Die Linke applaudiert – und erwartet von den Freisinnigen künftig Unterstützung für eigene Ausbaupläne.
Die Stadtzürcher FDP sieht sich im Stadtparlament gerne in der Rolle der kritischen Beobachterin. Sie muckt auf, wenn die rot-grüne Mehrheit wieder einmal staatliche Stellen aller Art schaffen will. Da fällt es aus dem Rahmen, wenn die Partei für einmal selbst für ein Beratungsangebot eintritt. Wie am Mittwoch geschehen.
Da debattierte der Gemeinderat über einen Vorstoss von FDP und GLP, der auf jene zielt, die als Selbständige oft mehr schlecht als recht über die Runden kommen. 18 Prozent der Working Poor sind gemäss einem Bericht des kantonalen Amts für Arbeit aus dem Jahr 2021 selbständig.
Das Problem, sagte Ronny Siev (GLP) im Rat, sei, dass viele nicht über das notwendige Wissen verfügten, um reagieren zu können, wenn ihr Unternehmen in wirtschaftliche Schieflage gerate. «Mit entsprechender Beratung kann der Turnaround geschafft werden.» Dafür brauche es ein Beratungsangebot der Stadt.
Eingebracht hatte den Vorstoss Mélissa Dufournet (FDP), die nach ihrem Rücktritt im letzten Herbst nicht mehr im Rat sitzt. Sie sagt auf Anfrage, es sei für Unternehmen völlig normal, sich Hilfe zu holen. Grosse Unternehmen engagierten Beratungsunternehmen. Für Selbständige sei das nicht so einfach.
Aber müsste, wer ein Unternehmen gründet, nicht in der Lage sein, sich selbst zu informieren? Diesen Aspekt könne man durchaus kritisch sehen, räumt Dufournet ein. «Aber wer als Kleinunternehmer am Anschlag ist, hat kaum Zeit, in der Bibliothek Bücher zu wälzen.»
Es gehe um rasche Hilfe in Notsituationen. «Und es kann auch wertvoll sein, festzustellen, dass es nicht mehr weitergeht. Dann ist eine geordnete Liquidation immer noch besser als ein Schuldenberg.»
Dass der Vorschlag für einen FDP-Vorstoss aus dem Rahmen fällt, zeigten die Reaktionen im Stadtparlament: Applaus von links, Widerstand von rechts.
Für die SVP sprach Michele Romagnolo. Er kritisierte, dass leider viele Leute ohne jegliche Branchenkenntnis Firmen gründeten: unüberlegt, ohne Businessplan oder Ahnung von Buchhaltung. Andere seien auch nur an den Pensionskassengeldern interessiert, die bei Firmengründungen zugänglich seien. Nicht wenige dieser Personen hätten Migrationshintergrund – was er als Secondo anmerken könne, ohne unter Rassismusverdacht zu geraten.
Romagnolo sagte: «Ich bin Automechaniker und kann auch nicht im Triemli-Spital operieren.» Die Haltung, im Notfall helfe dann schon der Staat, dürfe man nicht noch fördern. Besser wäre es, man würde Branchenkenntnisse zur Voraussetzung für eine Firmengründung machen.
Von einer «ursozialdemokratischen Forderung» sprach hingegen SP-Gemeinderat Reis Luzhnica. «Da können wir natürlich nicht dagegen sein.» Von den Bürgerlichen fordere man nun allerdings künftig ein, dass sie bei Themen im Sozialbereich ebenfalls für Beratungsangebote stimmten.
Aus heiterem Himmel kam der ungewöhnliche FDP-Vorstoss freilich nicht. Er ist vielmehr ein Überbleibsel aus den Beratungen über den Mindestlohn, den die Stadtzürcher Stimmbevölkerung letzten Sommer an der Urne angenommen hat. Der FDP missfiel damals, dass ausgerechnet die unternehmerisch denkenden Selbständigen aussen vor bleiben sollten.
Das Postulat wurde im Rat deutlich angenommen. Der Stadtrat prüft nun dessen Umsetzung.