Einbrüche, Diebstähle, Belästigungen: Lang hatten sich die Einwohner von Boudry gegen die Probleme mit Asylsuchenden gewehrt. Jetzt hat sich die Situation entspannt. Ihre eingereichte Petition sei trotzdem nötig, sagen sie.

Mit weissen Ballonen in Form von Friedenstauben haben Bürger von Boudry vergangenen Dienstag der Neuenburger Staatsrätin Florence Nater (SP) ihre Petition überreicht: Sie fordern eine umfassende Veränderung des Bundesasylzentrums (BAZ), und zwar schnell. «Wir sind mit der Geduld am Ende», sagt Dastier Richner, Einwohner von Boudry und Präsident des Vereins, der die Petition im Februar lanciert hat.

Mehrere Jahre lang hatten die Einwohner von Boudry Einbrüche, Diebstähle und Belästigungen durch Asylsuchende beklagt. Sie hätten Angst um ihre Kinder, Angst um Hab und Gut. Nicht nur die Bürger, auch der Kanton Neuenburg fühlte sich mit dem grössten Bundesasylzentrum der Schweiz überfordert. Schliesslich intervenierte der Staatsrat sogar beim Bund wegen der anhaltenden Probleme: Anfang Februar schickte er dem Bundesrat einen Brief und drohte, die Verträge für das BAZ einseitig zu kündigen, sollte er keine Unterstützung erhalten. Das hatte es in der Schweiz noch nie gegeben.

Situation derzeit unter Kontrolle

Jetzt habe sich die Situation in Boudry entspannt, heisst es vonseiten des Staatsrats. Dazu beigetragen hat unter anderem die Reduktion der Zahl von Asylsuchenden im Zentrum. 285 sind es gemäss dem Staatssekretariat für Migration (SEM) derzeit im Schnitt, Platz hätte es für 480 Personen – zeitweise waren aber über 600 Asylsuchende in Boudry untergebracht. «Es kann nicht sein, dass ein Bundesasylzentrum aus allen Nähten platzt», sagt Richner. Allein letztes Jahr hätten 7000 Asylsuchende das Bundesasylzentrum durchlaufen – das Dorf selbst hat gerade einmal 6000 Einwohner.

Eine tiefere Zahl an Asylsuchenden habe bereits grosse Auswirkungen auf ein Dorf wie Boudry, sagt Richner. Er bestätigt, dass sich die Lage in den letzten zwei Monaten beruhigt habe. Nebst der Reduktion der Personen haben Bund, Kanton und Gemeinde weitere Massnahmen zur Besserung der Sicherheitslage umgesetzt. So sind etwa Sicherheitspatrouillen auf den Strassen und in den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs. Richner begrüsst die höhere Präsenz an Sicherheitspersonal: «Gerade im öffentlichen Verkehr fühlten sich junge Frauen oft belästigt.»

Weiter intervenieren Sozialarbeiter direkt auf der Strasse, um die Beziehungen zwischen den Einheimischen und den Asylsuchenden zu verbessern. Auch gibt es Beschäftigungsprogramme und Freizeitangebote im Zentrum. Zudem führt der Kanton Gespräche mit anderen Kantonen, um eine bessere Verteilung der Asylsuchenden auf die Zentren voranzubringen. Allein in Boudry werden 26 Prozent aller Asylgesuche behandelt. Der Grund: Es ist das einzige französischsprachige Bundesasylzentrum mit Verfahrensfunktion.

Der Besuch von Justizminister Beat Jans im März war ebenfalls eine Reaktion auf den Unmut in Boudry. Welche Auswirkungen das von Jans im Mai eingeführte 24-Stunden-Verfahren für Asylsuchende aus als sicher eingestuften Ländern auf die Asylzentren hat, könne man aber noch nicht sagen, heisst es beim SEM, dafür sei es noch zu früh.

Neue Flüchtlingswelle erwartet

Auch wenn sich die Lage inzwischen gebessert hat: Alle Sorgen sind in Boudry noch nicht weggewischt. Im Herbst wird mit einer neuen Welle an Flüchtlingen gerechnet; das SEM geht davon aus, dass die Asylgesuche im Frühherbst einen neuen Höchststand erreichen. Richner sagt: «In dieser geopolitisch sehr instabilen Lage müssen Kanton und Bund handeln, um unsere Sicherheit zu gewährleisten.» Deshalb haben er und sein Verein die Petition, die von rund 2300 Personen unterzeichnet wurde, dennoch eingereicht.

Sie fordern, dass das BAZ zu einer Einrichtung ausschliesslich für Frauen und Familien wird oder aber innerhalb von sechs Monaten zugeht. Die Staatsrätin Florence Nater liess allerdings bereits durchblicken, dass dieses Anliegen kaum Chancen haben wird: «Wir werden Ihre Petition an den Bund weiterleiten», erklärte die Staatsrätin gegenüber den Petitionären, «aber um ehrlich zu sein, ist das, was Sie fordern, als solches nicht realisierbar.»

Der Wunsch, das Zentrum lediglich für Frauen und Familien zu öffnen, kommt nicht von ungefähr: Es sind vor allem junge Männer aus den Maghreb-Staaten, die im Kanton Neuenburg für Probleme sorgen. 2020 waren sie für 80 Prozent der Diebstähle verantwortlich, die sich im Kanton zugetragen hatten, so die Zahlen der Polizei. Das SEM hält aber fest: Die grosse Mehrheit der Asylsuchenden verhalte sich korrekt, es sei nur ein kleiner Teil, der ein unsoziales Verhalten an den Tag lege.

Auch die alternative Forderung der Petition – die komplette Schliessung des BAZ – ist unrealistisch: Der Dienstbarkeitsvertrag zwischen Bund und Kanton läuft 2033 aus. Auf Anfrage bestätigt der Kanton, dass eine Verlängerung zur Diskussion steht. Verhandlungen dürften aber nicht vor 2028 anlaufen. Richner sagt: «Wird über eine Verlängerung diskutiert, fordern wir, dass das Volk konsultiert wird und es zu einer Abstimmung kommt. Das haben wir Frau Nater auch so gesagt. Man kann nicht einfach über unsere Köpfe hinweg entscheiden.»

Exit mobile version