Mittwoch, Oktober 30

In der Schweiz wählt ein KMU eine selten gewordene Spac-Transaktion, um an die Börse zu gehen. Ob dabei die kleine R&S Group oder ihre gewieften Investoren gewinnen, ist noch nicht entschieden.

Das Umfeld für Börsengänge ist mies. Trotzdem hat sich am Mittwoch die Industriefirma R&S Group aus Sissach (BL) an die Schweizer Börse gewagt. Die Aktien des Elektrotechnik-Anbieters legten einen starken Handelsstart hin und gingen mit einem Plus von fast 13 Prozent aus dem Handel. Die Schweizer Börse verzeichnet damit ihren ersten «richtigen» Börsengang mit Kapitalaufnahme in diesem Jahr.

Der Hersteller von Strom-Transformatoren ist aber nicht über den klassischen Weg an die Börse gelangt. Die R&S Group hat ihre Aktien nach einer so genannten Spac-Transaktion angeboten. Spac steht für Special Purpose Acquisition Company: Dabei übernimmt ein bereits kotiertes Vehikel – hier ein Spac namens VT5 – eine Firma, in diesem Fall die R&S Group. Diese ist in den Firmenmantel von VT5 geschlüpft und so an die Börse gelangt.

Blütezeit für Spac ist vorbei

Es ist bemerkenswert, dass es im derzeit unsicheren Umfeld zu einem solchen Börsengang gekommen ist. Einerseits ist es das erste Mal, dass in der Schweiz eine Spac-Transaktion durchgeführt wird. Andererseits ist die Zeit dieser exotischen Deals eigentlich vorbei. Spacs erlebten in den Zeiten niedriger Zinsen und des billigen Kapitals bis Ende 2021 einen Boom. So haben sich etwa der UBS-Chef Sergio Ermotti oder der Ex-CS-Chef Tidjane Thiam bei Spacs engagiert.

Die Begeisterung ist aber verflogen. Gemäss Daten von Dealogic wurden 2021 in Europa noch 45 Spac-Transaktionen für ein Volumen von fast 9 Milliarden Dollar durchgeführt. Im laufenden Jahr waren es noch vier Deals. Der jüngste fällt bescheiden aus: Die R&S Group machte in den ersten neun Monaten des Jahres einen Umsatz von 162 Millionen Franken, der Börsenwert liegt bei rund 270 Millionen.

Dass sich durch diese Transaktion die Stimmung für Börsengänge in der Schweiz merklich verbessert, ist unwahrscheinlich. Wegen des unstabilen Marktumfelds ist die Anzahl der Börsengänge in den vergangenen zwei Jahren stark zurückgegangen. Nennenswert sind die Neuzugänge von Sandoz und Accelleron – beide waren aber Abspaltungen der Grosskonzerne Novartis beziehungsweise ABB.

VT5 liess sich im Dezember 2021 kotieren, als sich der Spac-Boom bereits abkühlte. Das dürfte ein Grund sein, weshalb die Suche nach einem Übernahmeobjekt länger dauerte als vorgesehen. Ursprünglich wollte VT5 mit einem Budget von 200 Millionen Franken innerhalb eines Jahres eine Firma an die Börse bringen. Schliesslich fand man in der R&S Group ein geeignetes Objekt und einigte sich mit dem Besitzer, dem Schwyzer Finanzinvestor CGS, auf einen Kaufpreis von 274 Millionen Franken.

«Börsengang light»

Die gewieften Investoren von VT5 gingen auf das Management der R&S Group zu, um diese «von einer Zusammenarbeit als Partner zu überzeugen». Im Oktober wurde eine mögliche Transaktion öffentlich gemacht.

Doch wieso wählte R&S Group nicht einen regulären Börsengang? Auf Anfrage nahm Gregor Greber, Mitgründer von VT5 und Verwaltungsrat bei R&S Group, Stellung: Der Weg über einen Spac sei für R&S «einfacher, kostengünstiger und zielführender», sagt er.

Tatsächlich müsste bei einem regulären Börsengang das Management die Firma bei Investoren im In- und Ausland schmackhaft machen und allerlei regulatorische Auflagen erfüllen. Das konnte sich die Firmenleitung von R&S sparen. Dank der Spac-Transaktion hat sich das Investitionsvehikel VT5 in einen Transformatoren-Hersteller verwandelt.

Ob ein Börsengang für die R&S Group langfristig die beste Lösung ist, ist unklar. Der CEO Markus Lässer äussert sich auf Anfrage nicht. In einer Mitteilung spricht er davon, dass die Firma dank dem Listing mehr Sichtbarkeit erhalte, um ihre Wachstumspläne umzusetzen.

Die beim Börsengang gelösten Mittel werden jedoch hauptsächlich für das Auszahlen des Haupteigentümers CGS verwendet. Dieser bleibt mit einem Anteil von fast einem Viertel grösster Aktionär und sitzt im Verwaltungsrat. Typischerweise verabschieden sich Private-Equity-Investoren nach einer Weile aus den Unternehmen.

Gemäss Greber hätten sich die Unternehmensleitung und der Verwaltungsrat derweil verpflichtet, ihre Anteile an R&S Group mindestens ein Jahr zu halten. Zudem habe die Konzernspitze mit dem Börsengang signifikante Summen investiert, man sei stark engagiert.

Kritische Grösse fehlt

Auch wenn sich die Investoren nicht gleich verabschieden, ist ungewiss, ob R&S an der Börse längerfristig erfolgreich sein kann. Die Investoren versuchen zwar aus Eigeninteresse, R&S im besten Licht als «versteckten Champion» zu präsentieren.

Doch besonders die geringe Grösse des Unternehmens wirft Fragen auf, zumal das KMU gegen globale Konzerne wie Hitachi Energy oder Schneider Electric konkurrieren muss. Fehlende Grösse hat schon andere kotierte Unternehmen wie die Maschinenbauer Starrag und Tornos veranlasst, zu fusionieren, um eine kritische Grösse zu erreichen.

Womöglich muss die 1919 als Rauscher und Stöcklin gegründete Firma nicht nur auf ihre Technik, sondern weiter auf anorganisches Wachstum setzen. Schliesslich ist die R&S Group über die Jahre selbst das Produkt einer Reihe von Zukäufen: in Tschechien, Polen, Italien und zuletzt in den Vereinigten Arabischen Emiraten.

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