Mittwoch, Oktober 9

Der Einsatz von unbemannten Fluggeräten hat die Kriegsführung in der Ukraine grundlegend verändert. Ein Streifzug im Land der Drohnen zeigt, wie wichtig sie sind – und wo ihre Schwächen liegen.

Nur noch wenige Minuten bis zum Ziel. Unter der Drohne gleitet eine karge, von Kratern übersäte Landschaft dahin, irgendwo an der ukrainischen Ostfront. Konzentriert starren der Drohnenpilot Dom und sein Kommandant Sitsch auf das Videobild, während Dom sachte die Hebel der Fernsteuerung bedient. Die Wärmebildkamera lässt alles in Graustufen erscheinen: Dunkelgrau ist kalt, Hellgrau ist warm.

Es ist 21 Uhr an einem sternenklaren Abend im März. Kurz zuvor hat eine ukrainische Überwachungsdrohne zwei russische Soldaten entdeckt, die sich in einem knietiefen Erdloch verstecken. Nun ist Doms Drohne unterwegs, um sie zu töten. Sie trägt zwei Granaten mit sich, die je 2400 Schrapnell-Stücke freisetzen können – mit potenziell tödlichen Folgen für jedes Lebewesen im Umkreis von 25 Metern.

Gesteuert wird sie aus einem in die Erde gegrabenen Bunker, dessen Position geheim bleiben muss. In dem kleinen, stickigen Raum riecht es modrig, alte Munitionskisten dienen als Sitzgelegenheiten. Heute ist es hier drin noch enger als sonst, weil sich neben den Soldaten auch noch die Journalisten aus der Schweiz und ihr ukrainischer Übersetzer hineinzwängen.

Dann erscheinen auf dem Bildschirm des Kommandanten zwei helle Punkte, 40 Meter unter der Drohne. Die russischen Soldaten heben sich durch ihre Körperwärme deutlich vom Untergrund ab. «Sie können die Drohne hören», sagt Dom. «Sie wissen, was jetzt kommt.»

Sitsch, der Kommandant der Drohneneinheit, koordiniert den Einsatz per Handy (oben). Das Videobild der Drohne verfolgt er auf einem Tablet (unten links). Derweil bedient der Pilot Dom, der sein Gesicht nicht zeigen will, die Fernsteuerung (unten rechts).

Als sich die erste Granate von der Drohne löst und in die Tiefe fällt, entfährt dem Piloten ein Fluch. Er sieht sofort, dass er nicht treffen wird. Tatsächlich schlägt die Granate mehrere Meter neben ihrem Ziel ein und geht in einem weissen Feuerball auf. Die beiden Soldaten in ihrem Erdloch bleiben unversehrt. Dom richtet seine Drohne neu aus und lässt per Knopfdruck die zweite Granate fallen. Sie fliegt geradewegs auf die beiden Russen zu. «Wunderbar», sagt er. Und dann – nichts. Ein Blindgänger.

«Vielleicht haben sie gebetet», sagt Dom trocken. «Und Gott hat sie erhört und gesagt: ‹Ich gebe euch noch eine Chance, nach Hause zu gehen.›»

«Baba Jaga», die böse Hexe

In den vergangenen zwei Jahren hat sich in der Ukraine Erstaunliches ereignet. Wurde der Krieg in den ersten Monaten vor allem mit Sturmgewehren, Panzern und Artillerie ausgefochten, tauchte bald eine neuartige Waffe auf, mit der kaum jemand gerechnet hatte: Drohnen. Heute schwirren über der Front zahllose Variationen der unbemannten Fluggeräte. Sie können töten und zerstören, überwachen und aufklären.

Das Resultat: ein gläsernes Gefechtsfeld, auf dem es selbst in Schützengräben kein Verstecken mehr gibt; eine bizarre Mischung aus Erstem Weltkrieg und futuristischer Kriegsführung. Wie funktioniert der Kampf im ersten echten Drohnenkrieg der Geschichte?

Wenige Stunden zuvor: Dom, sein Kommandant Sitsch und der Sprengstoffspezialist Schurik machen sich bereit für ihre Nachtschicht. Sie gehören zum Achilles-Bataillon der 92. Sturmbrigade, das sich wie kaum eine andere Einheit auf den Drohnenkrieg spezialisiert hat. Die jungen Soldaten hieven zwei grosse Holzkisten auf die Ladefläche eines Lastwagens. Darin befinden sich ukrainische Vampire-Drohnen, einen Meter hoch, ausgestattet mit sechs Rotoren und einer Wärmebildkamera, Nutzlast bis zu 15 Kilogramm. Einst für landwirtschaftliche Zwecke entwickelt, sind sie nun an der Front im Einsatz.

