Mittwoch, Oktober 2

Der frühere US-Basketballstar und beliebte Sportkommentator Bill Walton ist vor kurzem gestorben. Was wir von ihm für Erfolg an der Börse lernen können – gerade, was die gegenwärtige Massenhysterie um Nvidia und das Thema künstliche Intelligenz betrifft.

Die Nachricht, dass der frühere Basketballprofi und Sportkommentator Bill Walton Ende Mai an Hirnkrebs gestorben ist, hat mich schwer getroffen. Im Memorial Coliseum, dem Sportstadion der Stadt Portland, gab es 12’665 Sitzplätze, und ich hatte einen davon in der obersten Reihe für das sechste Spiel der Finalrunde der NBA-Basketballliga im Jahr 1977.

George McGinnis, einer der Stars des hochtalentierten gegnerischen Teams aus Philadelphia, verfehlte damals im entscheidenden Moment einen Sprungwurf aus drei Metern von der linken Seite des Korbs, womit die Portland Blazers als Heimteam den Meistertitel gewannen. Die Feierlichkeiten dauerten Stunden, und wir fuhren mit dem Auto durch Portland, um das Spektakel zu geniessen. Dies, obwohl wir selber nicht im Bundesstaat Oregon wohnten, sondern im Südwesten von Washington.

Der historische Sieg ist bis heute der einzige bedeutende Meistertitel in der Welt des amerikanischen Sports, den Portland je gewonnen hat. Die Blazers hatten seinerzeit einen guten Coach und eine Reihe talentierter Spieler. Dennoch stach Bill Walton heraus. Er war ein grundsolider Spieler. Und wenn er gesund war, konnte kaum jemand mit ihm mithalten.

Im Meisterschaftsspiel der Universitätsliga NCAA hatte er einige Jahre zuvor für die University of California, Los Angeles (UCLA) gegen Memphis State eine einmalige Show hingelegt und 21 von 22 Würfen verwandelt. Wenn ich mich recht erinnere, resultierte sein einziger Fehlversuch dadurch, dass der Gegner den Ball regelwidrig in der Flugphase ablenkte.

Massendenken und Herdentrieb

Bills Tod ruft eines seiner berühmten Zitate in Erinnerung: «Wenn alle gleich denken, dann denkt niemand.» Bill analysierte Spiele später völlig anders als andere redegewandte Sportkommentatoren. Einige seiner Aussprüche klangen verrückt, doch die meiste Zeit waren sie brillant.

Die Pac-12, die Division im US-Universitätssport mit Teams aus westlichen US-Bundesstaaten, nannte er jahrelang die «Conference of Champions». Die Leute hatten ihn für diese Worte ausgelacht, als wäre er irrsinnig. Doch jetzt, da die Pac-12 aufgelöst wird, stellt sich heraus, dass die Teams aus dieser Division in all den Jahren insgesamt 561 nationale Meisterschaftstitel in verschiedenen Sportarten gewonnen haben – 200 mehr als jede andere Division.

Was Bill mit «alle denken gleich» bezeichnete, nennen wir an den Finanzmärkten eine «bekannte Tatsache». Es handelt sich also um eine wirtschaftliche Information, die nicht nur allen Marktteilnehmern bekannt ist, sondern gemäss der sich auch fast alle bereits positioniert haben. Das heisst: Um an der Börse langfristig erfolgreich zu sein, muss man gegen bekannte Tatsachen wetten.

Das bringt uns zur Frage, ob alle Marktteilnehmer derzeit darüber übereinstimmen, dass künstliche Intelligenz (KI) eine revolutionäre Technologie ist und unser Leben verändern wird. Die Antwort lautet aus unserer Sicht ganz klar «Ja».

