Mittwoch, Januar 15

Experten einer Fachtagung in Zürich orteten grossen Reformbedarf bei der Bankenregulierung.

Wie soll die Schweiz die UBS regulieren? Dies wird eine der Streitfragen des Politikjahrs 2025. Die Bandbreite der Meinungen ist gross. Die einen verkünden im Geist einer aktivistischen Industriepolitik, dass die Schweiz eine globale Grossbank «braucht». «Ja nicht die Bank mit zu strengen Vorgaben ins Ausland vertreiben» ist dabei die Botschaft. Am anderen Ende der Bandbreite stehen jene, die sagen, dass die Schweizer Steuerzahler bei einer Verlagerung des UBS-Hauptsitzes ins Ausland ruhiger schlafen könnten.

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Der Bundesrat will den UBS-Hauptsitz im Land behalten. Das hat die Regierung 2023 in ihrem Bericht zu den Folgerungen aus der Credit-Suisse-Krise zwischen den Zeilen deutlich gemacht. Der Bundesrat hat indes einige Verschärfungen angekündigt, die der UBS zum Teil schon deutlich zu weit gehen.

Die Regierung dürfte bis im Sommer ein Bündel von konkreten Gesetzes- und Verordnungsänderungen in die Vernehmlassung schicken. Diese betreffen zum Teil nur die systemrelevanten Banken, zum Teil sind auch kleinere Institute betroffen; als systemrelevant gelten derzeit UBS, Raiffeisen-Gruppe, Zürcher Kantonalbank und Postfinance.

Auftakt durch Ständeräte

Eine wichtige Reformvorlage steckt bereits im Parlament. Die Wirtschaftskommission des Ständerats hat für den Februar das Projekt zu einer staatlichen Liquiditätsgarantie für systemrelevante Banken traktandiert. Wenn diese Institute in der Krise mangels Sicherheiten keine ordentliche Liquiditätshilfe der Nationalbank (SNB) bekommen, könnte die SNB mit der Reform dennoch Hilfen geben und bekäme dafür vom Bund eine Verlustausfallgarantie.

Das Wissen um ein solches Sicherheitsnetz soll Kunden betroffener Banken beruhigen und damit Schalterstürme weniger wahrscheinlich machen. Der Bundesrat schickte diese Reform 2023 ans Parlament, die zuständige Ständeratskommission hatte das Geschäft bis zum Vorliegen des Berichts der parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) zum Fall Credit Suisse sistiert.

Der PUK-Bericht ist nun da. Doch die Kommission würde das Geschäft besser noch weiter sistieren, bis das Gesamtpaket des Bundesrats vorliegt. Das erklärte die Basler Rechtsprofessorin Corinne Zellweger-Gutknecht am Dienstag an einem Symposium in Zürich zur Grossbankenregulierung. Sieben Universitäten waren in der Organisation dieses Anlasses involviert, der in einer Serie von Präsentationen und Diskussionen zentrale Stellschrauben der Regulierung beleuchtete.

Die Vorlage zur staatlichen Liquiditätsgarantie ist laut Zellweger-Gutknecht nicht abgestimmt mit verwandten offenen Fragen wie etwa der wünschbaren Ausweitung der verpfändbaren Sicherheiten der grossen Banken. Zudem greife das vorgesehene Liquiditätsnetz erst, wenn eine Bank in der Abwicklung stecke; der Begriff «Abwicklung» steht hier für ein behördlich ausgelöstes Verfahren, wenn die betroffene Bank aus Behördensicht nicht mehr selber überleben kann. Das Verfahren kann eine Sanierung umfassen – mit Teilverkäufen, Chefwechseln und der Umwandlung von Vorratskapital in neues Eigenkapital. Eine Abwicklung kann im schlimmsten Fall auch eine Liquidation mit Konkurs der nicht verkäuflichen Bankteile bedeuten.

Der Bundesrat will das staatliche Sicherheitsnetz auf Banken in Abwicklung beschränken, um die Fehlanreize solcher Absicherungen zu begrenzen. Die Kehrseite: Damit würde das Instrument in manchen Krisenlagen nicht greifen können. Ironischerweise wäre die geplante Gesetzesgrundlage für den Fall Credit Suisse nicht relevant gewesen, weil die CS technisch nicht in Abwicklung war.