Die Vampire-Drohnen sind gross und laut – deshalb kommen sie nur bei Nacht zum Einsatz. Doch keine andere Drohne kann so schwere Sprengsätze abwerfen wie sie. Bei den Russen ist sie entsprechend gefürchtet und verhasst. Sie haben ihr den Übernamen «Baba Jaga» gegeben, nach einer bösen Hexe aus der slawischen Folklore. Die russischen Truppen haben keine Vampire. Aber auch sie verfügen inzwischen über Drohnen, die in der Nacht sehen und angreifen können. Der Gruppenchef Sitsch warnt deshalb vor der Abfahrt: «Wenn ihr eine Drohne hört, die nicht unsere ist, geht in Deckung.»

Der Drohnenkrieg funktioniert digital

Im Licht der Dämmerung dröhnt der Lastwagen über holprige Feldwege in Richtung Front. Es ist zu laut, um miteinander zu sprechen, also sitzen die Soldaten stumm da und rauchen. Schliesslich erreicht der Camion die Position der Einheit: eine kleine Böschung, in die ein Bunker eingegraben wurde. Das Dach besteht aus übereinandergeschichteten Baumstämmen, die vor Artilleriegranaten schützen sollen. Sofort machen sich die Soldaten an die Arbeit: Schurik holt die Drohne aus der Kiste, Dom schliesst die Fernbedienung an die Antenne an, und Sitsch aktiviert das Starlink-Terminal, dank dem sie auch an der Front über Internet verfügen. Dann breitet er vor sich drei Tablets aus.

Während der Fahrt an die Front sitzt der Sprengstoffspezialist Schurik stumm da (oben). Sobald die drei Soldaten bei ihrer Position angelangt sind, bereiten sie die Vampire-Drohne auf den Einsatz vor. Mit dem roten Licht der Stirnlampe sind sie für feindliche Drohnen weniger leicht erkennbar.

Der Drohnenkrieg funktioniert digital: Der erste Bildschirm zeigt das Videobild der Vampire-Drohne, der zweite ihre Position auf der Karte. Auf dem dritten läuft eine Videokonferenz via Google Meet, wo die Live-Bilder von Dutzenden Überwachungsdrohnen übertragen werden. So sehen sie alles, was an diesem Frontabschnitt vor sich geht. Nun fehlt ihnen nur noch ein Ziel. Es dauert nicht lange, bis Sitschs Handy surrt. Per Whatsapp hat der Einsatzleiter jene Koordinaten übermittelt, an denen sich die russischen Soldaten in einem Erdloch verstecken.

WLAN, Tablets, eine Fernsteuerung – man könnte meinen, das alles sei ein Computerspiel. Dom entgegnet: «Es wirkt immer noch echt. Wir drei waren vorher bei der Infanterie. Wir wissen, wie es da draussen ist.» Seit drei Monaten kämpfen sie im Achilles-Bataillon. Eigentlich müssten sie zu viert sein, doch Soldaten sind derzeit Mangelware. Beklagen wollen sie sich aber nicht: «Hier ist es deutlich besser als draussen», sagt Sitsch. Um dies zu bekräftigen, zeigt er auf seinem Handy ein Bild von einer klaffenden Wunde in seiner Schulter. «Das war eine Artilleriegranate.»

Die Macht der FPV-Drohnen

In einem unscheinbaren Wohnhaus in Kostjantiniwka, 15 Kilometer von der Front entfernt, befindet sich das Hauptquartier des Achilles-Bataillons. Wo einst wohl das Wohnzimmer war, steht nun eine Wand aus vier grossen Bildschirmen. Hier laufen die Aufnahmen aller Überwachungsdrohnen zusammen. Ein schweigsamer Soldat namens Ihor schaut sich systematisch eine Kachel nach der anderen an, immer im Uhrzeigersinn. Die Live-Übertragung bietet ein furchtbares Spektakel: tote Russen auf offenem Feld, lebende Russen in vermüllten Schützengräben, ausgebrannte Panzer, zerstörte Dörfer.

