Montag, November 25

Die japanische Zentralbank dürfte weitere Erschütterungen aus Fernost verhindern, japanische Aktien sind attraktiv. Markttechnisch stehen die Zeichen global auf Erholung. Wegen der US-Rezessionsgefahr und der hohen Bewertung steigt das Risiko einer verlorenen Dekade am US-Markt.

Das jüngste Börsenbeben war von Japan ausgegangen. Eine besondere Rolle spielten die Yen-Carry-Trades. Selbst wenn die Hälfte der spekulativen Yen-Kreditpositionen aufgelöst sein sollte, könnte es zu einer neuen Finanzmarkterschütterung kommen, wenn die restlichen Yen-Beträge zurückgekauft beziehungsweise die mit diesen Krediten erworbenen Wertpapiere verkauft würden.

Aus Angst vor solchen globalen Finanzbeben hat die japanische Zentralbank zuletzt betont, dass sie auf keinen Fall für neue Unruhe an den Finanzmärkten Anlass geben wolle, sondern sogar bereitstünde, mit grösseren Yen-Anleihekäufen die Märkte zu beruhigen beziehungsweise die Liquidität für Japan und damit auch international zu erhöhen. Da ein allzu schneller Yen-Anstieg auch eine zu grosse Belastung für die japanische Exportindustrie darstellen würde, kann man damit rechnen, dass die japanische Zentralbank ihre Instrumente in nächster Zeit zur Stabilisierung der Märkte einsetzen wird und neue Unruhe durch weitere Carry-Trade-Auflösungen verhindern dürfte. Damit kann man aus dieser Sicht davon ausgehen, dass vorerst wieder grünes Licht an den Aktienmärkten, aber auch an den Anleihemärkten herrschen dürfte.

Dazu kommt, dass das kleine Finanzbeben durchaus für eine scharfe Bereinigung an den Finanzmärkten gesorgt hat und somit aus markttechnischer Sicht positiv zu bewerten ist. Am besten wird dies deutlich durch den Anstieg der Aktienvolatilität in den USA (Vix). Der Anstieg war so stark wie seit März 2020 nicht, also einem Zeitpunkt, als die Finanzmärkte von der Corona-Panik ergriffen worden waren. Auch andere Indikatoren machen deutlich, dass kurzfristig aus markttechnischer Sicht die Börsenampeln auf Grün stehen.

Japan ist wieder ein Kauf

Besonders stark war die markttechnische Bereinigung am japanischen Aktienmarkt, entsprechend positiv dürfte auch die markttechnische Situation dort sein, während in Europa und in den USA der Optimismus zwar zurückging, aber weniger Angst herrschte als in Japan. Die globalen Fondsmanager führten ihre Übergewichtung in japanischen Aktien von 8% (was im historischen Vergleich ohnehin nicht extrem war) um 17 Prozentpunkte auf ein Untergewicht von 9% zurück, was dem stärksten monatlichen Rückgang seit April 2016 entspricht. Damit kann besonders der japanische Aktienmarkt als stark bereinigt gelten (USA und Europa weniger).

Billig sind japanische Aktien durch den Indexrückgang auch aus analytischer Sicht geworden. Das durchschnittliche Kurs/Gewinn-Verhältnis (KGV) fiel von über 16 auf zwölf im Tief (also um rund 25%) zurück. Nicht nur die Positionierung in japanischen Aktien (gesunken auf Untergewichtung), sondern auch die analytische Verbilligung aus dem KGV-Blickwinkel geben somit ein Kaufsignal.

Konjunkturentwicklung entscheidet, nicht die Zinssenkungen

International sollten sich die Aktienmärkte ebenfalls weiter erholen können, auch wenn die markttechnische Bereinigung im Vergleich zu Japan relativ gering war. Positiv für die globalen Märkte sind die international rückläufigen Zinsen (zum Beispiel zuletzt in Schweden) und die Aussicht auf US-Leitzinssenkungen (ebenso bei der EZB) im September. Die grosse Frage wird allerdings sein, wie sich die Aktienmärkte nach den von den Märkten ersehnten Zinssenkungen entwickeln. Bekanntlich sind die Aktienkurse in der Vergangenheit nach Zinssenkungen nur dann gestiegen, wenn sich Konjunktur und Gewinne positiv entwickelt hatten.

Die Leitzinssenkung in den USA ist überfällig. Die US-Inflationsrate (CPI) stieg in den letzten drei Monaten annualisiert nur um 0,4%. Die Kernrate lag in den vergangenen drei Monaten annualisiert bei 1,6%. Dadurch kann man davon ausgehen, dass der natürliche Zins (jener Zins, bei dem keine bremsende oder stimulierende Wirkung auf die Volkswirtschaft ausgeht) damit kaum über 2% liegen dürfte. Aus dieser Sicht ist es verständlich, dass die Terminmärkte eine Zinssenkung in vier Wochen mit 100% Wahrscheinlichkeit einpreisen. Die noch bei 5,2% liegenden kurzfristigen Zinsen werden also in nächster Zeit in jedem Falle zurückgehen.

