Montag, September 30

Der afroamerikanische Saxofonist und Komponist hat die Jazzgeschichte mitgeschrieben. Am Samstag ist er 95-jährig gestorben.

Die stilbildenden Jazzmusiker sind zumeist durch die Eigenart ihres Improvisierens bekannt geworden. Sie pflegen auf ihrem Instrument ein klangliches Charisma, das am besten in den Solos zum Ausdruck kommt.

Ein solcher Charismatiker war auch Benny Golson. Der afroamerikanische Tenorsaxofonist mochte seinen Ton verschiedenen Gangarten und Stimmungslagen anpassen. Und doch konnte man aus seinem bald sanften, bald robusten Spiel drei prägende Traditionslinien heraushören: den Einfluss der alten Swingsaxofonisten, die harschen Klagen des Rhythm’n’Blues und den Bebop, der den Jazz ab den 1940er Jahren in eine rebellische und virtuose Kunstmusik verwandelte.

Benny Golson gehörte Ende der 1950er Jahre zu den tonangebenden Saxofonisten, die den irrlichternden Bebop in den bluesigen Bahnen des sogenannten Hardbop beruhigten. Fast noch grösser aber wurde seine Bedeutung als Komponist. In den Anfängen seines langen Musikerlebens schrieb er Stücke wie «Whisper Not», «Are You Real», «Along Came Betty» und «Stablemates», die bis heute das einschlägige Jazzrepertoire bereichern.

Anspruchsvolle Stücke

Bei Jazzkompositionen geht es selten darum, die Musik als fertiges Werk festzuschreiben. Vielmehr erweisen sie sich als motivische Vorgabe und harmonische Folie für Zusammenspiel und Improvisation. Benny Golsons Stücke sind von anspruchsvoller Komplexität. Durch ihren formalen Schwung und den melodischen Reichtum tragen sie Bands und Solisten aber in ein angeregtes Interplay, das über naiven Smalltalk in Sphären konzentrierten Debattierens führt.

Geboren im Januar 1929, wuchs Benny Golson in Philadelphia auf. Als Neunjähriger spielte er Piano, mit vierzehn Jahren fand er zum Saxofon. In Philadelphia befreundete er sich schon als Schüler und Student mit Musikern wie dem Saxofonisten John Coltrane. Golson spielte in lokalen Rhythm’n’Blues-Bands. Entscheidend für seine Karriere war, dass er den Pianisten und profilierten Komponisten Tadd Dameron kennenlernte, der sein kompositorisches Talent erkannte und ihn zum Stückeschreiben ermutigte.

Art Blakey & Benny Golson Jazz Messengers - Along Came Betty

1953 gingen die beiden zusammen nach New York, wo Golson in den Bands von Lionel Hampton und Dizzy Gillespie spielte. Wichtiger noch war das Engagement bei den Jazz Messengers, der stilbildenden Hardbop-Band des Schlagzeugers Art Blakey. Die Formation erlebte damals eine Krise – vor allem wegen Drogenproblemen ihrer Musiker. Benny Golson kam, wechselte bis auf Blakey alle Musiker aus und kleidete die neuen gleich mit eleganten Smokings ein. Schliesslich ergänzte er das Repertoire durch seine Kompositionen. Und als 1958 das Album «Art Blakey and the Jazz Messengers» erschien – eines der zentralen Werke des Hardbop –, war Golsons Anteil daran kaum geringer als jener des Bandleaders.

Nach einem Jahr verliess Benny Golson die Jazz Messengers indes wieder, um auch eigenen Projekten nachzugehen. In den nächsten Jahren sorgte er vor allem mit dem Jazztet für Aufsehen: Das Sextett, das er zusammen mit dem Trompeter Art Farmer gegründet hatte, war geprägt durch Golsons Repertoire sowie durch die luftigen, schillernden Bläsersätze. Hier brillierte Golson als Arrangeur, der die Einzelstimmen immer wieder in stringenten, federnden Strängen bündelte, die mit der Improvisation kontrastierten.

Filmmusik und Symphonien

Als die Jazzmusiker die kompositorischen Vorgaben in den sechziger Jahren im Sinne ihrer expressiven Freiheit auf ein Minimum reduzierten, zog sich Benny Golson nach Hollywood zurück, um sich als Filmkomponist in Szene zu setzen. Später hat er auch klassische Werke komponiert, unter anderen 1994 die Symphonie «Two Faces».

Aber ganz hat sich der Jazzsaxofonist nie von der Bühne verabschiedet. Noch in den letzten Jahrzehnten ging er auf internationale Tournee, um seine Standards zu spielen und in den Pausen schwärmerisch von all seinen alten Musikerfreunden zu erzählen: zum Beispiel vom Star-Trompeter Clifford Brown, der 1956 bei einem Autounfall ums Leben kam. Ihm widmete er sein bekanntestes Stück: «I Remember Clifford». – Am Samstag ist Benny Golson im Alter von 95 Jahren in New York gestorben.

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