Samstag, März 15

Der Trainer Patrick Fischer und seine Spieler steigen voller Zuversicht in den WM-Halbfinal gegen Kanada (ab 18 Uhr 20). Das Team überzeugt in Tschechien als harmonische Einheit.

Tschechien scheint für die Schweiz und ihre Eishockeynationalmannschaft ein gutes Pflaster zu sein. 1992 hatten die Schweizer in Prag Deutschland im WM-Viertelfinal 3:1 bezwungen und sich erstmals nach Jahrzehnten voller Niederlagen und Demütigungen wieder in die öffentliche Wahrnehmung gespielt. Nun war es am Donnerstag erneut ein 3:1 gegen Deutschland, diesmal allerdings in Ostrava, rund 300 Kilometer von Prag entfernt, das sie von ihrem Viertelfinaltrauma und Deutschland als Angstgegner befreit hat.

Es war der erste Sieg der Schweizer gegen die Deutschen in einem wirklich wichtigen Spiel nach vier zum Teil schmerzhaften Niederlagen. Die letzte vor einem Jahr in Riga hatte alles prinzipiell infrage gestellt: die Arbeit des Trainers, die Qualität der Liga, die Leistungsfähigkeit der Spieler.

Alle Kritik scheint weggewischt

All das scheint nun wie weggewischt. Die Schweizer treffen am Samstag in ihrem ersten Halbfinal seit 2018 in Kopenhagen auf Kanada, wieder auf Kanada (ab 18 Uhr 20). Vor sechs Jahren waren die Schweizer dort nicht mehr zu stoppen gewesen und stürmten mit einem 3:2 in den Final gegen Schweden, den sie erst im Penaltyschiessen verloren.

Und was kommt in diesem Jahr? Patrick Fischer sagte nach dem Sieg gegen Deutschland, es sei ihm ein Stein vom Herzen gefallen. «Ich bin extrem stolz auf meine Mannschaft.» Angst, dass der Match wie vor drei Jahren trotz einer 2:0-Führung noch kippe, habe er nie gehabt.

Natürlich habe es erneut schwierige Momente gegeben wie etwa jene unmittelbar nach dem Anschlusstreffer von Dominik Kahun. «Doch wir sind ruhig geblieben, haben Schüsse blockiert und alle füreinander gekämpft. Ich bin glücklich für all jene, die den Glauben an uns nie verloren haben.»

Die Schweizer verblüffen in Tschechien vor allem als harmonische Einheit. Von vorne bis hinten arbeiten alle Spieler solidarisch zusammen. Fischer witzelte, er sei früher ein offensiv ausgerichteter Stürmer gewesen. Heute wisse er, dass die Defensive für den Erfolg bedeutender sei. Das Schweizer Eishockey-Nationalteam steht inmitten eines erstaunlichen Prozesses. Es hat in den vergangenen vier Jahren an WM-Turnieren in der Gruppenphase noch 4 von 28 Spielen verloren; dreimal beendete es diese Phase des Turniers auf einem der ersten zwei Plätze.

Nun schafften die Schweizer endlich auch wieder einmal die Hürde Viertelfinal. Als Lohn dafür erwartet sie das Duell mit Kanada, dem Mutterland des Eishockeys. Die Kanadier mögen nicht mehr jene Übermacht sein, die sie einst waren. Jahrzehntelang konnten ihnen allenfalls die Sowjetunion und später die Russen ernsthaft gefährlich werden. Das Eishockey hat sich gerade durch die Öffnung der NHL und ihren erhöhten Spielerbedarf vor allem aus Europa markant verändert. In den vergangenen Jahren haben auch die Schweden und die Finnen immer wieder Titel gewonnen.

Doch Rekordweltmeister bleiben mit 28 Titeln die Kanadier. Auch vor einem Jahr in Tampere gewannen sie den Final gegen Deutschland. Ihr Team in Prag ist gut besetzt. Doch die absoluten Topstars wie Colorados Nathan MacKinnon oder Edmontons Connor McDavid fehlen ebenso wie der beste Verteidiger, Quinn Hughes von den Vancouver Canucks. Der bekannteste Spieler im Team ist wahrscheinlich Torontos John Tavares, der während des Lockouts 2012/13 kurz für den SC Bern gespielt hat.

Doch der beständigste NHL-Spieler der letzten Jahre steht ironischerweise im Kader der Schweizer. Roman Josi ist in Nashville nicht nur ein souveräner Verteidiger, sondern auch ein regelmässiger Skorer. In der vergangenen Saison hatte der 33-jährige Berner seinen Stock bei 88 Treffern im Spiel. Das ist selbst in Übersee ein absoluter Spitzenwert.

Die Spieler wollen den Halbfinal «geniessen»

Josi ist einer der Gründe, weshalb die Schweizer am Samstag gegen die hoch gehandelten Kanadier alles andere als ein chancenloser Aussenseiter sein werden. Der Tenor im Schweizer Team ist einhellig: «Wir wollen diesen Match geniessen.» In der Aussage liegt viel Vergangenheit begraben; die wiederholten Viertelfinalniederlagen und das mediale Echo, das diese ausgelöst haben, haben Spuren hinterlassen. Fischer sagt: «Dass wir im Viertelfinal immer gestolpert sind, ist nicht einfach so an uns vorbeigegangen.»

Der Coach sagte am Donnerstag, nun sei der Moment, um kurz durchzuatmen und zu geniessen. Doch dann gehe es weiter. Man sei nun nicht einfach zufrieden, noch dabei zu sein. Die Zuversicht des Zugers liegt in der Gewissheit, eine Mannschaft zur Verfügung zu haben, die sich vor niemandem verstecken muss. Es gibt in diesem Team neben Josi auch noch Nico Hischier, der regelmässig skort, Nino Niederreiter, der mit seinem physischen Spiel jedem Gegner trotzen kann, und natürlich Kevin Fiala, diesen subtilen Künstler, der auf dem Weg ist, sich ins All-Star-Team der WM zu spielen, und beim 2:3 in der Vorrunde gegen die Kanadier mit seinen zwei Treffern und der umstrittenen Fünfminutenstrafe der Schlüsselspieler war.

Doch seit dem Viertelfinalsieg gegen Deutschland ist klar: Dieses Team ist mehr als eine Schweizer NHL-Auswahl, die mit ein paar Spielern aus der National League ergänzt worden ist. Matchwinner am Donnerstag waren mit dem Doppeltorschützen Christoph Bertschy und dem Torhüter Leonardo Genoni zwei Spieler, die für Fribourg-Gottéron und den EV Zug in der Schweiz spielen. Auch sie müssen sich vor niemandem verstecken.

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