Donnerstag, Oktober 3

Bitcoin ist für viele Anleger noch immer ein rotes Tuch. Dabei ist die Anlageklasse spätestens seit der Zulassung der Spot-ETF im Mainstream angekommen. Warum das Chancen-Risiko-Verhältnis einer kleinen Bitcoin-Position im Depot attraktiv ist.

Am 10. Januar dieses Jahres war es so weit: In einer lange erwarteten Grundsatzentscheidung erteilte die US-Börsenaufsicht SEC allen elf Exchange Traded Funds (ETF) auf den Bitcoin-Spotpreis die Zulassung. Fondsgrössen wie BlackRock, Fidelity, ARK Invest oder Invesco hatten zuvor Anträge eingereicht. Die Zulassung galt als Ritterschlag für die Kryptobranche im Allgemeinen und Bitcoin im Speziellen.

Durch die neuen Bitcoin-ETF ist sowohl für Privatanleger als auch für institutionelle Investoren die Investition in die weltgrösste Kryptowährung so einfach und sicher wie nie zuvor – «sicher» freilich nicht im Sinne der Kursentwicklung, sondern dahingehend, dass die komplizierte Aufbewahrung der Coins von Anbietern wie Blackrock übernommen wird.

Bitcoin nahe Allzeithoch

Mit der Etablierung der Spot-ETF ist Bitcoin fünfzehn Jahre nach seiner Gründung endgültig im Mainstream angekommen. Die Reise dorthin war holprig und vor allem kurstechnisch volatil. Nach einem ersten Bullenmarkt Ende 2017, der Bitcoin erstmals ins öffentliche Bewusstsein rückte, folgte eine starke Korrektur, von der sich die Kryptowährung erst nach drei Jahren erholte. Nach einem zweiten grossen Bull Run rund um das Jahr 2021 folgte ein erneuter Bärenmarkt, der dieses Mal nur etwa eineinhalb Jahre anhalten sollte – anschliessend startete Bitcoin seine bis heute dauernde Rally auf ein neues Allzeithoch von über 70’000 $.

Durch die mittlerweile erreichte Grösse und die immer einfacheren Möglichkeiten, an der Kursentwicklung von Bitcoin zu partizipieren, drängt sich die Frage auf, welchen Platz die wichtigste Kryptowährung der Welt in einem diversifizierten Portfolio verdient hat. «Als Investor muss man sich fragen, wie lange man das derzeit neuntgrösste Asset der Welt noch ignorieren kann», sagt Alexander Bechtel, Leiter Digitale Produktstrategie Strategies bei der DWS in Zürich.

Den Platz in den Top Ten der grössten globalen Vermögensrangliste verdankt Bitcoin der jüngsten Kursrally. Nachdem die Kryptowährung im März den US-Tech-Konzern Meta Platforms eingeholt hat, kämpft sie (Marktkapitalisierung: 1,4 Bio. $) jetzt mit Silber (1,6 Mrd. $) um den achten Platz in der Rangliste. Vor Bitcoin befinden sich noch Amazon, Google-Mutter Alphabet, Saudi Aramco, Nvidia, Apple, Microsoft und – mit grossem Abstand – Gold. Das Edelmetall erreicht nach seinem jüngsten Lauf eine Marktkapitalisierung von fast 16 Mrd. $.

Höhere Volatilität

Lohnt es sich, einen Teil seines Portfolios auf Bitcoin auszurichten, um die Rendite zu steigern und dabei das Risiko zu diversifizieren? Um dieser Frage nachzugehen, hat die Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ) unter Federführung von Costantino Lanni, Leiter des Centers for Financial Studies, die Rendite und Risikoeigenschaften von Bitcoin zwischen 2019 und 2023 aus der Perspektive eines Frankeninvestors untersucht.

Im betrachteten Zeitraum verzeichnete der Schweizer Aktienmarkt gemessen am Swiss Performance Index (SPI) eine durchschnittliche jährliche Performance von 8,2%, was leicht über dem langjährigen Durchschnitt von 7,7% liegt.

