Im seinem neuen Brief an die Investoren verzichtet der Chef des weltgrössten Vermögensverwalters auf politische Aussagen – und bringt stattdessen ein neues Szenario ins Spiel.
Es ist heikel geworden für die Chefs amerikanischer Unternehmen, sich in irgendeiner Form zur Politik der amerikanischen Regierung zu äussern. In seinem neuesten «Letter to the Investors» lässt Larry Fink, Gründer und Chef der weltgrössten Investmentgesellschaft Blackrock, das Thema gleich ganz aus.
Fink schreibt ausführlich über die Infrastrukturoffensive des Vermögensverwalters und erwähnt in diesem Zusammenhang die Akquisition von 43 Häfen weltweit, darunter zwei am Panamakanal – ein Deal, über den sich Donald Trump öffentlich gefreut hat. Abgesehen davon fällt im Brief kein Wort zur Politik der neuen US-Regierung.
Statt auf die Verwerfungen im globalen Handelssystem lenkt Fink die Aufmerksamkeit seiner Leser auf ein anderes, aber ebenso bedeutendes Thema – die Zukunft des US-Dollars als globale Reservewährung. Der Wall-Street-Veteran wirft die Frage auf: «Kann Bitcoin den Reservestatus des US-Dollars gefährden?»
Als meistgehaltene Reservewährung bildet der US-Dollar spätestens seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs das Rückgrat des globalen Finanzsystems. Er erlaubt es den Vereinigten Staaten, günstig Schulden aufzunehmen. Global werden fast 60 Prozent der staatlichen Devisenreserven in Dollar gehalten. Der Status des Dollars beruht auf der Stabilität der US-Wirtschaft, der Liquidität des dortigen Anleihemarkts und der politischen Macht der Vereinigten Staaten.
Fink aber sieht das Vertrauen in den Dollar schwinden. Ausgangspunkt für seine Überlegungen sind die hohen US-Staatsschulden, die seit 1989 drei Mal schneller gewachsen sind als das amerikanische Bruttoinlandprodukt. Im angelaufenen Jahr werden die Vereinigten Staaten mit 952 Milliarden US-Dollar mehr für den Schuldendienst als für die Verteidigung ausgeben. Bis 2030 dürften laut Fink die obligatorischen Staatsausgaben und Schuldendienste das komplette Bundesbudget auffressen. Dann werde es zu einem «permanenten Defizit» kommen. Schon vor einem Jahr hatte Fink vor dieser Entwicklung gewarnt. Er schreibt: «Wenn die USA ihre Schulden nicht in den Griff bekommen, riskieren sie, ihre Rolle als Weltreservewährung an digitale Vermögenswerte wie Bitcoin zu verlieren.»
Die Innovationen der dezentralen Finanzwelt könnten die Finanzmärkte laut Fink effizienter, transparenter und zugänglicher machen. Doch darin liege auch das Risiko: Sollte Bitcoin von Investoren zunehmend als sicherer Hafen wahrgenommen werden, «könnte das den Dollar unterminieren». Fink: «Investoren könnten beginnen, den Bitcoin als sicherere Alternative zum Dollar zu sehen.»
Die Weltbank hat Zweifel am Bitcoin als Reservewährung
Der Blackrock-Chef ist mit seinen Bedenken nicht alleine: Der US-Ökonom Barry Eichengreen bringt im Interview mit der NZZ weitere Argumente ins Spiel, die die globalen Rolle des Dollars in Zweifel ziehen: «Die Unabhängigkeit der Notenbank wird infrage gestellt, und es gibt Überlegungen, den Dollar gezielt zu schwächen, was den Wert international gehaltener US-Staatsanleihen senken würde.» Das senke das Vertrauen anderer Länder in die USA als verlässlichen Partner – und damit die Bereitschaft, Dollar zu halten. Deshalb steige auch der Goldpreis. Noch aber gebe es keine Alternative zum Dollar, so Eichengreen.
Obwohl Fink eine gewichtige Stimme in der globalen Finanzwelt ist, dürfte das von ihm geäusserte Szenario von Bitcoin als künftige Reservewährung unter Ökonomen wenig Zuspruch erhalten.
Vertreter der Weltbank kamen erst vor wenigen Monaten in einem Blog-Beitrag zum Schluss, dass Kryptowährungen wesentliche Anforderungen an Reserveanlagen nicht erfüllen. Zentralbanken benötigen in Krisenzeiten sichere, liquide und stabile Vermögenswerte – das sind alles Eigenschaften, die Bitcoin derzeit nicht bieten kann.
Insbesondere die hohe Volatilität, mangelnde regulatorische Klarheit, mangelnde Marktliquidität und Sicherheitsrisiken in der Verwahrung sprechen gegen eine Aufnahme in die offiziellen Währungsreserven. Die Blockchain selbst sei zwar sicher, doch Hacks, Betrug und der Verlust privater Schlüssel stellten weiterhin operative Risiken dar. Auch werde Bitcoin bislang kaum im globalen Zahlungsverkehr verwendet, was seine Relevanz für das Weltfinanzsystem einschränkt.
Auch die Schweizerische Nationalbank (SNB) teilt die Vorbehalte gegenüber Bitcoin. Ihr neuer Präsident Martin Schlegel betonte Anfang März, dass Kryptowährungen zu volatil, zu illiquide und zu unsicher seien, um als Teil der nationalen Währungsreserven zu taugen. Bitcoin und andere Kryptowährungen blieben ein Nischenphänomen, das für eine stabile Geldpolitik ungeeignet sei.