Donnerstag, Januar 2

Er wäre fast Profisportler geworden, doch dann kam ein Schlittelunfall dazwischen. Nguela erklärt, weshalb er gerne mit Donald Trump Basketball spielen würde, und sagt, dass er zwei Swiss Comedy Awards abgeben würde, dürfte er einen bestimmten Sportler treffen.

Charles Nguela ist 1989 in Kongo-Kinshasa geboren. Nachdem sein Vater dort umgebracht worden war, flüchtete die politisch verfolgte Familie nach Südafrika. Als Dreizehnjähriger kam Nguela mit seiner Mutter in die Schweiz, 2011 hatte er hier seinen ersten öffentlichen Auftritt als Comedian. Seitdem hat er mehrere Swiss Comedy Awards und 2023 einen Prix Walo gewonnen. Nguela ist demnächst wieder auf Tournee, im April startet sein Bühnenprogramm «Timing». Bekannt wurde er auch als Darsteller in Werbespots.

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Charles Nguela, ist Comedy machen Sport?

Wenn man sich auf der Bühne so viel bewegt wie ich: Ja! Pro Show verliere ich anderthalb Liter Wasser. Und weil ich mich auf Tournee beim Essen oft auf Salat beschränke, kommt es vor, dass ich plötzlich drei Kilogramm abgenommen habe. Mit vollem Magen würde ich zu wenig schnell denken können. Das kann ich mir in meinem Beruf nicht erlauben.

Wie fit sind Sie zurzeit?

Es ist gerade schwierig. Mir ist im Sommer eine Popcorn-Schüssel zersprungen, die in meiner rechten Hand neunzig Prozent der Sehnen und Nerven durchtrennt hat. Wenn ich noch etwas spüre, sind es Schmerzen. Beim Schwimmen merke ich, wie der Druck auf die Hand durch den Wasserwiderstand zu gross wird. Und beim Kampfsport gehen nur noch gerade Punches, keine Haken mehr, ich mache Muay Thai. Nervig ist es auch beim Kochen. Weil meine stärkere Hand betroffen ist, kann ich kaum noch etwas schneiden mit dem Messer. Deshalb nehme ich eine Schere.

Wie anstrengend ist es, ein Bühnenprogramm zu schreiben?

Ich bin dabei jeweils hypernervös, mein Herz pumpt ständig. Weil ich weiss, dass von dieser Arbeit abhängt, wie gut meine darauffolgenden zwei Lebensjahre werden. Wegen dieses Stresses muss ich so fit wie möglich sein. Krass sind meine Berufskollegen vom Chaos-Theater Oropax. Die fahren mit dem Velo vier Stunden zu einem Auftritt, stehen zwei Stunden auf der Bühne und radeln vier Stunden zurück. Der eine der beiden Brüder absolviert Ironman-Triathlons. Ich habe immerhin einmal am Aargauer Halbmarathon teilgenommen.

Charles Nguela: Die Rektal-Harlye-Davidson | Comedy | Das Zelt Comedy Club | SRF

In der Leichtathletik waren Sie richtig gut, wurden sogar fast Profisportler. Wie kam das?

In Südafrika, wo ich zur Schule ging, stand jeden Nachmittag Sport auf dem Programm: Montag Cricket, Dienstag Rugby, Mittwoch Schwimmen, Donnerstag Fussball. Und wir wuchsen damit auf, dass es ständig wettkampfmässige Vergleiche gab: Schulhaus gegen Schulhaus, Stadt gegen Stadt, Provinz gegen Provinz. In Afrika liebt man sportliche Duelle. Als ich dann mit meiner Mutter in den Aargau zog, irritierten mich die Schweizer Verhältnisse.

Inwiefern?

Wir hatten Sporttag an der Schule in Lenzburg. Aus Afrika war ich es gewohnt, dass man eine solche Veranstaltung extrem ernst nimmt. Ich stellte jedoch verwundert fest, dass meine Klassenkameraden grausam den Anschiss hatten. Ich gab dermassen Gas, dass ich einen Rekord aufstellte, der mehrere Jahre Bestand hatte. Und wissen Sie, was auch seltsam war?

Was?

Dass ich mich in der Schweiz für eine einzige Sportart entscheiden musste. Nun gut, meine Mutter war froh drum, so hielten sich die Ausgaben fürs Material in Grenzen. Aber es ist wohl kein Zufall, dass ich die Leichtathletik wählte und in dieser den Zehnkampf, so konnte ich weiterhin vielseitig sein. Meine Stärken hatte ich im Hoch- und im Weitsprung sowie im Mittelstreckenlauf. Ich wurde in mehreren Disziplinen Kantonalmeister und schaffte es ins Regionalkader.

