Mittwoch, Januar 8

Der scheidende Präsident legt seinem Nachfolger ein letztes Mal Steine in den Weg; es wird Trump schwerfallen, Bidens Verbot aufzuheben. Die ergiebigsten Öl- und Gasfelder vor der Küste sind jedoch nicht betroffen.

«Willkommen zurück», sagte Joe Biden vor zwei Monaten zu Donald Trump, als er seinen Vorgänger und Nachfolger im Oval Office empfing. Die Stimmung war erstaunlich gut: Im Hintergrund loderte ein Kaminfeuer, Biden versprach eine reibungslose Übergabe, und Trump bedankte sich.

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Biden hat jedoch nicht im Sinn, Trump den roten Teppich auszurollen – im Gegenteil. Am Montag, zwei Wochen vor Ablauf seiner Amtszeit, hat er ein Verbot für zukünftige Öl- und Gasbohrungen in weiten Teilen des Atlantiks und des Pazifiks erlassen, die der amerikanische Staat kontrolliert. Auch in Teilen des Golfs von Mexiko und vor manchen Küsten vor Alaska dürfen keine neuen Bohrplattformen mehr errichtet werden. Insgesamt werden rund 2,5 Millionen Quadratkilometer unter Schutz gestellt.

Seine Entscheidung bilde ab, «was Küstengemeinden, -unternehmen und Strandgänger seit langem wissen», sagte Joe Biden in einem Statement: «Dass Bohrungen vor diesen Küsten diejenigen Orte unwiederbringlich schädigen könnten, die uns so wichtig sind.» Sie würden auch nicht benötigt, um den amerikanischen Energiebedarf zu decken.

Ein altes Gesetz von 1953 bildet die Basis für Bidens Intervention. Es verleiht dem Präsidenten die Befugnis, Land im Besitz des Bundesstaats unter Schutz zu stellen. Wieder aufheben lässt sich dieser Schutz nur vom Kongress.

Sand ins Getriebe

Donald Trumps Kommunikationsteam hat Bidens Vorstoss gegenüber amerikanischen Medien scharf kritisiert: Der skandalöse Entscheid diene dazu, sich politisch am amerikanischen Volk zu rächen. Dieses habe Trump ein Mandat erteilt, vermehrt nach Öl zu bohren und die Benzinpreise zu senken. Trump selbst versprach in einem Radiointerview mit dem konservativen Journalisten Hugh Hewitt, Bidens Entscheid umgehend zu korrigieren.

Trumps Republikaner verfügen über eine Mehrheit in beiden Parlamentskammern, diese ist jedoch hauchdünn. Ölbohrungen etwa an der Atlantikküste wären bei vielen Abgeordneten aus diesen Staaten unpopulär. Man erinnert sich nur zu gut an die katastrophale Explosion der Bohrplattform Deepwater Horizon, die im Golf von Mexiko 2010 eine der schlimmsten Umweltkatastrophen aller Zeiten auslöste.

Elf Arbeiter kamen bei dem Unglück ums Leben. Zudem verseuchte das Ölleck das Meer und weite Küstenabschnitte, insbesondere vor Louisiana, was dort die Fischerei und den Tourismus zeitweise zum Erliegen brachte. Biden hat ausgiebig auf Deepwater Horizon verwiesen, um seinen jetzigen Erlass zu begründen.

Es ist daher nicht ausgemacht, dass Trump alle Republikaner hinter sich scharen und Bidens Verbot aufheben kann. Im Mindesten werden etwas Überzeugungsarbeit und der Einsatz von politischem Kapital nötig sein.

Bidens Entscheid dürfte daher primär politisch motiviert sein. Mit einem Federstrich kann er seinen Ruf als Klimapräsident noch einmal aufpolieren und der Trump-Administration zugleich Sand ins Getriebe streuen. Biden unterstützt damit die übergelagerte Strategie der Demokraten für die nächsten zwei Jahre bis zu den Zwischenwahlen: Trumps Regierung, wo immer möglich, handlungsunfähig machen und anschliessend die Parlamentsmehrheit zurückerobern.

Trump kann auch juristisch gegen Bidens Verfügung vorgehen, die Erfolgsaussichten sind aber ungewiss. Bereits Barack Obama hat sich auf dasselbe Gesetz von 1953 berufen, als er 2015 Teile der nördlichen Beringsee vor Alaska unter Schutz stellte. Trump hat versucht, Obamas Erlass aufzuheben, was ihm ein Gericht in Alaska aber untersagte. Bevor das Oberste Gericht den Fall begutachten konnte, übernahm bereits Joe Biden die Präsidentschaft – und beerdigte das Verfahren.

Ölproduktion auf Rekordniveau

Die unmittelbaren Folgen des Verbots sind gering. Bloss 15 Prozent des amerikanischen Rohöls stammen noch aus Offshore-Produktion, fast ausschliesslich aus dem Golf von Mexiko. Just die ergiebigsten Meeresabschnitte, im Westen und im Zentrum des Golfs, sind vom Verbot zudem gar nicht betroffen.

Trump wird den Fehdehandschuh dennoch aufnehmen und den Erlass bekämpfen müssen, weil die Steigerung der amerikanischen Ölproduktion zu seinen wichtigsten Wahlkampfversprechen gehört. Drei Millionen Fass Erdöl pro Tag wolle man zusätzlich fördern, sagte etwa der designierte Finanzminister Scott Bessent. Trump will damit insbesondere einen Beitrag zur Inflationsbekämpfung leisten und die Benzinpreise an amerikanischen Tankstellen senken.

Diese Steigerung wird nicht einfach zu bewerkstelligen sein, weil die USA ihre Produktion dank der Schieferöl-Revolution bereits in Trumps erster Amtszeit stark ausbauen konnten. Auch Biden hat diesen Höhenflug nicht gestoppt. Die USA produzieren derzeit mehr als 13 Millionen Fass Öl pro Tag: so viel wie nie zuvor und auch mehr, als Saudiarabien oder Russland je aus ihren Böden pumpen konnten.

Über die Jahre haben amerikanische Konzerne ihre Fördertechnologie – das in Europa stark umstrittene Fracking – weiterentwickelt und konnten so ihre Produktionskosten senken. Die Branche hat sich konsolidiert und ist damit auch profitabler und verlässlicher geworden. Aber die Produktion aus den inländischen Schieferöl-Reserven lässt sich mit den heutigen technischen Möglichkeiten und zu den gegenwärtigen Weltmarktpreisen für Erdöl nicht mehr beliebig steigern.

Die Ölbranche verspricht sich daher künftiges Wachstum vermehrt wieder von Offshore-Feldern im Meer. Der Fokus liegt derzeit eher auf Brasilien oder Guyana, aber auch der amerikanische Seeboden könnte dereinst wieder interessant werden. Aus diesem Grund kritisiert der Verband der US-Offshore-Industrie Bidens Entscheid: Selbst wenn es an einer Förderung in manchen dieser Gebiete derzeit wenig Interesse gebe, argumentierte deren Präsident Erik Milito etwa in der «Washington Post», müsse die Energiepolitik der USA flexibel bleiben, wenn die Sicherheitslage dies erfordere. Er verwies dabei auf Russlands Krieg in der Ukraine.

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