Dienstag, November 11

Fünf Tage verbrachte der amerikanische Präsident in Frankreich und betonte dort sein Engagement für ein sicheres und friedliches Europa. Zu Hause droht ihm momentan jedoch eine Niederlage.

Franzosen und Amerikaner sind beide nicht für ihre Zurückhaltung bei offiziellen Anlässen bekannt. Entsprechend pompös war der Empfang, der dem amerikanischen Präsidenten Joe Biden bei seinem Staatsbesuch in Paris bereitet wurde. Emmanuel und Brigitte Macron begrüssten Biden und seine Frau Jill am Samstagmittag unter dem Arc de Triomphe, wo die beiden Präsidenten einen Kranz am Grab des unbekannten Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg ablegten. Im Anschluss fuhren sie begleitet von 140 Reitern die mit Flaggen geschmückten Champs-Élysées hinunter zum Élysée-Palast.

An zahlreichen Stellen in Paris kam es wegen des Besuchs des amerikanischen Präsidenten zu Staus, mehrere U-Bahn-Stationen blieben gesperrt. In Frankreich ist Joe Biden allerdings schon seit Mittwoch. Am Donnerstag nahm er in der Normandie an den Feierlichkeiten zum 80. Jahrestag des D-Days teil, am Freitag traf er in Paris den ukrainischen Präsidenten Selenski. Es war der längste Frankreich-Besuch eines amerikanischen Präsidenten seit Jahrzehnten und Bidens einzige Auslandsreise während des Wahlkampfes für die Präsidentschaftswahlen im November.

Zusätzliche Unterstützung für die Ukraine

Sowohl Biden als auch Macron nutzten die symbolhaften Tage rund um den D-Day am 6. Juni, um sich als Wahrer von Sicherheit und Frieden in Europa zu inszenieren und ihre Unterstützung für die Ukraine zu unterstreichen. In einer gemeinsamen Pressekonferenz am Samstagnachmittag sprach Macron den ukrainischen Männern und Frauen seinen Respekt aus, die «mit unvergleichlichem Mut kämpfen». Er und Biden seien beide fest entschlossen, die internationale Ordnung wiederherzustellen und das Land bei seinem Freiheitskampf zu unterstützen.

Macron präsentiert sich neuerdings als engagiertester europäischer Verbündeter der Ukraine, nachdem er lange für seine Zögerlichkeit und dürftigen Hilfeleistungen kritisiert worden war. Am Donnerstag kündigte er an, der Ukraine Kampfjets des Typs Mirage 2000-5 liefern zu wollen. Zudem will er in Frankreich rund 4500 ukrainische Soldaten ausbilden lassen.

Da wollte Joe Biden offenbar nicht zurückstehen, zumal sein Land viel mehr für die Ukraine leistet als die Europäer. Am Freitag entschuldigte sich Biden bei Selenski dafür, dass die Hilfe über 61 Milliarden Dollar so lange im amerikanischen Kongress stecken geblieben war und versprach zusätzliche Unterstützung im Wert von 225 Millionen Dollar. «Ihr seid das Bollwerk gegen den Aggressor. Wir sind mit euch, voll und ganz.»

Bei Macrons jüngster Idee wollen die USA aber nicht mitmachen: Am Freitagabend sagte der französische Präsident nach einem Gespräch mit Selenski, man wolle die kommenden Tage nutzen, um eine Koalition von Ländern aufzustellen, die Ausbilder in die Ukraine entsenden. John Kirby, der Sprecher des amerikanischen Sicherheitsrates, erklärte daraufhin, der US-Präsident respektiere Macrons Haltung. Biden habe aber seit Beginn des Krieges klargemacht, dass er keine amerikanischen Soldaten in die Ukraine entsenden werde. «Das war bislang so, und das wird auch in Zukunft so sein.»

