Samstag, September 28

Der Luxusautobauer hat die Zeichen der Zeit erkannt und verabschiedet sich bei der vierten Generation seines Sportcoupés vom Zwölfzylindermotor. Ist der V8 mit Elektrounterstützung ein gleichwertiger Ersatz?

Als Bentley 2003 das sportliche Coupé Continental GT lancierte, war es das erste neue Modell der Marke seit den 1930er Jahren. Die Motivation dazu kam vom Volkswagen-Konzern, der Bentley 1998 übernommen hatte. Mit der Einführung des Continental GT stiegen die jährlichen Verkaufszahlen von gut 400 auf 7500 Stück. Den Hauptanteil am Erfolg hatte der Viersitzer in seinen Coupé- und Cabrio-Varianten.

Bisher war der Zwölfzylinder-Benziner mit doppelter Aufladung ein wichtiges Merkmal des Continental GT. Aber das Thema ist nach drei Generationen abgehakt. Zu durstig und emissionsstark ist das Triebwerk aus heutiger Sicht. Die vierte Generation, die nun auf den Markt kommt, verfügt über einen moderneren Hybridantrieb, ist aber derzeit nur in der besonders sportlichen Version mit Namenszusatz Speed erhältlich.

Die Kombination aus Vierliter-V8 und Elektromaschine macht das neue Modell aber nicht etwa zum schwächlichen Nachkommen eines Vollblutsportlers – im Gegenteil. Der neue Continental GT Speed ist mit 782 PS Leistung und bis zu 1000 Nm Drehmoment der bisher stärkste Bentley mit Strassenzulassung.

Geglättete Aussenhaut mit markanten Linien

Den Kraftzuwachs äusserlich sichtbar zu machen, war eine der Aufgaben von Chefdesigner Robin Page, der bereits die ersten beiden Generationen des Continental GT gestaltet hatte. Seitlich ist die Karosserie stärker geglättet als bisher, doch sollen zwei auffällige Falze an den Kotflügeln für Spannung sorgen.

Es fällt auf, dass die modelltypischen runden Doppelleuchten einzelnen Scheinwerfern gewichen sind. Diese sind ebenfalls oval, verfügen aber über zusätzliche «Lidstriche» zur Betonung der Dynamik des Fahrzeugs. Der Designchef Page spricht von «Tigeraugen».

Dazu passend hat er die 22 Zoll grossen Räder im Stil von Tigerkrallen gestaltet. Auch die Rückleuchten sind nun neu gestaltet, sie sind breiter und flacher als bisher. Auf einen beweglichen Heckspoiler verzichtet Bentley beim neuen Continental GT. «Die hohe Abrisskante des Kofferraumdeckels erzeugt genügend Anpressdruck an der Hinterachse, da braucht es keine zusätzlichen Flügel», sagt Robin Page.

Zu mehr Fahrspass für die Passagiere soll die Umgestaltung der Rückbank in zwei Schalensitze beitragen. Sie liefern den Fond-Mitfahrern deutlich mehr Seitenhalt. Bei der Cabrio-Version GTC lässt sich das Stoffverdeck auf Knopfdruck innerhalb von 17 Sekunden im Heck versenken, dies ist bei Tempi bis 48 km/h auch während der Fahrt möglich.

Der Continental GTC verfügt auch bei geschlossenem Verdeck über eine dem Coupé ähnliche Silhouette. Dazu erhielt die Dachkonstruktion sieben separate Bügel, um eine möglichst harmonische Dachlinie zu erzeugen. Aufgrund der Batterie für den Hybridantrieb ist allerdings bei beiden Modellvarianten der Kofferraum gegenüber dem Vorgänger um 98 Liter geschrumpft. Neu hat er ein Volumen von knappen 260 Litern. Reisen vier Personen, ist der Platz für Gepäck zu klein.

Der Sparverbrauch bleibt Theorie

Auch wenn der Wagen nun der stärkste in der Bentley-Palette ist, verfügt er zugleich über einen theoretisch besonders niedrigen Verbrauch. Hier aber gibt sich der Hersteller zurückhaltend. Er gibt einen CO2-Ausstoss von lediglich 29 Gramm pro Kilometer aus, was einen Normwert von 1,25 Litern Benzin je 100 Kilometer ergibt. So wenig verbraucht in der Praxis nicht einmal ein Motorrad.

Der Grund für die Zurückhaltung: Auch wenn der Wagen theoretisch gut 80 Kilometer elektrische Reichweite aufweist – ein guter Wert –, ist ein solch tiefer Benzinverbrauch kaum in der Realität nachvollziehbar. Schliesslich soll der Continental GT zu zügigen Reisen über längere Strecken einladen, bei der die knapp 26 kWh grosse Batterie nicht alle 30 bis 50 Minuten an der Ladesäule nachgeladen wird.

Viel wichtiger als geringer Verbrauch auf dem Papier ist Bentley aber die Leistungsfähigkeit des Antriebs. Der Entwicklungsvorstand Matthias Rabe unterstreicht dies: «Der Continental GT bietet jetzt auch auf der Rennstrecke Fahrspass.» Dies erscheint besonders erstaunlich, da der Wagen fast 200 Kilogramm schwerer als sein Vorgänger mit Zwölfzylindermotor ist.

Auf der Rundstrecke schnell – und schwer

Der Selbstversuch auf der hügeligen Rennstrecke in Castelloli bei Barcelona ergibt: Rabes Aussage ist nachvollziehbar. Der Elektromotor sorgt für eine lineare Beschleunigung aus dem Stand mit grossem Drehmoment. Dies war noch in keinem Bentley so ausgeprägt. Der Wagen bleibt bis zu drei Viertel des Gaspedaldrucks im elektrischen Modus, dann schaltet sich der Benziner erst bei 160 km/h zu. Erlebbar ist dies nur auf der deutschen Autobahn oder eben auf der abgesperrten Rennstrecke.

Zur überlegenen Leistung in Kurven und Schikanen tragen der Allradantrieb und das fein abgestimmte Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe bei. Zu den Verbesserungen gegenüber dem Vorgängermodell gehören eine Luftfederung, neue Stossdämpfer mit zwei Ventilen und eine neue Abstimmung für das vom Vorgänger übernommene Chassis. Die Neukalibrierung war nötig, weil sich aufgrund des kleineren Benzinmotors und der Batterie die Gewichtsverteilung leicht veränderte. Neu ist zudem eine Elektronikplattform der jüngsten Generation.

Doch die vier Zentner Zusatzgewicht lassen sich auf flotter Fahrt nicht ganz verstecken. Beim Einlenken in enge Kurven schiebt der Bentley Continental GT Speed trotz direkter Lenkung gelegentlich über die Vorderräder. Dieses Untersteuern ist ein neues Phänomen, es liesse sich allenfalls durch eine feinere Abstimmung des Allradantriebs mit noch stärkerer Betonung des Hinterachsdrehmoments wegoperieren.

Insgesamt zeigt sich die vierte Generation deutlich moderner als die Vorgänger. Und wer den Plug-in-Hybriden öfters an der Ladesäule auftankt, erhält die ideale Kombination aus Luxus, Sport und Effizienz. Der Preis ab gut 270 000 Franken passt zur Luxusklasse und verleiht den Käufern die nötige Exklusivität – Bentleys stehen eben nicht an jeder Strassenecke.

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