verbale Absetzbewegungen von Benko gibt es längst, etwa bei den Verantwortlichen und eingesetzten Insolvenzverwaltern der ebenfalls zur Signa-Gruppe gehörenden und inzwischen insolventen Warenhausketten Galeria Karstadt Kaufhof und der KaDeWe Group mit den Luxuskaufhäusern in Berlin, Hamburg und München.

Viel schwerer wiegt jedoch, dass bei zahlreichen Sub-, Mittel- und Dachgesellschaften seit vielen Wochen eine mögliche Insolvenzverschleppung im Raum steht. Die verschiedenen Insolvenzverwalter werden die Vorgänge aufarbeiten und dürften dereinst Anfechtungen von Transaktionen vornehmen und Rückforderungen von Geldern stellen. Der unkoordinierte Untergang des Signa-Imperiums wird Gerichte auf Jahre beschäftigen – zumindest das wäre bei einer geplanten Insolvenz wohl vermeidbar gewesen.

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