Freitag, Dezember 27

Von wegen in der Luxusbranche dreht sich alles um die Gen Z: Immer mehr Marken rücken auch ältere Models in den Fokus ihrer Bildwelt.

Dass man Teil einer älteren Generation ist, heisst noch lange nicht, dass man senil und gebrechlich ist – oder sich alt fühlt. So empfinden sich Schweizerinnen und Schweizer laut einem Bericht zum Thema Älterwerden in einem immer höheren Alter als «alt»: in den 1990er Jahren mit durchschnittlich 69, heute mit 80 Jahren.

Die Werbung hinkt dieser neuen Realität hinterher. Da ist das Bild von taufrischer Jugendlichkeit seit je Trumpf. Noch extremer ist es in der Modewelt, wo hauptsächlich Models im Teenageralter und knapp über zwanzig als Idealbilder herhalten.

Doch langsam scheint sich in der Modebranche etwas zu tun. Immer mehr gut gereifte Menschen werden für Werbekampagnen und Modeschauen gebucht. Auch die Titelseiten schmücken sie: Der 75-jährige Richard Gere etwa schaffte es kürzlich auf das Cover des «M»-Magazins der Zeitung «Le Monde».

Dass sich ältere Menschen in solchen Models wiedererkennen, ist auch Strategie. Angesichts der stagnierenden Entwicklungen und unsicheren Prognosen in der Luxusbranche ergibt es durchaus Sinn, sich vermehrt auch einer reiferen Kundschaft zu widmen – bekanntlich ist diese in ihrem Kaufverhalten auch einiges markentreuer.

Zwei Tage vor Whoopi Goldbergs 69. Geburtstag wurde bekannt, dass die amerikanische Schauspielerin und Talkshow-Moderatorin das neue Gesicht der Herbst/Winter-2024-Kampagne der Pariser Modemarke AMI ist. Die Serie von Schwarz-Weiss-Bildern wurde vom amerikanischen Fotografen Rahim Fortune in New York aufgenommen. Er porträtierte Goldberg auf überraschend zarte, sehr persönliche, fast schon intime Weise. Die 69-Jährige trägt etwa einen Nadelstreifenanzug, ein Hemd mit Schalkragen oder einen Wollmantel mit Fischgratmuster zu einer der dieses Jahr neu lancierten «75 001»-Sonnenbrillen des Labels.

Whoopi Goldberg in der Herbst/Winter-2024-Kampagne von AMI.

Ein weisshaariges, fröhlich wirkendes Paar eroberte dieses Jahr die Herzen aller Modefans: Sie sind die Protagonisten der Weihnachtskampagne von Burberry und sorgen damit für eine erfrischende Abwechslung. Bei dem Paar handelt es sich um Herschel und Lilly Stoller, ein Arzt und eine Ärztin aus Omaha im US-Gliedstaat Nebraska. Seit 2022 betreiben die beiden ein Instagram-Profil, auf dem sie sich von Kopf bis Fuss in Burberry, oft im ikonischen Burberry-Schottenkaro, präsentieren.

Herschel und Lilly Stoller zählen seit zwanzig Jahren zur Top-Kundschaft der britischen Luxusmarke. Als Dankeschön rückt Burberry nun die Stollers als Protagonisten in den Fokus der Weihnachtskampagne «Wrapped In Burberry» – eingepackt in Burberry.

Die Weihnachtskampagne von Burberry mit Herschel und Lilly Stoller.

Ein weiteres Beispiel dafür, wie eine Luxusmarke eine Top-Kundin wertschätzt: Anfang März, letzter Tag der Fashion Week Paris. In der Herbst/Winter-2024-Show von Miu Miu wurde der Look Nummer 29 nicht von einem der üblichen Models oder jungen It-Girls präsentiert, sondern von einer älteren Asiatin. Wie sich später herausstellte, handelte es sich bei dem Model um Dr. Qin Huilan, eine 70-jährige Ärztin aus der chinesischen Region Guangxi.

Huilan ist noch nicht lange in der Modewelt unterwegs: Nach ihrer Pensionierung begann sie mit neuen Modelooks zu experimentieren. Sie lieh sich dabei gerne die eine oder andere Prada-Jacke aus dem Kleiderschrank ihres Sohnes, eines Kunststudenten, aus und liess sich von seinen Modemagazinen inspirieren. Ihre Lieblingsoutfits postete Huilan auf Instagram, wo sich mittlerweile 17 000 Follower angesammelt haben.

