Dienstag, März 18

Amerika ist und bleibt das Land der enormen Cheflöhne. Linke Denkfabriken kritisieren das schon lange, aber die Wähler zucken mit den Schultern – ausser diese Chefs verursachen eine Bankenkrise.

15 Millionen Franken Lohn für Sergio Ermotti? Für europäische Banker mag das ein Top-Lohn sein; an der Wall Street würde deswegen niemand mit der Wimper zucken.

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Mit den umgerechnet 17 Millionen Dollar fürs abgelaufene Jahr liegt der UBS-Chef weit hinter seinen Kollegen in den grössten amerikanischen Banken zurück: Brian Moynihan, CEO der Bank of America, konnte sein Gehalt 2024 um 21 Prozent nach oben schrauben, auf 35 Millionen Dollar. Der Verwaltungsrat argumentiert, dass die Bank dank Moynihan besser als ihre Konkurrenz abgeschnitten hat und die Aktie stark angestiegen ist.

Hohe Bleibe-Prämie

Goldman-Sachs-Chef David Solomon brachte es gar auf 39 Millionen Dollar. Das macht ihn für 2024 zum Spitzenverdiener unter den Chefs der grössten US-Banken; gemeinsam mit Jamie Dimon vom Branchenprimus JP Morgan.

Zudem erhielt Solomon, der Goldman Sachs seit 2018 führt, einen Bleibe-Bonus von 80 Millionen Dollar. Solomon hatte in den vergangenen Jahren zwar viel Kritik auf sich gezogen, weil die Investmentbank ihren Fokus verloren habe: Sie musste für ihren Ausflug ins Konsumkreditgeschäft Lehrgeld zahlen. Einige Partner haben zudem die Bank verlassen, auch weil Solomon die Vermögensverwaltungssparte mehrfach reorganisierte.

Doch am Ende zählt bei Goldman – wie bei den anderen Grossbanken – der finanzielle Erfolg, und der kam für Solomon zum Glück früh genug wieder zurück. 2024 profitierte die Bank davon, dass ihr Handelsgeschäft und das traditionelle Investment Banking wieder Fahrt aufnahmen, und erzielte einen Gewinn von 14,3 Milliarden Dollar. Gerade rechtzeitig fokussierte sich Goldman Sachs wieder aufs Kerngeschäft – diese strategische Leistung ist ein wichtiger Grund für Solomons üppige Entschädigung.

Auch für Schlüsselpersonen unterhalb des CEO schnüren Amerikas Banken manchmal enorme Vergütungspakete. So erhielt bei Goldman Sachs auch John Waldron einen Bonus von 80 Millionen, der ihn zum Bleiben motivieren soll. Als Chief Operating Officer ist Waldron der Innenminister, der die Grossbank zusammenhält, und seit langem ein enger Verbündeter von Solomon.

Als Präsident – der Begriff ist aus Schweizer Sicht etwas missverständlich – ist der 55-jährige zudem die inoffizielle Nummer zwei bei Goldman Sachs und der mögliche Nachfolger Solomons. Aber der 63-Jährige macht noch keine Anstalten, die Kommandobrücke zu verlassen. Als 2024 Gerüchte aufkamen, dass Waldron mit einem Absprung zum Private-Equity-Unternehmen Apollo liebäugle, musste die Bank daher gute Gründe auf den Tisch legen, damit Waldron noch länger die Ersatzbank drückt.

Langes Warten auf die Auszahlung

Auch in den USA ist es üblich, dass das Grundsalär der Bankchefs nur einen kleinen Teil ihrer Entlöhnung ausmacht. Das Basisgehalt von Solomon für 2024 betrug beispielsweise «nur »2 Millionen Dollar, hinzu kommt ein Cash-Bonus von 8,3 Millionen Dollar. Der Grossteil seiner Vergütung erhielt Solomon, wie es branchenüblich ist, in vorerst gesperrten Aktien. Das soll den Chefs einen Anreiz bieten, das Unternehmen langfristig aufzubauen statt es bloss für zwei drei Jahre zu «melken». Auch Solomons riesiger Bleibe-Bonus, der aus Aktien besteht, wird auf fünf Jahre hinaus gesperrt bleiben.

Das heisst aber auch: Die Löhne der amerikanischen Chefs können tiefer oder höher ausfallen als heute bekannt, je nach Entwicklung des Aktienpreises.