Macron kritisiert Israel

Emmanuel Macron lobte Biden bei der gemeinsamen Pressekonferenz als einen loyalen Partner, der «die Europäer liebt und respektiert». Doch nicht bei allen Themen herrschte zwischen den beiden Staatsoberhäuptern eine so grosse Einigkeit. So zeigten sich zwar beide erfreut über die Befreiung von vier Geiseln im Gazastreifen durch die israelischen Streitkräfte. Doch während Biden betonte, dass man Israel unterstützen werde, bis alle Geiseln befreit seien, kritisierte Macron die israelischen Streitkräfte scharf.

Die Situation in Rafah sei «inakzeptabel», ebenso die Tatsache, dass Israel nicht alle Grenzübergänge für humanitäre Hilfe öffne. Macron forderte einen sofortigen Waffenstillstand, damit eine «politische Lösung» für einen dauerhaften Frieden gefunden werden könne. Gleichzeitig werde Paris seine Anstrengungen verdoppeln, um eine Eskalation des Konflikts in der Region zu verhindern und etwa Spannungen zwischen Israel und den Hizbullah im Libanon zu verringern. Auch vonseiten Irans sei das Potenzial für eine Eskalation gross, weshalb Frankreich und die USA gleichsam entschlossen seien, Druck auf Teheran auszuüben.

Auch die Handelsbeziehungen zwischen Frankreich und den USA kamen bei dem Treffen der beiden Präsidenten zur Sprache. So erklärte Macron, dass er sich erneut besorgt über die Auswirkungen der Inflation Reduction Act (IRA) auf die europäische Wirtschaft geäussert habe. Das von Biden verabschiedete Gesetz gewährt Herstellern von Elektrofahrzeugen besonders hohe Subventionen, wenn sie in den USA tätig sind. Paris befürchtet wie andere europäische Länder, dass dadurch grosse Teile seiner Wirtschaft abwandern könnten. Frankreich und die USA würden nun zusammenarbeiten, um die amerikanische und die europäische Wirtschaft zu «resynchronisieren», so Macron.

Den Präsidenten droht eine Niederlage

Biden lobte am Ende der Pressekonferenz ebenfalls die gute Zusammenarbeit der USA und Frankreich. Das wichtigste Element, das beide Länder verbinde, seien immer schon geteilte Werte. Und Emmanuel Macron sei im Laufe seiner Amtszeit «ein guter Freund» geworden.

So freundschaftlich war die Beziehung der beiden Präsidenten nicht immer. 2021 kam es zwischen ihnen zum Streit, als die USA mit Grossbritannien und Australien hinter dem Rücken Macrons ein neues Sicherheitsbündnis für den Südpazifik schlossen und Frankreich damit um ein 56-Milliarden-Euro-Geschäft für U-Boote brachten. Der Schritt nährte in Paris Zweifel an der Verlässlichkeit der transatlantischen Partnerschaft. Zeitweise zog Frankreich sogar seine Botschafter in den Partnerländern ab.

Am Samstag kamen die beiden Präsidenten im Anschluss an ihre Pressekonferenz zu einem Staatsbankett zusammen, bevor Biden die Rückreise antrat. Für Macron dürfte es nach den Feierlichkeiten der vergangenen Tage unangenehm werden: Bei der Europawahl droht seiner Partei eine deutliche Niederlage gegen den Rassemblement national. Marine Le Pen, Anführerin der nationalistischen Opposition, warf ihm am Freitag vor, einen Krieg mit Russland herbeiführen zu wollen.

Für Biden geht die heisse Phase im Präsidentschaftswahlkampf erst los. Derzeit liegt er in den meisten Umfragen hinter seinem Herausforderer Donald Trump zurück. Viele der rechten Republikaner sehen in Putin keinen Feind, sondern einen konservativen Verbündeten. Darauf, mit seiner Frankreich-Reise eine grosse Veränderung herbeigeführt zu haben, darf Biden darum wohl kaum hoffen.

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