Auf welche Leistung sind Sie am stolzesten?

Einmal startete ich in einem 1-Kilometer-Lauf gegen einen Schweizer Meister. 150 Meter vor dem Ziel stolperte er, und ich sagte mir: Jetzt musst du alles reinhauen. Mit letzter Kraft stürmte ich zum Sieg – und machte einen Anfängerfehler. Ich blieb direkt hinter der Ziellinie stehen, anstatt locker auszulaufen. Mir wurde schwarz vor den Augen, ich fiel um.

Wieso hat es mit der Leichtathletik-Karriere nicht geklappt?

Wir trainierten oft neben den Fussballern des FC Aarau. Ich fragte sie einmal, was sie verdienten. Als ich die Antwort hörte, ging mir die Kinnlade runter. Wir waren zwar fitter, bekamen aber keinen Rappen und mussten sogar noch die sauteuren Nagelschuhe selber bezahlen. Das hat mich demotiviert. Zur gleichen Zeit entdeckte ich die Comedy. Sie wurde meine neue Liebe.

Ihre Mutter ist Drogistin. Hätte sie nachhelfen können, um Ihre Leistung zu verbessern?

Genau, meine Mutter sagte, ich solle einen Asthma-Spray verwenden, obwohl ich ihn gar nicht brauchte. Im Ernst: Sie unterstützte mich, indem sie gut für mich kochte. Aber irgendwann wurde es für mich zur Qual, grosse Mengen in mich hineinzuschaufeln, um genug Energie zu haben. Ich verlor den Bezug zum Essen. Was für jemanden wie mich, der eigentlich Schoggi, Butter, Käse und Omelette mit Speck mag, schwierig ist. Heute komme ich mit der Leichtathletik in Kontakt, wenn ich zu Hause vor dem Fernseher die Läufe der Kambundji-Schwestern live kommentiere.

Wer ist Ihr sportliches Idol?

Lewis Hamilton, der Rekordweltmeister der Formel 1. Seine Geschichte inspiriert mich. Sein Vater steckte sein ganzes Geld in Gokarts und schlief auf dem Sofa, um ihm die Chance auf eine solche Karriere zu ermöglichen. Ich träumte als Kind auch davon, Formel-1-Fahrer zu werden. Als ich elf war, liess mich in Südafrika mein Onkel mit einem Gokart auf seinem Parkplatz herumdüsen. In der Schweiz tunte ich dann mein erstes Auto selbst, nach allen Regeln der Kunst. Mein Kollege und ich sind fast jedes Wochenende Pässe gefahren, vor allem in Richtung Tessin, deshalb kenne ich unser Land so gut. Mittlerweile habe ich ein Elektroauto.

Was stand dieser Karriere im Weg?

Meine Mutter hätte im Lotto gewinnen oder im grossen Stil Kokain verkaufen müssen. Im Autorennsport muss irgendjemand bereit sein, viel Geld in dich zu investieren. Anders geht es nicht.

Würden Sie für eine Fahrt in einem Formel-1-Auto einen Swiss Comedy Award abgeben?

Fix. Aber klar, ich müsste zuerst Formel 3 und Formel 2 fahren, um mich an die massiven G-Kräfte der Formel 1 heranzutasten. Wenn ich einen Tag mit Lewis Hamilton verbringen dürfte, würde ich sogar zwei Swiss Comedy Awards abgeben.

Waren Sie schon einmal auf einer Rennstrecke?

Mehrmals, auch auf dem Nürburgring, der für Zivilisten die gefährlichste Strecke der Welt ist. Wenn du einen Fehler machst, bist du sofort in den Leitplanken. Ich erreichte mit meinem Sportwagen rund 260 km/h und hätte noch mehr aufs Gaspedal drücken können. Falls es eine Versicherung gibt, die das liest und mich in diesem Bereich sponsern möchte: Ich sage nicht Nein.

Was fasziniert Sie am Rennfahren?

Dass der Kopf und der Körper in dieser Extremsituation miteinander funktionieren müssen. Deshalb mochte ich auch in der Leichtathletik die etwas längeren Distanzen. Irgendwann kommst du in einen Zustand, der sich wie Trance anfühlt. Du vergisst den Schmerz, deine Lungen öffnen sich, und es läuft wie von selbst.

Sind Sportler lustig?

Und wie. Man sollte nicht verallgemeinern, aber ich war überrascht von vielen Fussballern, die sich weniger ernst nahmen, als man vielleicht denken würde. Während der Covid-Pandemie führte ich Interviews beim Schweizer Nationalteam der Männer zwischen unzähligen Plexiglas-Wänden, die Spieler mussten mir ihre Antworten zuschreien.

