Montag, September 30

Seit der Abspaltung von Novartis im Oktober 2024 haben sich die Aktien des Generikaherstellers Sandoz um einen Fünftel verteuert. Der Konzern aus Basel wächst vor allem im zukunftsträchtigen Geschäft mit Biosimilars stark.

Für einen Novizen am Aktienmarkt kann sich die bisherige Entwicklung von Sandoz sehen lassen. Der Basler Generikahersteller war nach der Abspaltung vom Pharmariesen Novartis Anfang vergangenen Oktobers an den Start gegangen. Sein Marktwert hat sich seither um einen Fünftel erhöht. Der Swiss-Market-Index (SMI) gewann im selben Zeitraum 10 Prozent.

Ein Erfolg nach dem anderen

Neulinge an der Börse tun sich erfahrungsgemäss oft schwer. Viele Anleger wollen erst sehen, wie sich ein bislang ihnen wenig vertrautes Unternehmen über einen längeren Zeitraum schlägt. Doch Sandoz scheint es geschafft zu haben, Investoren innert kurzer Zeit von seinen Vorzügen zu überzeugen.

Dabei hilft dem Konzern, dass ihm bei der Entwicklung sowie der Markteinführung neuer Produkte zurzeit ein Erfolg nach dem anderen gelingt. Am Montag wurde bekannt, dass die US-Gesundheitsbehörde FDA ein Nachahmerprodukt von Sandoz zur Vermarktung freigegeben hat, das auf dem umsatzstarken Präparat Eylea von Bayer beruht.

Dieses Medikament, das in der Originalversion auch vom amerikanischen Biotechnologieunternehmen Regeneron angeboten wird, dient der Behandlung einer verbreiteten Alterskrankheit, der sogenannten neovaskulären altersbedingten Makuladegeneration. Dieses Leiden gilt als eine der Hauptursachen für Sehbehinderungen unter über 50-Jährigen. Im vergangenen Jahr brachte Eylea dem Anbieter Regeneron, der die Rechte für den Vertrieb in den USA besitzt, fast 6 Milliarden Dollar ein. Bayer erwirtschaftete damit weitere 3,2 Milliarden Euro.

Unklarer Ausgang von Gerichtsverhandlungen

Als Anbieter von Biosimilars, wie Nachahmerprodukte von Biotech-Präparaten wie Eylea genannt werden, muss Sandoz mit bescheideneren Umsatzzahlen kalkulieren. Zwar fallen die Preisabschläge bei Biosimilars gegenüber Originalpräparaten niedriger aus, als dies bei Generika der Fall ist. Generika werden nicht – wie biotechnologische Erzeugnisse – aufwendig aus lebenden Zellen, sondern auf chemischem Weg hergestellt. Doch auch Biosimilars kosten – basierend auf dem Listenpreis – gut und gerne 20 Prozent weniger als das Original. Es können auch bis zu 40 Prozent sein. Und wie bei Generika drängen meist schnell eine Reihe von Unternehmen auf den Markt, die sich auf das Nachahmen von Medikamenten spezialisiert haben.

Noch steht nicht fest, wann Sandoz sein Nachahmerprodukt namens Enzeevu auf den US-Markt bringen kann. Dies hänge davon ab, wie sich laufende gerichtliche Auseinandersetzungen mit dem Anbieter des Originalpräparats entwickeln würden, sagt ein Unternehmenssprecher auf Anfrage. Nach Einschätzung der Bank Vontobel könnte die Markteinführung allerdings noch dieses Jahr erfolgen.

Weltmarktführer bei Biosimilars

Bereits vor einem Monat erhielt Sandoz von der FDA grünes Licht für die Vermarktung eines Biosimilars, das auf dem Medikament Stelara gegen die Autoimmunerkrankungen Psoriasis-Arthritis und Morbus Crohn beruht. Dank dem Produkt Cimerli, das im vergangenen Januar vom Konkurrenten Coherus akquiriert wurde, besitzt der Konzern neuerdings auch ein Nachahmerprodukt für das Augenheilmittel Lucentis. Das Original dieses Biotech-Medikaments stammt sowohl von Novartis als auch von Roche.

Insgesamt hat Sandoz nun elf Biosimilars auf dem Markt. Das macht das Unternehmen zum grössten Anbieter in dieser stark wachsenden Produktkategorie. Analysten der Baader Bank rechnen damit, dass das Geschäft mit Biosimilars bis 2031 weltweit um durchschnittlich 20 Prozent pro Jahr expandieren wird. Sie verweisen darauf, dass allein bis 2028 Originalpräparate mit einem Gesamtumsatz von 400 Milliarden Dollar den Patentschutz verlieren dürften.

Im zurückliegenden ersten Semester steigerte Sandoz die Einnahmen aus der Vermarktung von Biosimilars um 28 Prozent auf 1,3 Milliarden Dollar. Die starke Zunahme war ausser der Akquisition des Präparats Cimerli vor allem gut laufenden Geschäften mit einem Nachahmerprodukt des bis vor kurzem umsatzstärksten Medikaments der Welt, Humira, zu verdanken. Humira brachte seinem Anbieter Abbvie aus den USA bis zum Verlust des Patentschutzes 2023 Einnahmen von bis zu 21 Milliarden Dollar ein.

Schweizerin wird Chief Commercial Officer

Im deutlich härter umkämpften Generikageschäft stagnierten die Einnahmen von Sandoz im ersten Halbjahr bei 3,7 Milliarden Dollar. Der Konzern hat sich zum Ziel gesetzt, innerhalb der nächsten Jahre den Anteil von Biosimilars am Gesamtumsatz von jüngst knapp 27 Prozent weiter auf rund 30 Prozent zu erhöhen. Auf längere Sicht sollen dem Unternehmen auch die insgesamt 23 Biosimilars zu Wachstumsimpulsen verhelfen, die sich zurzeit noch in der Entwicklung befinden.

Der Aufbau der Pipeline liegt in der Hauptverantwortung des Chief Commercial Officer, dessen Funktion ab Anfang September neu von Rebecca Guntern bekleidet werden wird. Die 52-jährige Walliserin leitete bis anhin das Europageschäft von Sandoz. In ihrem neuen Amt dürfte Guntern die ranghöchste Schweizer Managerin in der Pharmabranche sein. Bis zu ihrem überraschenden Ausscheiden vor knapp einem Jahr wurde diese Ehre der Westschweizerin Marie-France Tschudin zuteil, welche die Pharmasparte von Novartis leitete.

Gegenüber der NZZ äussert sich Guntern befriedigt, dass Sandoz nicht nur über eine aussichtsreiche Pipeline verfüge, sondern auch die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Tätigkeit in den USA erarbeitet habe. «Wir haben den Schlüssel gefunden, um den US-Markt zu öffnen.»

Sandoz hatte sich mit dem starken Preisdruck in Amerika lange Zeit schwer getan, doch in der ersten Jahreshälfte wuchs der Konzern dort um 14 Prozent. Weltweit betrug die Umsatzzunahme 6 Prozent.

Offen ist, wie weit die Aktien von Sandoz nach den jüngsten starken Gewinnen Potenzial für weitere kurzfristige Kurssteigerungen haben. Marktbeobachter der Helvetischen Bank halten es für weitgehend ausgeschöpft: «Unserer Meinung nach entspricht dies langsam, aber sicher einer fairen Bewertung, denn auch Pharmaunternehmen wie Roche und Novartis handeln auf vergleichbaren Niveaus.»

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