Im Hauptquartier des Achilles-Bataillons laufen die Aufnahmen der Überwachungsdrohnen auf vier grossen Bildschirmen zusammen (oben). Juri Fedorenko, Kampfname Achilles, kommandiert die Einheit (unten links). Mit dem Einsatz von Drohnen hat sich die Kriegsführung digitalisiert – Tablets und Laptops sind an der Front unentbehrlich geworden (unten rechts).

Dann betritt jener Mann den Raum, der diesem Bataillon seinen Namen gegeben hat: Juri Fedorenko, Kampfname Achilles, ein Hüne mit goldenem Ohrring und perfekt sitzender Frisur. Es heisst, er sei einer der Ersten gewesen, die den Nutzen von handelsüblichen Drohnen im Krieg erkannt haben. Auf jeden Fall ist er ein Mann mit Ambitionen: Fedorenko sitzt im Stadtrat von Kiew, doch er hat die Aura eines Mannes, der nach höheren politischen Weihen strebt.

«Drohnen haben das Schlachtfeld und den Kampf grundlegend verändert», sagt er. Ohne die sogenannten FPV-Drohnen gehe nichts mehr. Es sind kleine, wendige und hochpräzise Kamikaze-Drohnen, die sich mit einer zwei bis fünf Kilo schweren Sprengladung in ihr Ziel stürzen. Sein Bataillon verbrauche 50 bis 70 Stück pro Tag, 30 weitere in der Nacht, erklärt Fedorenko. «Dank den FPV-Drohnen können wir Vorstösse stoppen, bevor sie überhaupt begonnen haben. Gepanzerte Fahrzeuge haben ihre Wirksamkeit eingebüsst.»

Gerade im Zusammenspiel mit der Artillerie seien die FPV-Drohnen besonders effektiv, sagt Fedorenko und nennt ein Beispiel: «Eine erste FPV-Drohne trifft einen Schützenpanzer und stoppt ihn. Die Besatzung flieht aus dem Fahrzeug und wird mit Artillerie beschossen. Dann fliegt eine zweite FPV-Drohne durch die geöffnete Luke und zerstört den Panzer.» Innert kürzester Zeit sind die Drohnen zu einem festen Bestandteil der Kriegsführung einer Armee geworden, die vor kurzem noch nach sowjetischer Doktrin kämpfte.

Ein Auge am Himmel für die Artillerie

Doch nicht nur auf den Drohnenkrieg spezialisierte Einheiten wie das Achilles-Bataillon haben die unbemannten Fluggeräte längst in ihre Abläufe integriert. Heute verfügt praktisch jede ukrainische Kompanie über eigene Drohnenspezialisten. Es sind Leute wie der 33-jährige Nasar, der sich gemeinsam mit drei weiteren Soldaten der 15. Artillerie-Aufklärungsbrigade an einem eiskalten, wolkenverhangenen Märzmorgen auf den Weg «zur Arbeit» macht.

Es ist eine fröhliche Truppe, was vielleicht auch damit zu tun hat, dass sie nicht allzu nahe an die Front fahren müssen. Ihren schwarzen VW-Bus parkieren sie auf einem Hügel nahe der Ortschaft Liman unter einem Tarnnetz. Helm und Schutzweste ziehen sie nur an, damit auf den Fotos kein schlechter Eindruck entsteht. Weil ihre Drohne weit fliegen kann, sind auch die Gefahren des Krieges relativ weit weg. Sie soll auch nicht töten, sondern Informationen beschaffen.

Der Einheitskommandant Nasar präsentiert die Überwachungsdrohne (oben). Wenn sie nicht im Einsatz ist, wird sie unter einem Tarnnetz versteckt (Mitte links). Kritisch beäugen die Soldaten die Wolken, die an diesem Märzmorgen tief hängen (Mitte rechts). Auch ihren VW-Bus haben sie getarnt, um selbst nicht von russischen Drohnen entdeckt zu werden (unten).

Es ist eine dänische Astero-Drohne, die mit einer Flügelspanne von mehr als zwei Metern stundenlang in der Luft bleiben kann. Mit einer leistungsstarken Kamera soll sie aus einer Höhe von über tausend Metern feindliche Stellungen, Fahrzeuge oder Truppen ausfindig machen und deren Koordinaten an die Artillerie übermitteln. Während die Haubitzen schiessen, kreist sie weiter über dem Ziel. Dank den Live-Bildern der Drohne wissen die Kanoniere, ob sie das Feuer korrigieren müssen. Die Kommunikation läuft auch hier ausschliesslich via Whatsapp und Videokonferenz.