Ihre Bild sind fröhlich und inspirierend. Die 70-Jährige hat eine Vorliebe für eklektische Looks, insbesondere von Marken wie Miu Miu und Prada, aber auch von Maison Margiela, Celine und Marni. Seit dem Auftritt während der Fashion Week hat sich die Anzahl ihrer Instagram-Follower übrigens bereits mehr als verdreifacht: Rund 52 500 sind es mittlerweile.

Marken wie Mercedes-Benz, Mytheresa, Loro Piana oder Jimmy Choo haben für ihre Social-Media-Kampagnen schon mit «Sciura Glam» zusammengespannt, dem Instagram-Profil mit 350 000 Followern, bei dem sich alles um den Glamour der sogenannten «Sciuras» dreht.

Als «Sciura» bezeichnet man in Mailand etwas salopp eine ältere Dame aus dem Stadtzentrum, in betont edel-eleganter Kleidung und einer leicht achtlosen Attitüde.

Bei den «Sciuras», die auf den Bildern vorkommen, handelt es sich um anonyme Damen, die mal ausgesucht, mal zufällig auf den Bildern landen, sich aufgebrezelt in der Stadt bewegen und sich keinen Deut um ihre Ausstrahlung zu scheren scheinen.

Die Herbst/Winter-2024-Show von Balmain fiel durch ein besonders diverses Casting in Bezug auf das Alter der Models auf. Es zeigte sich einmal mehr, dass gute Mode in jedem Alter toll aussehen kann.

Die Show eröffnete ein grauhaariges Model elegantes Schrittes, ihm folgten viele weitere grauhaarige Schönheiten, unter ihnen auch die Pariserin und Muse des Modekurators Olivier Saillard, Axelle Doué. Sie war auch schon auf dem Cover des Magazins «Z» zu sehen.

Die Modenschau von Balmain für Herbst/Winter 2024/25 wurde von vielen eleganten grauhaarigen Frauen präsentiert.

Auch Saint Laurent rückt eine ältere Schönheit ins Rampenlicht. Für seine Herbst/Winter-2024-Kampagne buchte der Kreativchef Anthony Vaccarello die Schauspielerin Charlotte Rampling (78).

Der Fotograf Juergen Teller inszeniert die Britin im mondänen Pariser Saint-Laurent-Chic. Charlotte Rampling sieht auf den Bildern elegant, erotisch und souverän aus.

Die 78-Jährige ist keine Unbekannte in der Modewelt. Sie wird immer wieder mal von einer Marke für eine Kampagne oder eine Show angefragt. Im Januar 2023 lief sie etwa für AMI über den Laufsteg.

Balenciaga scheint sie alle in der Tasche zu haben: Die wichtigsten Berühmtheiten, die derzeit grosse Strahlkraft haben, kann die Luxusmarke als Markenbotschafterinnen verpflichten. Neben Kim Kardashian (44) und Nicole Kidman (57) sind auch Michelle Yeoh (62) und Isabelle Huppert (71) Teil des Balenciaga-Universums. So wirken etwa beide in der Kampagne für die «Bel Air»-Tasche mit und tragen bei öffentlichen Auftritten Kreationen der Maison.

Um einige ihrer Klassikermodelle zu bewerben, lancierte die Schuhmarke Clarks im Herbst eine Kampagne mit Bildern von japanischen Seniorinnen und Senioren in den Hinterhöfen des Tokioter Stadtviertels Harajuku.

«Ikonisch. Damals, heute und immer» ist der Slogan der Kampagne in Anlehnung an die Urahara-Szene, die hier in den 1990er Jahren entstand. Bekannt für ihre spezielle Kombination aus Streetwear und High Fashion, erlangten die Clarks-Modelle Wallabee, Desert Boot und Desert Trek in dieser Subkultur Kultstatus.

Mit den älteren Models sollen Werte wie Authentizität und Zeitlosigkeit unterstrichen werden. Das ist gelungen: Die Kampagnenbilder sind besonders liebenswert ausgefallen und zeigen, wie vielseitig die Schuhe sind und wie sie von verschiedenen Generationen getragen und kombiniert werden können.

Japanische Seniorinnen und Senioren in der Herbstkampagne von Clarks Originals.

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