Mittwoch, Oktober 9
Nachgewürzt

Wolfgang Fassbender


Gastrokritik

Hans Neuner ist in der Kochszene Portugals ein Star, weil er sich kulinarisch immer neu erfindet. Derzeit experimentiert der Österreicher im Restaurant Ocean mit asiatischen Aromen. Der wahre Star ist hier aber das Brot.

Poetische Namen tragen die Gänge in jenem Restaurant, das zunächst vor allem durch seinen Blick auf den Ozean auffällt. Hoch über der Algarve-Küste, in Porches, sitzen die Gäste hier und bekommen ein Menu serviert, bei dessen Kreation sich der Küchenchef nicht nur eine Menge gedacht, sondern in das er auch viel Zeit investiert hat. Ausserhalb der Saison verreist Hans Neuner, seit 2007 Chef des mit zwei Sternen bedachten Restaurants Ocean, nämlich gern und sammelt kulinarische Erlebnisse.

«Erstflug bereits verspätet» ist eine neckische Anspielung auf die Umstände des letzten Neunerschen Trips, besteht aus Gänseleber, Mango und Zimt als bestimmenden Teilen und erinnert an den süssen portugiesischen Snack namens Pastel de Nata. Gut. Noch viel eindrucksvoller indes schmeckt «Frühmorgens am Toyosu-Fischmarkt», ein Gang, in dem Thunfischbauch mit hausgemachtem Steinpilz-Miso und japanischem Senf zusammengeführt wird. Neuner hat keinerlei Angst vor kraftvollen Aromen, doch ein Händchen für Balance: Der Thunfisch wird nicht überdeckt.

Schweres Geschirr

Während sich Neuner und sein Team Wasabi-Eis für den nächsten Gang zubereiten, erklären die Sommeliers João und Gonçalo die Vielfalt der portugiesischen Weinszene. Das Pairing reicht von weissem Portwein des Jahrgangs 2007 bis zu einem herausragenden Dão-Schaumwein der Casa da Passarella; österreichische Weine, Sake und Moselriesling sind aber auch in der Weinbegleitung enthalten.

Die «Dancing Shrimps» tanzen hier nicht, wie in einem umstrittenen asiatischen Gericht mit lebenden Krustentieren, sondern bestehen aus Felsengarnelen, die mit Imperialkaviar und Kaffirlimette aromatisch variiert wurden: ein faszinierender Kontrast zwischen Zitrusaroma, Süsse und Salzigkeit. Extra für die «Lotus-Blume» wurde ein unglaublich schweres Geschirr angefertigt: Der Service ist nicht zu beneiden; der Gast, der aus selbigem Königskrabbe, Ponzu-Hollandaise und Forellenrogen essen darf, aber schon.

Grüne Bohnen, Brot sowie Tempura als Verbindung von Europa und Japan

Dass hausgebackenes Brot erst nach den Shrimps serviert wird, bedauert man in jenem Moment, in dem man das erste Stück abbricht. Ich habe in den vergangenen Jahren schon viel fabelhaftes Brot serviert bekommen, kann mich aber nicht an besseres erinnern. Krachende Kruste, feuchte, intensiv würzige Krume und dazu eine mit zwanzig Jahre gereifter Sojasauce verfeinerte Butter – das ist drei Sterne wert.

Auf selbigem Niveau spielen auch die grünen Bohnen mit Morcheln und einem Tempura vom Ährenfisch. Was daran asiatisch sein soll? Na, die Japaner haben die längst in die Kultur des Landes eingegangene Tempura aus Weizenmehl von den Portugiesen adaptiert. Langustine mit hausgemachtem Koji und Yuzu («Alles über Reis») schmeckt kaum weniger spannend, und bei der Kombination von Wolfsbarsch und Hummer-Gyoza ist es das Tatar vom Brokkoli, das für eine nussige Note und eine geschmackliche Erweiterung sorgt.

Kimchi zur Wachtel

Hans Neuners Küche zeichnet sich auch durch einen in der gehobenen Gastronomie nicht selbstverständlichen Mut aus. Kraftvollen Kampotpfeffer setzt er unter dem Motto «Eine Nacht in Bangkok» als Begleitung des Carabineiro ein; intensives Kimchi zur Wachtel ist eine fabelhafte Idee. Und der Glückskeks mit Brot-Miso und Koa, dem Fruchtfleisch der Kakaofrucht, ist ein neckisches erstes Dessert.

Das zweite habe ich dann nicht verstanden. «Tamarinde» arbeitet zwar Pandan- und Vanillearomen prima heraus, lässt aber die fruchtige Säure der Tamarinde komplett vermissen, ist auch viel zu mächtig. Enttäuschend schmeckt der abschliessend servierte Kaffee, ein aus Kapseln gewonnenes Produkt, das einem Restaurant dieser Klasse nicht angemessen ist. Ich bleibe lieber beim letzten Schluck des Moscatel de Setúbal aus einer Lissabon benachbarten Weinregion. Ein sensationeller Süsswein, der beweist, dass es in Portugal wesentlich mehr zu entdecken gibt als nur Portwein und Madeira.

Auf einen Blick

ADresse

Restaurant Ocean im Vila Vita Parc, Rua Anneliese Pohl, Alporchinhos, Porches, Portugal

Kosten

Das Menu kostet 275 Euro.

Bewertung

Küche: 9/10
Gastkultur: 9/10

Anmerkung: Die Bewertungen orientieren sich an der denkbaren Höchstnote von 10 Punkten. Die Note für die Küche betrifft ausschliesslich die Qualität der Speisen, jene für Gastkultur umfasst sämtliche übrigen Aspekte eines Restaurantbesuchs.

Der Besuch erfolgte auf Einladung.

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