Der einstige britische Politiker Arthur James Balfour wird mit der Gründung des Staates Israel in Verbindung gebracht. Nun ist sein Porträt an der Universität Cambridge beschädigt worden. Die Regierung prüft ein härteres Vorgehen gegen propalästinensische Aktivisten.
Zunehmend radikale Aktionen von propalästinensischen Gruppierungen sorgen in Grossbritannien für Schlagzeilen. So mussten jüngst die Sicherheitsvorkehrungen für einzelne Unterhausabgeordnete verstärkt werden, die vor ihren Wohnsitzen von Aktivisten bedrängt wurden. Am Wochenende löste ein in den sozialen Netzwerken veröffentlichtes Video der Gruppe «Palestine Action» erheblichen Wirbel aus. Es zeigt eine Frau, die an der Universität Cambridge ein Bild mit roter Farbe besprüht und teilweise zerschneidet.
BREAKING: Palestine Action spray and slash a historic painting of Lord Balfour in Trinity College, University of Cambridge.
Written in 1917, Balfour’s declaration began the ethnic cleansing of Palestine by promising the land away — which the British never had the right to do. pic.twitter.com/CGmh8GadQG
— Palestine Action (@Pal_action) March 8, 2024
Balfour-Deklaration wichtig für Gründung Israels
Beim Gemälde handelt es sich um ein Porträt von Arthur James Balfour, der um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert zuerst als britischer Premierminister und später als Aussenminister gedient hatte. In seiner Funktion als Aussenminister verfasste Balfour 1917 in den Anfängen des britischen Mandats für Palästina ein Schreiben an den britischen Zionisten Lionel Walter Rothschild.
Darin sicherte Balfour die britische Unterstützung für die Schaffung einer nationalen Heimstätte für Juden in Palästina zu. Das als Balfour-Deklaration bekannte Dokument gilt als wichtiger Baustein auf dem Weg zur Gründung des Staates Israel 1948.
Für Palästinenser erinnert die Gründung Israels freilich an die Nakba, als rund 700 000 Menschen aus ihrer Heimat flüchteten oder vertrieben wurden. Daher gilt die Balfour-Deklaration bei propalästinensischen Aktivisten bis heute als historischer Fehler. Im Kommentar zum Video über den Vandalenakt werden Balfour und die britische Regierung für den Nahostkonflikt mitverantwortlich gemacht.
Balfour hatte am Trinity College in Cambridge studiert. Ein Sprecher der Hochschule sagte, die Universität habe die Polizei eingeschaltet. Diese hielt fest, sie habe Ermittlungen wegen Sachbeschädigung aufgenommen und Beweise gesichert, bestätigte aber zunächst keine Festnahmen. Der britische Vizepremierminister Oliver Dowden schrieb, er sei entsetzt über den «schwachsinnigen Akt von mutwilligem Vandalismus». Die Täter sollten die volle Härte des Gesetzes zu spüren bekommen.
Gegen Islamisten und Rechtsextreme
Die symbolträchtige Sachbeschädigung des Balfour-Porträts ist das jüngste Beispiel für die identitätspolitischen Spannungen, die der Gaza-Krieg in Grossbritannien ausgelöst hat. Premierminister Rishi Sunak hatte vor zehn Tagen in einer Ansprache vor seinem Amtssitz an der Downing Street Nummer 10 zur Mässigung aufgerufen und erklärt, radikale Islamisten und Rechtsextreme seien zwei Seiten der gleichen Medaille und gefährdeten den sozialen Frieden im Land.
Die Regierung prüft nun ein härteres Vorgehen gegen propalästinensische Aktivisten. Der Anti-Extremismus-Berater der Regierung, Robin Simcox, sagte vergangene Woche, das Zentrum Londons sei während propalästinensischer Demonstrationen zu einer No-Go-Zone für Juden geworden. Am Samstag forderten in der britischen Hauptstadt erneut Zehntausende einen sofortigen Waffenstillstand im Gazastreifen. Gleichzeitig rief eine Gegendemonstration zu Solidarität mit Israel auf. Bei der grossmehrheitlich friedlichen propalästinensischen Kundgebung wurden laut Polizeiangaben fünf Personen verhaftet.
Sunak hatte der Polizei vorgeworfen, zu wenig hart gegen die Demonstrationszüge vorzugehen, bei denen teilweise auch Spruchbänder zu sehen sind, die gemäss britischem Recht je nach Kontext als antisemitisch gelten können. Die Polizei beruft sich auf die Meinungsäusserungsfreiheit und erklärt, sie habe das Gesetz so umzusetzen, wie es geschrieben sei, und nicht, wie es manche Politiker wünschten. Die Regierung will in den kommenden Tagen einen Vorschlag präsentieren, um die gesetzliche Definition von Extremismus zu verschärfen.