Zur Debatte steht hier jedoch der zweite Aspekt, wenn es um eine «bekannte Tatsache» geht: Haben sich alle, die aus dieser Information einen Gewinn ziehen könnten, bereits positioniert? Wir gehen davon aus, dass dies noch nicht der Fall ist. Wir pflegen in diesem Zusammenhang aber auch zu sagen: Man kann den Atem nicht so lange anhalten, bis alle, die möglicherweise kaufen könnten, sich eingedeckt haben.

Das Aschenputtel-Problem

Als Investoren stellt sich uns damit folgende Grundsatzfrage: «Wenn eine Aktie noch mehr Potenzial hat, warum sollten wir dann nicht versuchen, dies für einen wundersam schnellen Gewinn zu nutzen?» Bill Walton würde dazu sagen: «Es ist Zeit zum Nachdenken!»

Gut dazu passt auch der Vergleich, den der legendäre Investor Warren Buffett zwischen dem Hype um glamouröse Aktien und der Geschichte von Aschenputtel beim Tanzball macht:

«Die Grenze zwischen Investition und Spekulation, die nie klar und eindeutig ist, verschwimmt noch mehr, wenn die meisten Marktteilnehmer in jüngster Zeit Triumphe gefeiert haben. Nichts betäubt die Rationalität so sehr wie eine grosse Dosis einfachen Geldes.

Nach einer solchen berauschenden Erfahrung verhält sich der normalerweise vernünftige Mensch wie Aschenputtel auf dem Ball: Man weiss, dass man den Abgang vom Fest nicht zu lange hinauszögern darf; also nicht zu lange auf Unternehmen spekulieren sollte, die im Verhältnis zu dem Geld, das sie wahrscheinlich in Zukunft erwirtschaften werden, gigantisch teuer bewertet sind. Denn sonst werden sie irgendwann zu Kürbissen und Mäusen.

Trotzdem wollen die meisten keine Minute dieser grossartigen Party verpassen. Deshalb wollen sich alle Teilnehmer erst wenige Sekunden vor Mitternacht verabschieden. Allerdings gibt es ein Problem: Sie tanzen in einem Raum, in dem die Uhren keine Zeiger haben.»

Optimismus zahlt sich aus

Diesen Monat sind es 44 Jahre her, dass ich meine Karriere in der Investmentbranche begonnen habe. Ein wesentlicher Grund dafür, dass ich bis heute in diesem Business bin, ist unsere Bereitschaft, den Börsensektoren mit dem grössten Momentum aus dem Weg zu gehen, lange bevor die Uhr Mitternacht schlägt.

Das ist einer der grössten Vorteile, die wir als Contrarian-Investoren besitzen. Der andere rettende Faktor ist, optimistisch zu sein, wenn alle Aktien verabscheuen, wie Ende 2008 und während des Covid-Lockdowns im Jahr 2020.

Wenn wir also heute erleben, wie sich die legendäre «Conference of Champions» auflöst, und einem herausragenden Sportler und einzigartigen Persönlichkeit wie Bill Walton unseren Respekt zollen, dann lassen Sie sich von seinem berühmten Zitat ermutigen.

Die englische Fassung des Artikels ist abrufbar unter: smeadcap.com

Bill Smead

Bill Smead ist der Gründer und Chief Investment Officer der auf amerikanische Value-Aktien fokussierten Anlagegesellschaft Smead Capital Management. Der Branchenveteran startete das Unternehmen mit heutigem Sitz in Phoenix 2007. Zum Führungsduo gehört sein Sohn Cole. Smead begann seine berufliche Karriere nach einem Wirtschaftsstudium 1980 beim Broker Drexel Burnham Lambert. Weitere Stationen waren Oppenheimer & Co., Smith Barney und Wachovia Securities. Dort leitete er zuletzt als Portfoliomanager die Smead Investment Group. Smead teilt seine Einschätzung zum aktuellen Geschehen an den Finanzmärkten regelmässig im Blog «Missives». Zudem publiziert Smead Capital regelmässig einen hörenswerten Podcast.
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