In der Theorie funktioniert das bestens. Doch die Bedingungen sind schwieriger geworden. «Unsere Drohnen überleben weniger lange als noch vor einem Jahr. Die Russen haben ihre Abwehr massiv verbessert», sagt Nasar. «Ihre wichtigen Waffensysteme umgeben sie mit Flugabwehr und Störsendern.» Eine ihrer Drohnen sei nur drei Wochen im Einsatz gewesen, eine andere immerhin drei Monate. Abschüsse gehören zum Alltag.

An diesem Tag plagt Nasar aber noch ein anderes Problem: «Die Wolken sind auf 300 Metern. Das ist zu tief.» Wenn die Drohne auf 250 Metern fliege, könne sie sogar ein guter Gewehrschütze vom Himmel holen. Dennoch harren sie weiterhin in der Kälte aus: «Die Entscheidung liegt beim Kommando. Wenn ein Ziel wichtig genug ist, fliegen wir trotzdem.» Also heisst es: warten. Die Soldaten vertreiben sich die Zeit, indem sie Kaffee kochen oder Youtube-Videos schauen. Nach einigen Stunden kommt der Befehl zum Abbruch. Unverrichteter Dinge fahren die Soldaten nach Hause.

China liefert direkt an Russland

So wichtig die Drohnen sind – eine Wunderwaffe sind sie nicht. Bei schlechtem Wetter oder starkem Wind können sie nicht fliegen, bei Nebel sehen sie nichts. Dazu kommen technische Probleme und die russischen Störsender. Selbst Juri Fedorenko, der Kommandant des Achilles-Bataillons, gibt zu: «Wenn 50 Prozent unserer Drohnen ihr Ziel erreichen, ist das ein gutes Resultat.» Aus diesem Grund sei es wichtig, der Ukraine das zu liefern, worum sie bitte: «Unsere Partner denken: ‹Wenn wir Drohnen liefern, ist alles okay.› Aber es wird in den nächsten fünfzig Jahren keine Alternative zur Artillerie geben.»

Gleichzeitig müsse Europa dringend in die Weiterentwicklung der Drohnen investieren. «Wir müssen den Anforderungen der Zeit entsprechen. Es braucht Alternativen für jeden Aspekt dieser neuartigen Kriegsführung.» Fedorenko verweist damit vor allem auf ein Problem, das immer grösser wird: die Vormachtstellung Chinas bei der Produktion von Drohnen, die primär den Russen in die Hände spielt.

Fedorenko verweist auf die «verdammten» Mavic-Drohnen des chinesischen Herstellers DJI, erhältlich in jedem Elektronikfachmarkt. Nach wie vor gebe es keine andere Drohne, die das Gefechtsfeld so verlässlich überwachen könne. «Die Russen haben inzwischen fünf Mal mehr Mavics als wir, weil sie sie direkt aus China bekommen. Wir müssen sie aus der ganzen Welt zusammenkaufen.» Ganz allgemein sei der Drohnenkrieg schwieriger geworden, sagt Fedorenko. «Die Drohnen, die wir vor einem Jahr hatten, könnten heute gar nicht mehr fliegen. Die russischen Störsender sind so weit fortgeschritten, dass auch wir zur Modernisierung gezwungen sind.»

Die Werkstatt der Drohnentüftler

Zuständig für die Modernisierung der Drohnen des Achilles-Bataillons ist Danilo, ein kleiner Soldat mit Bürstenschnitt. Er empfängt im Erdgeschoss eines Plattenbaus in Kramatorsk, wo er die Abteilung für FPV-Drohnen leitet. In verschiedenen Räumen stapeln sich Hunderte von Drohnen und Batterien, die hier auf den Einsatz an der Front vorbereitet werden. «Um 70 Drohnen zur Verfügung zu stellen, müssen wir 100 verarbeiten. Die Anzahl von fehlerhaften Geräten ist ziemlich hoch», erklärt Danilo.

In einer Werkstatt in Kramatorsk werden FPV-Drohnen auf ihren Einsatz vorbereitet.

Dann führt er in die Werkstatt, das Herzstück der Abteilung. Das Treiben in dem Raum erinnert an ein Robotik-Startup. An verschiedenen Tischen wird programmiert, gelötet oder geschraubt. In einer Ecke produziert ein 3-D-Drucker Halterungen für die Granaten, die an den Drohnen befestigt werden. Zwei Männer sind damit beschäftigt, die Standardkamera einer Drohne durch eine Wärmebildkamera zu ersetzen. Zwar sind alle Mitarbeiter Soldaten, doch die meisten tragen zivile Kleidung. «Damit niemand merkt, dass die Werkstatt hier ist», sagt Danilo.

