Der französische Aktienmarkt zeigt die schlechteste Performance aller europäischen Börsen. Das politische Chaos im Inland belastet die Aktien, aber auch die Abhängigkeit vom Absatz von Luxusgütern.

«L’exception française» – die französische Ausnahme – gilt auch an den Finanzmärkten. Die Börsen in den USA und teilweise auch in Europa markieren fast täglich neue Höchststände. Der deutsche DAX steht dieses Jahr 20 Prozent im Plus, die spanische Börse ebenso. Sogar der konservative Schweizer SMI hat 5 Prozent zugelegt.

Nicht die französische Börse, sie kam dieses Jahr kaum vom Fleck. Seit Staatspräsident Emmanuel Macron das Land nach Auflösung des Parlaments im Juni in die Regierungskrise stürzte, hat der französische Leitindex CAC 40 zeitweise fast zehn Prozent verloren. Die Pariser Börse zeigt damit die schlechteste Performance in Europa.

Der Grund ist vordergründig die Unsicherheit. Denn das politische Chaos ist noch lange nicht ausgestanden. Die Regierung von Premierminister Michel Barnier trat zwar am Donnerstag vergangener Woche zurück. Ihr war es nicht gelungen, ein Budget durchs Parlament zu bringen, um das hohe Staatsdefizit einzudämmen. Nun muss Macron einen neuen Premier ernennen, der von links bis rechts toleriert wird.

Doch was als politisches Vakuum daherkommt, bedeutet kurzfristig Stabilität: Das Parlament wird bis zu möglichen Neuwahlen im Sommer nicht in der Lage sein, grössere wirtschaftliche Veränderungen zu beschliessen. Solange die französischen Politiker nichts entscheiden können, werden sie keinen Schaden anrichten, so die Hoffnung.

Der CAC 40 hat ein Luxus-Problem

Kurzfristig ist das gut für die Börse. So haben sich die französischen Finanzmärkte dank dem politischen Vakuum beruhigt. Der wichtigste Messwert für das politische Risiko, die Differenz zwischen den Renditen 10-jähriger französischer und deutscher Anleihen, der «Spread», ist wieder geringer geworden. Die Nervosität über Frankreichs Finanzsituation hat abgenommen.

Der CAC 40 hat seit dem Rücktritt der Regierung Barnier sogar zugelegt. Besonders die Aktien grosser Luxuskonzerne wie LVMH, Kering und Hermès machten einen Kurssprung. Insbesondere LVMH und Kering mussten in den vergangenen Monaten wegen der lahmenden chinesischen Wirtschaft und der wenig spendierfreudigen Konsumenten in China schwierige Zeiten durchleben. Luxuskonzerne wie LVMH oder Richemont aus der Schweiz sind in hohem Masse von China und Hongkong als Absatzmärkten abhängig.

Die Regierungskrise ist somit nicht der einzige Grund, der die französische gegenüber anderen europäischen Börsen zurückhält. Zumal Frankreich für die CAC-40-Konzerne gar nicht so wichtig ist. Der französische Markt macht weniger als 15 Prozent des Umsatzes der 40 Unternehmen aus dem Index aus. Da diese kotierten Unternehmen auch nicht sehr stark verschuldet sind, leiden sie nicht unter dem Anstieg französischer Schuldzinsen, da sie sich nicht oft refinanzieren müssen.

Ein grösseres Problem ist die hohe Konzentration. Der CAC 40 wird von den Schwergewichten LVMH, Hermès und L’Oréal dominiert. Gemäss einer Auswertung des Vermögensverwalters Amundi ist die schlechte Performance auch auf diese Zusammensetzung zurückzuführen, die sich stark auf Luxus abstützt und auf Konsumgüter, die nicht zum Grundbedarf gehören, etwa Kosmetika.

Eine Dominanz weniger Titeln ist keine französische Eigenheit. Im deutschen DAX sind die Aktien des Softwarekonzerns SAP dominant, in den Niederlanden jene des Chip-Industrie-Zulieferers ASML, in der Schweiz haben Nestlé und Roche ein sehr grosses Gewicht. Und die Performance der amerikanischen Börsen wird stark von den sieben Tech-Giganten bestimmt, darunter Nvidia, Apple und Microsoft.

Gefahr einer «boucle fatale»?

Ein Sektor, der aber weiterhin stark unter der verfahrenen politischen Situation leiden dürfte, sind die Banken. Simon Outin, Leiter des Bereichs Finanzsektor-Research bei Allianz Global Investors, geht davon aus, dass die Profitabilität der französischen Banken auch in den kommenden Monaten unter Druck bleiben wird, selbst wenn sich die Institute an das neue Umfeld anpassen werden.

Das Problem der französischen Banken ist, dass sie einer der grössten Gläubiger französischer Staatsanleihen sind. Die sechs grössten Institute halten zusammen fast ein Fünftel aller ausstehenden Bonds. Das entspricht Anleihen im Gegenwert von rund 1500 Milliarden Euro. Gemäss Outin haben die Banken zwar die Lehren aus der Euro-Krise vor zehn Jahren gezogen, kurzfristige Zinsschwankungen würden ihnen nicht viel ausmachen. Aber es gebe die Gefahr einer «boucle fatale», also einer fatalen Schleife zwischen Staats- und Bankenschulden.

Diese könnte in einem Stress-Szenario eintreten, wenn der französische Staat länger Schwierigkeiten haben sollte, sich am Anleihemarkt zu refinanzieren, und es deshalb zu einem Liquiditätsengpass käme. Von einer solchen Situation ist Frankreich aber weit entfernt. Auch dass die Einlagen der französischen Banken bei der Banque de France eingefroren würden, ist wenig wahrscheinlich – dafür müsste es gemäss Outin zu einem «extrem schlimmen Szenario» kommen, bei dem das Euro-System nicht mehr funktionieren würde.

Pariser Börse hat Aufholpotenzial

Insofern sind die französischen Banken zu stark abgestraft worden: Grossbanken-Aktien wie BNP Paribas oder Crédit Agricole notieren weit unter ihren Ständen von Mitte Juni. Auch andere französische Blue-Chip-Aktien haben sich nicht vom Schock der Juniwahlen erholt.

Dabei erachten viele Marktbeobachter das politische Risiko als schon lange «eingepreist». Für Arthur Jurus, Anlagechef bei der Bank Oddo BHF, macht das den CAC 40 «sehr attraktiv», weil er weiterhin Zugang zu hochwertigen Unternehmen mit geringer Verschuldung, starken Cashflows und guten Gewinnaussichten biete.

Auch die Aussichten für Staatsanleihen werden besser. So haben alle grossen Agenturen das Qualitäts-Rating Frankreichs bestätigt. S&P etwa hat die AA-negativ-Bewertung beibehalten: Französische Anleihen würden von einem günstigen Umfeld im Zuge der Lockerungspolitik der Europäischen Zentralbank und der nachlassenden Inflation profitieren.

Die Analysten von Lombard Odier gehen davon aus, dass die Renditen französischer Anleihen weiter sinken, die Spreads aber nicht ansteigen werden. Frankreich sei in der Lage, seine Schulden im Inland zu finanzieren, und das Leistungsbilanzdefizit sei geringer als in Grossbritannien oder in den Vereinigten Staaten.

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