Dienstag, November 26

Über die neue bürgerliche Einigkeit in den beiden Städten.

Wenn man einen Berner Bürgerlichen auf die Palme bringen möchte, hat man unzählige Möglichkeiten: Man kommt auf die Reitschule zu sprechen, erwähnt das Defizit im städtischen Budget oder die vielen Begegnungszonen mit Tempo 20. Das linksautonome Kulturzentrum, die steigenden Schulden oder die Verkehrspolitik stehen stellvertretend für über 30-jährige linke Macht. Die städtische Regierung ist in der Hand von RGM, bestehend aus SP, Grünem Bündnis und Grüner Freier Liste, die vier Sitze haben. Dazu kommt mit Reto Nause ein Mitte-Politiker. Keine Grossstadt ist linker, wie der Stadt-Land-Monitor des Politgeografen Michael Hermann zeigt.

Doch jetzt greift Mitte-rechts an. Nach der FDP hat am Dienstag auch die GLP beschlossen, an den städtischen Regierungswahlen im November mit SVP, Mitte und EVP zusammenzuspannen. So wollen sie den Sitz des nicht mehr antretenden Nause verteidigen und einen zusätzlichen erobern. Ihn beerben könnte die grünliberale Nationalrätin Melanie Mettler, der zweite Sitz würde wohl an die FDP-Kandidatin Florence Pärli oder die Mitte-Frau Béatrice Wertli gehen.

Das breite Bündnis ist bemerkenswert. Die GLP, die wählerstärkste Partei in diesem Bund, ist zwar bekannt dafür, sich ziemlich flexibel mal nach rechts, mal nach links zu orientieren. Doch für die Listenverbindung mit der SVP mussten die Grünliberalen einen ziemlichen Sinneswandel vollziehen. Bis jetzt wollte die Partei nichts wissen von der Rechtspartei. Und auch jetzt passt der Schritt nicht allen. Gewichtige Grünliberale wie der ehemalige Präsident Michael Ruefer etwa argumentieren, in Zeiten, in denen in Europa viele Menschen gegen Rechtsparteien auf die Strasse gingen, sei eine Liste mit der SVP ein falsches Zeichen.

Ohne SVP keine Mehrheit

Tatsächlich ist es nicht so einfach mit dieser SVP, das haben die Wahlen im Oktober gezeigt. Immer wieder verbrennen sich liberale Bürgerliche die Finger an der Partei, die gerne populistischer (und erfolgreicher) auftritt, als es etwa die FDP oder die Mitte gerne haben. Gleichzeitig brauchen sie sie, wenn sie eine Mehrheit wollen.

Diese Figgi-Müli-Situation treibt derzeit auch die Bürgerlichen in Basel-Stadt zu aussergewöhnlichen Pirouetten. Basel (die Stadt ebenso wie der Kanton) ist laut Michael Hermanns Forschung zwar weniger links als Bern, gilt aber ebenfalls als rot-grüne Hochburg. Davon zeugen der kantonale Mindestlohn oder das Netto-Null-Ziel von 2037.

Doch nun sehen die Bürgerlichen eine Chance, mit dem Freisinnigen Luca Urgese der SP einen Sitz abzujagen und die Mehrheit in der Regierung zu erobern. Weil Beat Jans Bundesrat geworden ist, wählt Basel-Stadt im März ein neues Regierungsmitglied. Und das zu einem Zeitpunkt, an dem die zerstrittenen linken Parteien sich nicht einmal auf einen Kandidaten einigen konnten, sondern zwei ins Rennen schicken, den Sozialdemokraten Mustafa Atici und den Grünen Jérôme Thiriet.

Um die Chance zu packen, absolvieren die Basler Bürgerlichen eine Spitzkehre wie die Grünliberalen in Bern: Sie gehen mit der SVP zusammen. An den nationalen Wahlen im Oktober wollten sie noch nichts wissen von der Volkspartei. Besonders tief geht die Abneigung bei der tonangebenden Liberal-Demokratischen Partei (LDP).

