2006 hat der Schriftsteller Daniel de Roulet in einem Buch gestanden, das Ferienhaus von Axel Springer in Brand gesteckt zu haben. Nun gibt es Zweifel an seiner Täterschaft.
In der Nacht auf den 6. Januar 1975 brannte in Gstaad das Ferienhaus des deutschen Verlegers Axel Springer bis auf die Grundmauern nieder. Die Spuren um das Haus, Beobachtungen von Zeugen und die forensischen Untersuchungen deuteten auf eine Brandstiftung hin. Die Ermittlungen führten zu keinen Ergebnissen.
Allerdings hatten sich zwei offenkundig ganz unterschiedliche Urheber zur Tat bekannt. Schon am Tag nach dem Anschlag traf bei zahlreichen Schweizer Zeitungen ein in Lausanne aufgegebenes anonymes Bekennerschreiben ein, was am 8. Januar in der NZZ vermeldet wurde. Am 11. Januar wiederum erhielt die französische Presseagentur AFP einen Bekenneranruf, der aus Kreisen der RAF zu stammen schien. Darin hiess es, der Anschlag auf das zum Zeitpunkt der Brandstiftung leere Haus sei eine Warnung an den Springer-Konzern. Es würden härtere Aktionen folgen.
Die Straftat blieb ungeklärt und ungesühnt. Bis ins Jahr 2006. Da überraschte der Schweizer Schriftsteller Daniel de Roulet die Öffentlichkeit mit seinem Buch «Ein Sonntag in den Bergen», dessen Gattungsbezeichnung «Ein Bericht» höchste Authentizität versprach. De Roulet macht ein sonderbares Bekenntnis, das er in eine Liebesgeschichte einbettet und für das «Geständnis» das falsche Wort wäre: Er brüstet sich mit der Behauptung, der Brandanschlag von 1975 gehe auf sein Konto. Er tut es mit der etwas frivolen Leichtigkeit dessen, der keine Folgen zu fürchten hat, denn die Verjährungsfrist ist längst verstrichen.
Zum Beweis schilderte er in vielen Einzelheiten – einschliesslich etlicher Intimitäten mit seiner damaligen Freundin und Komplizin –, wie er vorgegangen und mit welcher Zündvorrichtung er das Haus in Brand gesteckt hatte. Er vergass auch nicht, darauf hinzuweisen, dass er alles unternommen habe, um niemanden mit dem Brand des einsam stehenden Hauses zu gefährden. Ausserdem zitierte er aus dem anonymen, angeblich von ihm verfassten Bekennerschreiben, in dem es heisst, die Tat gegen den Springer-Verleger stünde «in der Tradition des Widerstands gegen den Nationalsozialismus».
Neuauflage zum Jahrestag
Das Buch wirbelte vor bald zwanzig Jahren etwas Staub auf. Argwöhnische Geister mutmassten, dass de Roulet die Geschichte erfunden hatte. Indessen geriet die Sache wieder in Vergessenheit. Bis vor ein paar Tagen. Denn der bald 81-jährige bekennende Brandstifter bedauerte, dass das Buch längst vergriffen ist. Also bat er seinen Zürcher Verlag, den fünfzigsten Jahrestag des Brandanschlags mit einer Neuauflage zu begehen.
Darauf nimmt die Wochenzeitung «Die Zeit» das Thema auf und ruft den Schriftsteller an, der den Redaktoren ins Mikrofon diktiert: «Ich bereue nichts.» Um dann süffisant hinzuzufügen: «Ausser Springer für einen Nazi gehalten und ihm das Liebesnest genommen zu haben.» Etwas tiefer bohren die Journalisten der «Welt» aus dem Springer-Konzern. Sie steigen hinunter in die Archive des Verlags und finden dort eine Kopie des Polizeiberichts.
Allerdings beruht dieser Bericht auf forensischen Ermittlungen, die wegen der Schneemassen nicht bereits im Januar, sondern erst zwischen dem 10. und dem 12. Juni 1975 gemacht wurden. Unter der Annahme, dass in der Zwischenzeit an der Brandruine keine Manipulation vorgenommen wurde, widerspricht die Spurensicherung der Zürcher Forensiker de Roulets Darstellung: Als Zeitzünder will er Kerzen verwendet haben. Die Forensiker jedoch stiessen, so berichtet es die «Welt», auf einen Wecker sowie eine Batterie, die über Kabel an Glühbirnen mit entfernten Glaskolben angeschlossen war. Die Zündvorrichtung soll gemäss «Welt» stark an Konstruktionen erinnern, die von der RAF verwendet worden seien.
Der Artikel mündet in zwei mögliche Erklärungen für die abweichende Schilderung des Tathergangs: Daniel de Roulet hat die Geschichte frei erfunden, oder er war ein Handlanger der RAF und versucht es zu verschleiern.
Trotzig und unbelehrbar
Wir rufen Daniel de Roulet an und erreichen ihn auf dem Weg zu einer Beisetzung: «Das ist alles Unfug, was in der ‹Welt› steht», sagt er. Er habe aber keine Zeit und melde sich später wieder. Dann erhalten wir eine Stellungnahme unter der Überschrift: «Die Fake News der Springer Presse». De Roulet stellt darin die Stichhaltigkeit des Polizeiberichts infrage und korrigiert tatsächliche Fehler in der Darstellung der «Welt», der entgangen war, dass das anonyme Bekennerschreiben in der Schweizer Presse publiziert worden war. Letzteres ist unerheblich, weil marginal, Ersteres aber wenig plausibel, wenn man nicht an eine Verschwörung glaubt.
De Roulet weist dann noch auf ein Phantombild hin, das aufgrund von Zeugenaussagen von dem Täter gemacht worden sei. Es gleiche ihm sehr stark, es sei aber bloss in Deutschland verteilt worden, weil man eine RAF-Täterschaft vermutet habe. Wäre es in der Schweiz verbreitet worden, hätte man ihn sofort erkannt.
So kommt er zu einer unfreiwillig komischen Schlussfolgerung. Er hält die Version der «Welt» für «unbegründet und verleumderisch». De Roulet lässt offen, was er daran für verleumderisch hält: ob den Verdacht auf seine RAF-Nähe – oder dass man ihm die Täterschaft streitig macht. So hält er abschliessend fest, halb heroisch, halb trotzig: «Ich bleibe bei meiner Version.»