Die Marktbewertung der allergrössten US-Banken, mit denen sich die UBS punkto Cheflöhne vergleicht, liegen für die Schweizer Bank noch ausser Reichweite. Die UBS ist an der Börse derzeit mit etwas mehr als 100 Milliarden Dollar bewertet. Bei Morgan Stanley sind es etwa 185 Milliarden, bei Goldman Sachs rund 170. Und bei JP Morgan gar mehr als 650 Milliarden Dollar.

Dennoch kann man sich aus Schweizer Sicht natürlich fragen: Sind die US-Banken zu freigiebig? Sollte man dafür sorgen, dass ihre Bonus-Kultur nicht auch die UBS ansteckt?

Die vielzitierten Mentalitätsunterschiede zwischen den beiden Ländern werden manchmal überzeichnet, aber es gibt sie tatsächlich: Die Schweizer sind konsensorientiert, die Amerikaner individualistischer. Zudem haben sie eine ausgeprägte Risikokultur und tendenziell weniger Probleme damit, wenn erfolgreiche Stars viel Geld verdienen; seien es Football-Spieler, Popstars oder Spitzenbanker.

Kritik an hohen Cheflöhne gibt es aber natürlich auch in den USA. Beispielsweise von der gewerkschaftsnahen Denkfabrik Economic Policy Institute: Der durchschnittliche CEO verdiene 290-mal so viel wie der durchschnittliche Arbeiter, schrieb das Institut in einer Studie 2023, während es 1965 erst das 21-fache war. Sie erhielten diesen Lohn nicht wegen ihrer Leistung, kritisierte das EPI, sondern wegen ihres Einflusses auf den Verwaltungsrat. Es brauche daher noch höhere Spitzensteuersätze oder verbindliche Abstimmungen zu Cheflöhnen an den Aktionärsversammlungen.

Krisen als Weckruf

Mehrheitsfähig wird solche Kritik an den Spitzenlöhnen in den USA aber nur, wenn etwas schiefläuft. Letztmals war das in der Regionalbankenkrise 2023 der Fall, als einige mittelgrosse Banken, die kopflos Kredite vergeben und sich nicht ausreichend gegen Zinsänderungsrisiken abgesichert hatten, hinweggerafft wurden und gerettet werden mussten.

Der Chef der Silicon Valley Bank, die in der Krise unterging, hatte 2022 ein Lohnpaket von etwa 10 Millionen Dollar erhalten und kurz vor dem Untergang der Bank noch Aktien verkauft. In der Öffentlichkeit kam das gar nicht gut an, und auch die Politik setzte sich in Bewegung. Im Mai 2023 sprach sich die Bankenkommission des Senats daher für die sogenannte RECOUP Act aus. «Sie haben Boni ausbezahlt bis wenige Stunden bevor die Regulatoren Ihre Vermögenswerte eingezogen haben», schalt der damalige Kommissionspräsident Sherrod Brown den letzten Chef der Silicon Valley Bank in einer Anhörung.

Das Gesetz sollte unter anderem dafür sorgen, dass die Einlagesicherung FDIC einen Teil der Boni von Spitzenbankern, deren Banken gerettet werden müssen, zurückverlangen kann. Doch die Politik befasst sich, mehr noch als in der Schweiz, oft nur reaktiv mit den Vergütungssystemen und belässt es dann bei öffentlichkeitswirksamen Aktionen. Die Recoup-Act geriet bald unter Beschuss von republikanischer Seite, weil sie den staatlichen Aufsehern noch mehr Macht geben würde, und hat es nicht durchs Parlament geschafft. Auch den Wählern ist inzwischen anderes wichtiger; der Demokrat Sherrod Brown wurde 2024 abgewählt.

Inzwischen weht der Wind aus einer anderen Richtung. Die Trump-Regierung hat es sich zum Ziel gesetzt, den Unternehmen möglichst viele Regeln aus dem Weg zu räumen. Die Banken konnten sich zufrieden zeigen, als Michael Barr das Vizepräsidium der Notenbank Fed aufgab – Barr hatte sich zuvor einen Machtkampf mit den Grossbanken um Kapitalregeln geliefert, den er mit der Wahl Trumps endgültig verloren hatte. Strengere Regeln für Cheflöhne sind aus den USA vorderhand also kaum zu erwarten.

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