Welchen Fussballer finden Sie besonders interessant?

Valentin Stocker. Er beschäftigte sich mit dem Thema, wie er helfen kann, Sportler auf das richtige Leben vorzubereiten. Viele Fussballer müssen ja damit umgehen, dass sie plötzlich viel mehr Geld haben, sie leben dann eine Zeitlang in einer Art Parallelwelt. In einem solchen Umfeld kommt es natürlich auch zu Kulturclashs, die für mich als Komiker spannend sein können.

Gibt es bei diesem Humor Grenzen?

Es ist immer wichtig, mit den Leuten zu lachen und nicht über sie. Es kommt sehr darauf an, wie du die Geschichte erzählst, um die Pointe herum musst du eine Geschichte bauen. Auch um Traditionen zu respektieren. Dabei lernte ich, wie wichtig es ist, aus einer Aussenperspektive auf Dinge zu blicken.

Können Sie ein Beispiel geben?

Nehmen wir die Verbrennung des Bööggs. Ich hörte früher oft von Schweizern: «Ihr Afrikaner seid so abergläubisch.» Dann kam ich nach Zürich ans Sechseläuten und dachte: «Hey, das ist doch ein Joke!» Ein Stapel Holz, eine weisse Puppe, Leute, die in alten Kostümen herumlaufen, als seien sie Schamanen – das ist Voodoo, das ist doch Aberglaube pur! Bei einem Witz übers Schwingen würde ich daher meinen afrikanischen Cousin hinzunehmen, der bei mir zu Besuch ist und wissen will, weshalb diese Männer in Mehlsäcken stecken und sich gegenseitig zu Boden schmeissen. Und dann die Geschichte weiterspinnen.

Bei welcher Sportart sind Witze heikel?

Je weniger Leute eine Sportart betreiben, desto kritischer wird’s. Weil diese Leute eh schon eine Minderheit vertreten und einen Beschützerinstinkt für ihre Sache entwickeln. Besen-Witze in einer Curlinghalle? Sehr gefährlich!

In der Leichtathletik wimmelt es nur so von lustigen Figuren, denken wir nur an den wegen Dopings gesperrten Alex Wilson.

Oh ja. Ich glaube, mit ihm wäre es möglich, ein tolles Bühnenprogramm hinzukriegen. Wenn man genug lange mit Leuten spricht, die gewillt sind, lustig zu sein, kommt irgendwann auch Lustiges heraus. Man muss ihnen vielleicht nur die Angst davor nehmen, dass sie lächerlich gemacht werden. Genial finde ich Usain Bolt. Er machte Werbungen mit seinem Signature-Move, bei denen ich mir dachte: «Was zur Hölle tust du da, Mann? Das passt doch überhaupt nicht zusammen.» Und Bolt stand hin und sagte: «Ich weiss. Ich mach es ja auch nur wegen des Geldes.» Dass er nichts vorschob, fand ich megasympathisch.

Sie sagten einst, Sie würden gerne mit Barack Obama Basketball spielen. Würden Sie auch mit Donald Trump spielen?

Ja, da wäre ich sofort dabei, es sind beides saulustige Komiker. Trump hat bescheuerte Ideen und vereint so viele schlechte Eigenschaften, aber er ist definitiv ein Entertainer. Mich würde interessieren, ob er abseits der Kameras auch so crazy ist.

Im Kampfsport könnten Sie den geübten Judoka Wladimir Putin herausfordern.

Besser nicht. Ich müsste ihn ja gewinnen lassen, um todsicher keine Konsequenzen fürchten zu müssen.

Haben Sie im Sport Rassismus erfahren?

Eher selten.

Für welche Sportart haben Sie kein Talent?

Schlitteln. Ich fuhr einmal von Muottas Muragl im Engadin pfeifengerade hinunter ins Tal – und war nur Beifahrer. Ich riss mir dabei wohl etwas an. Denn als wir daraufhin im Leichtathletik-Training Froschhüpfen machen mussten, knackste es im einen Knie. Ich konnte nicht mehr laufen, musste ins Spital. Von da an wurde ich die Bänderverletzungen nicht mehr los. Ich gehe heute wieder schlitteln, aber nur noch am herzigen Hügeli bei uns in Dietikon. Wir haben ja sogar eine Seilbahn.

Mit welchem Sport haben Sie gar nicht erst angefangen, weil Sie ihn sich nicht zutrauen?

Jassen. Das Fiese ist, dass das wegen meiner kaputten Hand der einzige Sport wäre, den ich zurzeit ambitioniert ausüben könnte.

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