In diesem Raum dreht sich alles um Frequenzen. Bei jeder einzelnen FPV-Drohne muss die Firmware ersetzt werden, damit sie verschiedene Frequenzen empfangen kann. Einerseits können so mehrere Drohnen gleichzeitig in die Luft steigen. Andererseits sollen dadurch die russischen Störsender umgangen werden. «Die Entwicklung von Waffen und Gegenwaffen ist ein ewiges Hin und Her», sagt Danilo. «In einigen Monaten werden unsere Drohnen wieder ganz anders funktionieren.»

Woran in der Werkstatt sonst noch getüftelt wird, will der 31-jährige Softwareentwickler, der bis vor einigen Monaten selbst noch Drohnenpilot war, nicht genau sagen. «Wir verbessern die Reichweite, die Fähigkeiten und die elektronische Abwehr der Drohnen», erklärt er. «Die Regierung will Resultate, wir finden Lösungen.» Bekannt ist, dass mittlerweile sogenannte Mutterschiff-Drohnen entwickelt werden, die kleinere Drohnen mit sich tragen und deren Einsatzdistanz erhöhen können.

Gleichzeitig werde die Beschaffung der FPV-Drohnen und ihrer Komponenten immer schwieriger, gesteht Danilo ein. «Im Moment produzieren nur die Chinesen. Und weil die Russen Geld haben, kaufen sie alles auf. In manchen Fabriken haben sie die Produktionskapazitäten für ein ganzes Jahr ausgebucht.» Russland droht im Drohnenkrieg die Oberhand zu gewinnen.

«Schau, sie fliehen!»

All dies spielt für Dom, Schurik und Sitsch an der Front keine Rolle – für sie zählen nur die Resultate. Inzwischen haben sie ein neues Ziel: russische Infanteristen, die sich in einem Abwasserrohr unter einer Strasse verstecken. Im roten Licht der Taschenlampe geht Schurik nach draussen und läuft zu einem zweiten Bunker, wo sich Dutzende Granaten und Sprengköpfe stapeln. Diesmal entscheidet er sich für eine schwere Panzerabwehrmine, die mit einer Zündschnur präpariert wurde, und befestigt sie an der Drohne. «Bereit», meldet er via Funk, und sogleich steigt das Gerät mit einem lauten Brummen in den Nachthimmel.

Aus Sicherheitsgründen werden die Sprengsätze, darunter präparierte Panzerabwehrminen, in einem separaten Bunker gelagert (oben). Diese haben eine grössere Sprengkraft, wie auf dem Bildschirm zu sehen ist (Mitte links). Nach dem Einsatz kehrt die Vampire-Drohne zur Ausgangsposition zurück (Mitte rechts). Schurik ist dafür verantwortlich, sie wieder mit Sprengsätzen zu beladen (unten).

Zwölf solcher Flüge werden die drei in dieser Nacht absolvieren, bis die Batterien leer sind. Gibt es gerade keine Soldaten oder Panzer zu bekämpfen, werfen sie reguläre Minen auf die Nachschublinien der Russen ab. «Manchmal machen wir auch Versorgungsflüge mit Munition und Lebensmitteln für unsere Jungs in den Schützengräben», sagt Sitsch. «Wir nennen das humanitäre Hilfe.»

Inzwischen ist die Vampire-Drohne bei ihrem Ziel angekommen. Das grosse Betonrohr, in dem sich offenbar russische Soldaten befinden, ist gut erkennbar. Dom positioniert die Drohne über dessen Eingang und wirft die Mine ab. Als sie aufschlägt, kullert sie noch einige Meter vom Rohr weg und bleibt dann liegen. 30 Sekunden lang brennt die Zündschnur, dann explodiert der Sprengsatz. Ob er etwas bewirkt hat, können die drei Soldaten nicht erkennen. Dom leitet wortlos den Rückflug ein.

Dann zeigt Sitsch plötzlich auf das Tablet mit den Live-Bildern der Überwachungsdrohnen. «Schau, sie fliehen!» Tatsächlich lassen sich auf einer der Aufnahmen mehrere Soldaten erkennen, die über einen Acker das Weite suchen. Dieser Vorstoss ist fürs Erste abgewehrt – doch der nächste kommt bestimmt.

Mitarbeit: Kostjantin Karnosa

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