Demgegenüber erreichte Bitcoin in Franken gerechnet einen jährlichen Zuwachs von 57%. Die allgemein höheren Ausschläge hatten 2022 entsprechend einen massiven Verlust zur Folge, als sich der Wert von Bitcoin im Zuge der allgemein angespannten Stimmung an den Finanzmärkten beinahe gedrittelt hat.

«Diese Entwicklung verdeutlicht nicht nur die Volatilität und Dynamik des Bitcoins, sondern auch die divergierenden Performanceprofile von traditionellen Aktien und digitalen Anlagen wie Bitcoin», hält Lanni dazu fest.

Bitcoin bringt Überrendite

Um zu untersuchen, welchen Einfluss eine kleine Beimischung von Bitcoin in einem Portfolio ausübt, führte Lanni einen Rückvergleich (Backtesting) durch, bei dem 95% des Vermögens in den SPI investiert wurden und die restlichen 5% in Bitcoin. Dabei zeigt sich: Ohne Beimischung der Kryptowährung verzeichnete das Portfolio – im Einklang mit der Kursentwicklung des SPI – zwischen 2019 und 2023 einen Anstieg von 100 auf 148, was der oben erwähnten jährlichen Durchschnittsrendite von 8,2% entspricht.

Durch eine konstante Allokation von 5% in Bitcoin – wobei ein monatliches Rebalancing erfolgt – hat sich das Portfolio im selben Zeitraum von 100 auf 172 erhöht, was einer jährlichen Rendite von 11,5% entspricht und somit ein beachtliches Plus darstellt. Doch auch bei einer Bitcoin-Gewichtung von lediglich 3% erhöht sich die jährliche Performance auf 10,2%. Bei einem – zugegebenermassen hohen – Exposure von 10% in Bitcoin erhöht sich die Rendite gar auf 15,1% pro Jahr.

Das monatliche Rebalancing hat den Vorteil, dass es einen antizyklischen Ansatz verfolgt. Um die Bitcoin-Quote bei 5% zu halten, werden bei steigenden Kursen Bitcoin veräussert und bei fallenden Kursen gekauft.

Interessant festzuhalten ist, dass gemäss HWZ-Studie die Volatilität des reinen SPI-Portfolios durch eine Beimischung von Bitcoin von 5% lediglich von 13,9 auf 14,8% gestiegen ist. «Dieser Anstieg kann als moderat betrachtet werden und dürfte für die meisten Anlegerinnen und Anleger kaum spürbar sein», betont Lanni. Tatsächlich liegt der Wert noch immer unter dem historischen Schnitt von etwa 15 bis 20% für Aktien.

Korrelation ist entscheidend

Dass Bitcoin für das Portfolio eine Überrendite bringen kann, ist das eine. Doch damit die Asset-Klasse als sinnvolle Ergänzung in einem breit gestreuten Portfolio dienen kann, sollte sie darüber hinaus zur Diversifikation des Depots beitragen. Dies wird umso wichtiger vor dem Hintergrund, dass der Diversifikationseffekt im klassischen 60/40-Portfolio – dieses zeichnet sich durch eine feste Allokation von 60% Aktien und 40% Anleihen aus – in den vergangenen Jahren stark abgenommen hat.

Während die dreijährige rollierende Korrelation zwischen dem US-Leitindex S&P 500 und US-Staatsanleihen seit Anfang der Zweitausenderjahre fast immer im negativen Bereich war – das heisst Aktien stiegen an Wert, wenn Anleihen fielen und umgekehrt –, hat sich dieser Kausalzusammenhang ab 2022 ins Positive gekehrt. Gemäss Daten des grössten Krypto-Asset-Managers Grayscale stieg die Korrelation zwischen US-Aktien und US-Treasuries zuletzt bis auf 0,6 – ein Wert von 1 würde bedeuten, dass sich beide Werte simultan bewegen.

