Warren Buffett tritt die Leitung von Berkshire Hathaway ab. Seine Nachfolge an der Spitze von Amerikas grösstem Industrie- und Finanzkonglomerat ist weitgehend geregelt. Doch die Schlüsselfrage ist, ob sich die Erfolgsstory auch ohne die lebende Investorenlegende fortsetzt.

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Die grösste Überraschung an der jährlichen Generalversammlung von Berkshire Hathaway kam fünf Minuten vor Schluss der Fragerunde. Viele der annähernd 20’000 Anwesenden im CHI Health Center in Omaha, Nebraska, dürften ihren Ohren zunächst nicht recht getraut haben: Nach sechzig Jahren als CEO gibt Warren Buffett die Leitung per Ende Jahr ab. Seinen Posten übernimmt Greg Abel, der bisher den industriellen Teil des Konglomerats geleitet hat.

Dass sich die Ära von Berkshire unter Buffett allmählich dem Ende zuneigt, war indes bereits seit einiger Zeit klar. Der wohl beste Investor der modernen Geschichte feiert Ende August seinen 95. Geburtstag. Seine Nachfolge hat er schon seit Jahren sorgfältig vorbereitet. Auch war sein lebenslanger Freund, Charlie Munger, im November 2023 im Alter von 99 Jahren verstorben, womit ihm sein wichtigster Partner in geschäftlichen Belangen verlorenging.

Der «Weise von Nebraska» hätte für seinen Abgang kaum einen besseren Zeitpunkt wählen können. Die Aktien von Berkshire Hathaway haben am vergangenen Freitag auf einem Rekordhoch geschlossen. Der Kurs ist allein in den letzten fünf Jahren um fast 200% avanciert. Der Buchwert, lange Buffetts präferierter Massstab zur Bewertung von Aktien, bewegt sich mit 1,8 auf dem höchsten Niveau seit mehr als fünfzehn Jahren.

Was also bedeutet der Rücktritt für die künftigen Aussichten von Berkshire an der Börse? Für die Antwort sind drei Aspekte zentral.

1. Weshalb tritt Buffett ab?

Dass Buffett das Ende seiner Karriere als Investor und CEO an der Berkshire-GV ankündigen würde, wusste kaum jemand. Wie er sagt, hat er im Verwaltungsrat den Entscheid nur seinen beiden Kindern, Howard und Susie Buffett mitgeteilt, die beide dem Gremium angehören. Selbst Greg Abel, der bei der Ankündigung neben Buffett sass, wirkte völlig überrascht.

«Ich denke, dass der Zeitpunkt gekommen ist, an dem Greg zum Jahresende die Leitung des Unternehmens übernehmen sollte», sagte der Berkshire-Gründer in gewohnt trockenem Stil. «Mit Greg funktioniert es viel besser als mit mir, weil … ich nicht so hart arbeiten will wie er», erklärte er weiter.

Gut denkbar ist, dass Buffett den letzten Abschnitt seines Lebens geniessen will. Die Arbeit als Konzernchef hatte ihm stets grossen Spass gemacht. Doch möglicherweise weniger nach dem Ableben von Munger, der wesentlich am Erfolg der Gruppe beteiligt war und den er bis zum Schluss als wichtigsten Berater für Investitionsentscheidungen hinzugezogen hatte. (Hier eine umfassende Analyse zu Berkshires Anlagephilosophie).

Hinzu könnten andere Überlegungen kommen. Das politische Klima in den USA ist aufgeheizt. Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass ein Grosskonzern von Berkshires Kaliber früher oder später mit der Trump-Regierung – sagen wir einmal – in Berührung kommt. Möglicherweise wollte sich Buffett eine solche Situation ersparen. Wie ungern er bei politischen Fragen im öffentlichen Rampenlicht steht, zeigte sich während des Skandals um die Investmentbank Salomon Brothers in den Neunzigerjahren.

2. Was bedeutet der Rücktritt für Berkshire?

Aus operativer Sicht dürfte sich für Berkshire Hathaway vorerst wenig ändern. Das Unternehmen wird dezentral geführt. Buffett verwaltete sein Imperium in den bescheidenen Büroräumen am Konzernsitz in Omaha mit einigen wenigen Mitarbeitenden. Den Chefs der einzelnen Konzernbereiche und Tochterunternehmen liess er weitgehend freie Hand.

Der Verwaltungsrat wird am nächsten Treffen voraussichtlich Buffetts Entscheid über seine Nachfolge formell umsetzen. «Ich würde immer noch da sein und könnte vielleicht in einigen Fällen nützlich sein, aber das letzte Wort hätte Greg beim operativen Geschäft, beim Kapitaleinsatz, was auch immer es sein mag», sagt er.