Eine US-Präsidentin Harris brächte hohe neue Staatsschulden

Am kommenden Freitag beginnt das jährliche globale Treffen der Zentralbankvorsitzenden in Jackson Hole. Hier wird die Rede von Federal-Reserve-Präsident Jerome Powell mit Spannung erwartet. Oft haben US-Notenbankpräsidenten auf dieser Sitzung entscheidende Beschlüsse mit wichtigen neuen Fed-Strategien bekanntgegeben. Diesmal dürfte Powell die für den 18.9. erwarteten Zinssenkungen konkretisieren, was den Aktienmärkten noch einmal Unterstützung geben sollte.

Berücksichtigt man, dass die US-Notenbank die Zinsen nicht nur zu spät angehoben hat, sondern auch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit jetzt zu spät senkt, sollte die Zinssenkung eigentlich überdurchschnittlich hoch (0,5 statt 0,25%) ausfallen. Die Frage ist, ob die Zinsmassnahme zu einer grösseren Dollar-Schwäche und zu einer entsprechend stärkeren Yen-Notiz führen wird. Ein härterer Yen könnte dann erneut die Carry-Trade-Probleme mit sich bringen. Der 18.9. dürfte also in jedem Fall ein wichtiger Termin für die Weltbörsen werden.

In den USA hängt die zukünftige Aktienentwicklung auch anders als im nicht vor politischen Richtungsentscheidungen stehenden Japan von der künftigen US-Politik ab. Eine Präsidentin Harris (die zuletzt in Umfragen leicht führte) würde gegenüber Biden ein deutlicher Schwenk politisch nach links bedeuten. Harris stellte zahlreiche populistische Massnahmen wie Vergünstigungen für untere Einkommensschichten in Aussicht, während sie Steuererhöhungen für Unternehmen und reichere Privatpersonen ankündigte. Die Vergünstigungen für ärmere Amerikaner werden den US-Staat in der nächsten Dekade mehr als 1,2 Bio. $ kosten, was angesichts der ohnehin hohen US-Neuverschuldungsquote von über 6% des Bruttoinlandsprodukts (einmalig für Nicht-Kriegs- und Nicht- Rezessionszeiten) Bedenken hinsichtlich der US-Finanzstabilität mit sich bringen könnte.

Unabhängig von der Politik wird die Entwicklung der US-Konjunktur entscheidend sein. Die Rückschlagsgefahr ist beträchtlich: Das Kurs-Gewinn-Verhältnis auf Basis des geschätzten Gewinns beträgt 23. Auf Basis der durchschnittlichen Gewinne der vergangenen zehn Jahre (Shiller-KGV oder «Cyclically Adjusted Price Earnings Ratio») beträgt es 33 und liegt damit sogar höher als im Jahr des grossen Börsencrashs von 1929.

Die gefährlich hohe Bewertung und die Konzentration am Aktienmarkt erinnern an das Jahr 2000. Man denke zurück: Zwischen März 2000 und März 2009 gab es eine verloren Dekade am US-Aktienmarkt. Immerhin konnte man mit guter Aktiensteuerung noch befriedigend abschneiden. Tech-Aktien und der S&P 500 schnitten damals schlecht ab, Energie-, Rohstoff- und Entwicklungsländeraktien sowie kleine Aktien schnitten damals dagegen gut ab. Energieaktien stiegen in diesem Zeitraum um 9,4% pro Jahr, Emerging Markets um 10% pro Jahr und der S&P-Small-Cap-Index um 6,6% pro Jahr.

Dieser Artikel ist ein Auszug aus der «Finanzwoche», dem seit 1974 erscheinenden Investmentbulletin von Jens Ehrhardt.

Jens Ehrhardt

Jens Ehrhardt ist Gründer, Hauptaktionär und Vorstandsvorsitzender von DJE Kapital. Nach fünfjähriger Partnerschaft in der seinerzeit grössten deutschen Wertpapier-Vermögensverwaltungs-Gesellschaft promovierte er 1974 über «Kursbestimmungsfaktoren am Aktienmarkt». Im selben Jahr legte er den Grundstein für den Aufbau seiner Firmengruppe, die er von Beginn an leitet. Ehrhardt verantwortet neben seiner Rolle als Vorstandsvorsitzender noch die Bereiche Risikomanagement und Unternehmens-/Anlagestrategie.

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