Dienstag, Oktober 22

Der Anteil von Bitcoin an der Marktkapitalisierung aller Kryptowerte ist so hoch wie seit über drei Jahren nicht mehr. Bei einem Sieg Donald Trumps könnte das Momentum zugunsten der «Altcoins» drehen.

Nach wie vor gilt: Bei 70’000 $ ist Schluss. Seit Bitcoin im Frühjahr sein Allzeithoch von 73’737 $ erreicht hat, bewegt sich der Kurs der grössten Kryptowährung mehr oder weniger in einem Band zwischen 55’000 und 70’000 $. Ganze fünf Mal unternahm Bitcoin den Versuch, aus diesem Handelskorridor auszubrechen, jeder dieser Anläufe scheiterte.

In der vergangenen Woche startete der sechste Versuch. Am Montag kratzte Bitcoin an der 70’000-$-Marke, prallte jedoch wenig darunter wieder ab.

Der derzeitige Aufwärtstrend geht einher mit einem ausserordentlich hohen Zufluss in die Bitcoin-Spot-ETF, die Anfang des Jahres in den USA für den Handel zugelassen wurden. Gemäss Daten von Farside Investors verzeichneten die ETF allein in der vergangenen Woche einen Zufluss in Höhe von über zwei Billionen $. Das ist der höchste Wert auf Wochenbasis seit März. Auch diese Woche hielt die Nachfrage vorerst an – am Montag wurde ein Zufluss in Höhe von 300 Mio. $ registriert.

Ein Treiber der Bitcoin-Rally dürfte die zunehmende Wahrscheinlichkeit eines Wahlsiegs des – zum Krypto-Freund mutierten – Präsidentschaftskandidaten Donald Trump bei den US-Wahlen am 5. November sein.

Seit ihrer offiziellen Wahl zur Kandidatin der Demokraten Anfang August lag Kamala Harris in den Umfragen durchgehend vorne. Der Vorsprung vergrösserte sich nach dem schwachen Auftritt Trumps im TV-Duell vom 9. September. Doch zuletzt schmolz der Vorsprung immer weiter, mittlerweile schätzen viele Wettbörsen wie PredictIt die Chancen von Trump sogar höher ein – diese Woche konnte Trump den Abstand überdies ausbauen.

Während Trump Bitcoin noch 2021 als «gefährlichen Betrug» brandmarkte, hat er sich in diesem Wahlkampf – wohl nicht zuletzt aus opportunistischen Beweggründen – zum Krypto-Befürworter gewandelt. Seit Monaten greift er regelmässig Krypto-Themen auf und umgarnt die Branche geradezu. Im Fall seines Wahlsiegs wolle er die USA zur «Krypto-Hauptstadt des Planeten» machen, liess er etwa auf X verlauten.

Zwar scheinen auch die Demokraten das Thema Krypto nicht gänzlich zur Seite schieben zu wollen, Kamala Harris äusserte sich bisher jedoch weit weniger offensiv. An einer Spendenaktion in New York Ende September bekräftigte die amtierende US-Vizepräsidentin, dass sie innovative Technologien wie künstliche Intelligenz und digitale Assets fördern und gleichzeitig die Konsumenten und Investoren schützen wolle.

Bitcoin ist so dominant wie letztmals vor drei Jahren

Ein Blick auf den breiten Kryptomarkt zeigt, dass momentan – vom derzeitigen Krypto-Highflyer Solana abgesehen – vor allem Bitcoin von den krypto-freundlichen Aussichten profitiert. So kratzt die sogenannte Bitcoin-Dominanz, die den Anteil von Bitcoin am gesamten Marktwert aller Kryptowährungen misst, erstmals seit dem Frühjahr 2021 wieder an der Marke von 60%. Der Markt aller Kryptowährungen beläuft sich gemäss CoinMarketCap derzeit auf 2,15 Bio. $.

«Bitcoin ist der bisherige Gewinner im aktuellen Krypto-Zyklus», findet auch Luke Nolan, Mitglied im Research-Team des Crypto-Asset-Managers CoinShares. Vor allem der hohe Zufluss in die Spot-ETF sei in diesem Ausmass noch Anfang des Jahres nicht absehbar gewesen. Vor dem Hintergrund der starken Performance von Bitcoin stellt sich die Frage, wann das Momentum weg von Bitcoin hin zu Altcoins drehen könnte. Damit sind sämtliche «alternative» Kryptowährungen gemeint, die nach Bitcoin an den Start gingen – also die restlichen 40% des Marktes.

Nolan glaubt, dass ein Trump-Sieg den «Start einer breit aufgestellten Altcoin-Saison» markieren könne. Ein Grund: Donald Trump kündigte an, am ersten Tag seiner Präsidentschaft den wenig krypto-freundlichen Vorsitzenden der US-Börsenaufsicht SEC, Gary Gensler, ersetzen zu wollen. Wie die US-Tageszeitung Politico erfahren haben will, soll Dan Gallagher, derzeit Chef der Rechtsabteilung von Robinhood und Krypto-Freund, ein heisser Kandidat für die Nachfolge Genslers sein.

Naht die Altcoin-Season?

Zwar ist es höchst umstritten, ob und wie der US-Präsident den SEC-Vorsitzenden entlassen könnte – die Antwort des Rechtsprofessors Stephen Bainbridge von der University of California lautet stark verkürzt: Ja, aber es ist kompliziert. Allerdings könnte die Frage obsolet werden, da es in den USA Usus ist, dass der SEC-Vorsitzende bei einem Präsidentenwechsel sein Amt aufgibt.

Warum wäre das bullish für Altcoins? «Ein SEC-Vorsitzender, der der Kryptobranche gewogener ist, würde die Tür öffnen für die Institutionalisierung anderer Krypto-Projekte jenseits von Bitcoin», sagt Nolan, der dabei etwa an die Zulassung von Spot-ETF für Solana denkt. Der «Altcoin Season Index», der die relative Performance von Altcoins im vergleich zu Bitcoin misst, befindet sich mit 33 weit unter der Schwelle von 75, die normalerweise die Hochphase einer Altcoin-Saison anzeigt. Aus Contrarian-Sicht scheint der Zeitpunkt für einen Einstieg in Altcoins daher durchaus attraktiv.

Exit mobile version