Gleichzeitig hat in den vergangenen 25 Jahren auch die Korrelation zwischen dem S&P 500 und Nicht-US-Aktien (gemessen am MSCI Wolrd ex-US Index) von etwa 0,6 auf rund 0,9 zugelegt. Heisst: Eine Diversifikation mit klassischen Anlageklassen wurde für Anleger zuletzt schwieriger.

Bitcoin kann diesbezüglich in die Bresche springen. Gemäss Grayscale hat Bitcoin in den vergangenen fünf Jahren einem Portfolio nicht nur eine Überrendite gebracht. «Darüber hinaus haben Bitcoin und andere Kryptowährungen Renditen mit einer relativ geringen Korrelation zu Aktien erzielt», schreiben die Analysten. Während der S&P 500 und Unternehmensanleihen seit 2019 durchschnittlich eine Korrelation von 0,7 bis 0,8 gezeigt hätten, habe sich diese mit Bitcoin lediglich auf 0,4 belaufen. Selbst mit Rohstoffen korrelierten US-Aktien stärker.

Welcher Bitcoin-Anteil ist sinnvoll?

Dennoch betonen die Grayscale-Analysten, dass eine Gewichtung in Bitcoin auch ein entsprechend höheres Risiko mit sich bringt. Daher wird ein Bitcoin-Anteil im Portfolio von höchstens 5% empfohlen. Ein Backtesting eines klassischen 60/40-Portfolios in den vergangenen fünf Jahren ergab, dass eine Gewichtung von 5% in Bitcoin das höchste Sharpe Ratio ergeben hat. Diese Kennzahl zeigt, wie hoch die risikoadjustierte Rendite einer Geldanlage ist, sprich wie viel Mehrrendite Anleger für die zusätzliche Volatilität erhalten, die sie durch das Halten eines risikoreicheren Vermögenswerts in Kauf nehmen.

«Unsere Analysen haben ergeben, dass sich durch Bitcoin – dank seiner niedrigen Korrelation zu traditionellen Assets – das Sharpe-Ratio in einem Portfolio verbessern kann», sagt auch Bechtel. Für den DWS-Experten erfüllt Bitcoin dabei vorrangig aber nicht die Funktion, mehr Sicherheit ins Depot zu bringen, sondern vielmehr die risikoadjustierte Rendite zu erhöhen.

Grundsätzlich wird ein Sharpe-Ratio ab 0,5 als hoch angesehen. Gemäss Grayscale stieg dieser Wert rückblickend in einem 60/40-Portfolio mit einer zunehmenden Bitcoin-Gewichtung sukzessive auf bis zu 0,88 an, bis die Kryptowährung einen Anteil von 5% am Gesamtportfolio erreicht hat. Danach begann das Verhältnis zu drehen.

Bitcoin kann eine sinnvolle Ergänzung im Portfolio sein

Bitcoin kann eine sinnvolle Ergänzung im Portfolio sein. Zwar bieten Renditen, die in der Vergangenheit erzielt wurden, freilich keine Garantie für zukünftige Gewinne. Dennoch ist das langfristige Chancen-Risiko-Verhältnis eines kleinen Portfolioanteils in Bitcoin überaus attraktiv.

Das soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass Bitcoin auf kurzfristige Sicht eine volatile Anlage bleiben dürfte. «Bitcoin bleibt ein Risk-on-Asset und spielt noch nicht die Rolle eines Absicherungsinstruments gegen Wirtschaftskrisen, die man zum Beispiel von Gold erwarten würde», betont auch Bechtel.

Anleger, die Bitcoin im Portfolio halten wollen, sollten zudem darauf achten, dessen gewählte Gewichtung diszipliniert beizubehalten. Wer es nach hohen Bitcoin-Gewinnen versäumt, ein Rebalancing durchzuführen, erhöht das Volatilitätsrisiko in seinem Portfolio.

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