Zu den grossen Streitpunkten gehört die Preisfrage. Der Bundesrat stellte in seinem Erläuterungsbericht relativ bescheidene Versicherungsgebühren in Aussicht – genannt war eine mögliche Grössenordnung von 70 bis 210 Millionen Franken pro Jahr für alle systemrelevanten Banken zusammen.

Gemäss Corinne Zellweger-Gutknecht wäre dies viel zu billig; der Wert der Staatsgarantie für die Grossbanken sei gemäss der tiefsten Schätzung mindestens zehnmal so hoch. Auch andere befragte Fachleute bewerteten die in Aussicht gestellten Versicherungsgebühren als viel zu tief. Dies wird noch einiges zu reden geben.

Die Zürcher Fachtagung illustrierte die Breite der diskutierten Ansätze zur künftigen Grossbankenregulierung. Hier einige der genannten Stichworte: Stärkung der Glaubwürdigkeit der Krisenplanung für die Abwicklung der grossen Banken; strengere Liquiditätsvorgaben; höhere Eigenkapitalvorgaben; stärkere Verankerung der aufsichtsrechtlichen Verantwortlichkeit der oberen Bankmanager; Möglichkeiten der früheren Intervention für die Aufsichtsbehörde Finma, breitere Versicherung für Bankeinlagen.

Die Hoffnung stirbt zuletzt

In einigen Punkten rennen die Fachleute mit ihren Anliegen offene Türen beim Bundesrat ein. In anderen Punkten wollen sie weitergehen als die Regierung. Seit die Behörden nach der Finanzkrise von 2008 weltweit die Konzepte zur Abwicklung grosser Banken zwecks Risikominimierung für die Steuerzahler aufgebaut hatten, wurde noch keine global systemrelevante Bank auf Basis dieser Planung abgewickelt. Die Credit Suisse hätte der erste Fall werden können, doch sie wurde es nicht. Dies hatte zwei Gründe: Die UBS stand als Übernehmerin bereit – und die politischen Entscheidungsträger glaubten nicht an das Funktionieren des vorbereiteten Sanierungsplans.

Einige Fachleute erklärten am Dienstag trotzdem, dass ein glaubwürdiges Abwicklungsregime für internationale Grossbanken möglich sei. Wie ein solches aussehen sollte, blieb indes offen. Sarah Breeden, Vizegouverneurin der Bank of England für Finanzstabilität, räumte im Gespräch ein, dass in den Details eine Vorbedingung zurzeit nicht erfüllt sei – Abmachungen mit US-Behörden über die Wandlung von Vorratskapital in neues Eigenkapital.

Schweizer Exponenten hatten bisher stark bezweifelt, dass die US-Behörden im Voraus solche Zusicherungen geben. Sarah Breeden sprach diplomatisch von «konstruktiven Gesprächen». Doch selbst wenn dieses Problem lösbar ist: Wie lässt sich sicherstellen, dass eine vorbereitete Abwicklung nicht an der Furcht der Politiker scheitert? Breedens Antwort: Als Behörde könne man nur möglichst gute Instrumente vorbereiten – die Politiker könnten die Behörden letztlich immer übersteuern.

Option für Brückenbank

Die Rechtsprofessorinnen Mirjam Eggen (Universität Bern) und Seraina Grünewald (Universität St. Gallen) forderten für Krisenfälle nebst der Fortführung und der Liquidation weitere Optionen: zur Ausgliederung von zweifelhaften Vermögenswerten in ein Auffangbecken und für die Möglichkeit zur Schaffung einer Übergangsbank (Brückenbank). Diese Optionen seien in der Schweiz zurzeit im ordentlichen Recht nicht umsetzbar, denn es fehle an der Finanzierung in Form eines Abwicklungsfonds sowie an einer Rechtsgrundlage für eine vorübergehende Verstaatlichung von Banken.

Die offiziellen und inoffiziellen Äusserungen zu den künftigen Eigenkapitalvorgaben für die UBS waren an der Tagung uneinheitlich. Die Tendenz des Tenors: Mehr als heute sollte es schon sein, aber man kann es auch übertreiben. Diverse Votanten betonten, dass zunächst vor allem eine vorsichtigere Bewertung der Aktiven angebracht sei. In einer Krise kann wegen eines abrupten Falls der Marktwerte eine optisch solvente Bank fast über Nacht zu einem Sanierungsfall mutieren.

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