Bald 63, übernimmt Abel den Top-Job in einem Alter, in dem die meisten Konzernchefs allmählich an den Ruhestand denken. Er hat auf seine Berufung geduldig gewartet, seit ihn Buffett 2018 zum Vizepräsidenten ernannte und ihm die Leitung von Berkshires Industriebereich mit Dutzenden von Unternehmen übertrug; darunter die Eisenbahngruppe Burlington Northern Santa Fe, der Versorger Berkshire Hathaway Energy und der Spezialchemiekonzern Lubrizol.

Die Assekuranz-Sparte, mit dem Autoversicherer Geico und einem bedeutenden Rückversicherungsgeschäft, wird seit Langem von Ajit Jain geleitet, den Buffett stets für seine Arbeit lobt. Er ist allerdings bereits 73. Ein weiterer wichtiger Entscheid zur Zukunft der Gruppe wird damit Jains Nachfolge betreffen. Als Kronfavorit gilt Joe Brandon. Er hatte bis 2022 den Versicherer Alleghany geleitet, den Berkshire 2022 für 11,6 Mrd. $ übernahm.

Unklar ist, wer künftig das fast 270 Mrd. $ grosse Aktienportfolio bewirtschaftet. Es umfasst Kernbeteiligungen an Weltkonzernen wie Apple, Coca-Cola und Kraft Heinz. Bisher wurde es von Buffett mit den Investmentmanagern Ted Weschler und Todd Combs geleitet, wobei er für grössere Engagements jeweils die Verantwortung übernommen hat. Generell hatte Berkshire Positionen in den letzten Jahren getrimmt oder ganz veräussert. Wie Buffett am Wochenende sagte, wurden die Turbulenzen von Anfang April nicht für Zukäufe genutzt.

Dass Berkshire bald in einzelne Teile aufgebrochen wird, ist wenig wahrscheinlich. Buffett und Munger haben in den letzten sechzig Jahren aus einem kriselnden Textilmaschinenhersteller einen der wertvollsten Konzerne Amerikas mit einem Börsenwert von nahezu 1,2 Bio. $ zusammengezimmert. Die Idee einer Aufspaltung hat er stets abgelehnt. Seine Beteiligung an Berkshire beträgt 14% des Aktienkapitals respektive 30% der Stimmen. Sie wird nach seinem Tod über eine Stiftung von seinen insgesamt drei Kindern verwaltet, die den Wunsch ihres Vaters vermutlich respektieren werden.

3. Wie geht es mit dem Aktienkurs weiter?

Wie der Kurs von Berkshire heute Montag auf die Nachricht aus Omaha reagieren wird, lässt sich schwierig sagen. Viele Investoren halten die Aktien, weil sie Buffetts phänomenalen Leistungsausweis an der Börse bewundern und quasi ihm persönlich ihr Geld anvertrauen – bislang ein beträchtlicher Pluspunkt für den Investment Case, der fortan wegfällt.

Andererseits ist der Konzern mit Abel als CEO auch in Zukunft in guten Händen. Buffett hat gesagt, er werde keine einzige Aktie verkaufen, was am Aktionärstreffen mit grossem Applaus begrüsst wurde. «Der Beschluss, alle Aktien zu behalten, ist ein wirtschaftlicher Entscheid, weil ich glaube, dass die Aussichten von Berkshire unter Gregs Leitung besser sein werden als unter meiner», fügte er hinzu.

Möglicherweise wird Berkshire unter neuer Führung auch transparenter, was eine willkommene Entwicklung wäre. Das Unternehmen hält zum Quartalsabschluss jeweils keine Telefonkonferenz mit Analysten ab. Auch lässt sich aus dem Geschäftsbericht bloss erahnen, wie es um die operative Performance der einzelnen Unternehmen steht. Als neuer CEO könnte Abel mit mehr Transparenz Vertrauen an der Börse schaffen.

Ein Argument, das weiterhin für die Aktien spricht, ist der enorme Bestand an freien Mitteln. Per Ende des ersten Quartals ist der Bestand an flüssigen Mitteln weiter auf annähernd 348 Mrd. $ oder 30% der Bilanzsumme angewachsen. Sollte der Kurs einen grösseren Rückschlag erleiden, kann ein Teil dieses Geldes für ein Rückkaufprogramm eingesetzt werden. So kaufte Berkshire beispielsweise auch in der Periode von März 2020 bis Dezember 2021 in grösserem Stil eigene Titel, wobei sich der Kurs der Kategorie B zwischen rund 160 und 300 $ bewegte.

Und wer weiss, vielleicht entschliesst sich Berkshire demnächst sogar zur Ausschüttung einer Dividende. Buffett hatte eine Direktausschüttung in der Vergangenheit kategorisch abgelehnt. Dies mit dem Argument, dass Aktionäre mehr profitieren würden, wenn er dieses Geld anlegen würde. Auch bei der Ausschüttungspolitik könnte es damit nach seinem Rücktritt als CEO zu positiven Veränderungen kommen.

Freundlich grüsst im Namen von Mr Market

Christoph Gisiger

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