Die «Sauhaufen»-Affäre

Auf Bundesebene existiert die LDP nicht mehr, im Jahr 2009 hat sie mit der FDP Schweiz fusioniert. In Basel-Stadt dagegen hat die LDP die FDP regelrecht marginalisiert. Sie stellt zwei Regierungsmitglieder, eine Nationalrätin und sitzt in wichtigen Stiftungen und Aufsichtsgremien. Dabei schöpft sie ihre Identität auch aus der Abgrenzung von der SVP.

Das zeigte sich etwa bei den Wahlen im vergangenen Oktober. Ein renommierter Liberaler ging bei einer Parteiversammlung so weit, die SVP einen «Sauhaufen» zu nennen, mit dem man keine konstruktive Politik für Bern machen könne. Ein anderer machte sogar einen Insekten-Vergleich. Es folgte eine Entschuldigung, doch es blieb dabei: Eine Listenverbindung mit der SVP kam nicht infrage. LDP, FDP und Mitte taten sich stattdessen mit der GLP und der EVP zusammen.

Die Pointe aus Sicht der SVP: Sie überholte die LDP bei den Wählerstimmen und ist seither stärkste rechte Kraft. Dennoch gingen die bürgerlichen Sitze an LDP und GLP – keine Listenverbindung, kein Mandat.

Und nun ist alles anders. Denn bei der kommenden Regierungsersatzwahl ist klar: Kommt die SVP mit einem eigenen Kandidaten, hat der Freisinnige Luca Urgese keine Chance. Einfach wird es für ihn auch so nicht: Linke Wählerinnen und Wähler in Basel-Stadt haben sich in der Vergangenheit erstaunlich treu gezeigt, sogar wenn die Linke ein schlechtes Bild abgibt wie jetzt. In Bern rechnen Politologen dem bürgerlichen Bündnis aufgrund des dortigen Proporzwahlrechts dagegen gute Chancen aus.

Die bürgerlichen Hoffnungen sind auf jeden Fall gross, in Bern wie in Basel. Ein Machtwechsel täte aus ihrer Sicht gut, vor allem wenn es um die Finanzen geht. So haben etwa freisinnige Kandidaten beiderorts erklärt, das Ausgabenwachstum bremsen zu wollen.

Dabei gestaltet sich die Situation an der Aare anders als am Rhein. Die beiden Budgets lassen sich zwar nicht direkt vergleichen, Bern ist eine Stadt, Basel-Stadt ein Stadtkanton. Doch so viel kann man sagen: Während Bern knapp bei Kasse ist, schwimmt Basel im Geld. Die Stadt Bern hat im November ein Budget mit einem Defizit von 39 Millionen Franken verabschiedet, Basel-Stadt rechnet fürs Jahr 2024 mit einem Überschuss von 74 Millionen Franken – trotz Steuersenkungen.

Basel hat das Glück, dass die Pharmaindustrie seit Jahren zuverlässig Geld in die Staatskasse spült und die Schulden tief hält. Entsprechend unterschiedlich verhält sich auch die Politik. Während die spendierfreudigen Linken den Berner Bürgerlichen schlaflose Nächte bereiten, hat der liberale Erziehungsdirektor Conradin Cramer in Basel gerade ein 36 Millionen Franken schweres Paket für die Kinderbetreuung geschnürt. Die SVP läuft mit ihren Sparwünschen jeweils auf, obwohl Mitte-rechts inklusive GLP in Finanzfragen eine Mehrheit haben könnte.

Vielleicht würde sich die Spardisziplin in Bern und Basel mit einer grösseren Regierungsmacht von Mitte-rechts ändern. Vielleicht auch nicht. Die Erfahrung zeigt auch auf Bundesebene: Wenn es darauf ankommt, sparen selbst Bürgerliche ungern.

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