Mittwoch, November 27

Er pflegte zusammen mit seiner Partnerin jahrelang ein lukratives Geschäft durch illegale Indoor-Hanfanlagen. Als sie ihm den Laufpass gab, tickte er aus.

Es war etwa 5 Uhr 25 in der Früh, als ein heute 35-jähriger Deutscher im Juli 2022 im obersten Stockwerk eines Mehrfamilienhauses in Zürich Schwamendingen ein Feuer legte. Dafür hatte er einen grünen Gartenschlauch und einen Benzinkanister mitgebracht. Er füllte den Gartenschlauch mit Benzin und versuchte, diesen mit Kittmasse entlang einer Wohnungstüre zu befestigen.

In der Wohnung hatte er jahrelang selber mit seiner Partnerin gelebt. Diese hatte ihm aber kurz zuvor den Laufpass gegeben. Nun wohnte sie dort mit ihrem neuen Freund, der ein ehemaliger Kollege des Beschuldigten war. Laut der Anklage wollte sich der Beschuldigte für den «Rausschmiss» aus der gemeinsam bewohnten Wohnung und das Ende der Beziehung rächen.

Er nahm ein Feuerzeug. Das brennende Benzin gelangte unter dem Türspalt hindurch in die Wohnung und verursachte in kürzester Zeit einen Brand mit einer bis zur Decke reichenden Stichflamme, einer «tiefschwarzen Rauchentwicklung» und einer grossen Hitze. Der Fluchtweg war den beiden Opfern versperrt. Sie flüchteten auf den Balkon. Die Feuerwehr konnte die beiden rechtzeitig mit einer Autodrehleiter aus 10 Metern Höhe retten.

Die Ex-Freundin erlitt angesengte Kopfhaare und durch das Erlebte eine depressive Episode, die eine zeitweilige Arbeitsunfähigkeit bedingte. Ihr neuer Freund musste wegen Rauchgases im Spital mit Sauerstoff versorgt werden. Auch dem 72-jährigen Bewohner der Nachbarwohnung wurde die Flucht durch das Treppenhaus verunmöglicht. Er blieb aber unverletzt. Der Gesamtschaden belief sich auf rund 150 000 Franken.

12 Vorstrafen und Drogenmissbrauch

Zwischen Juli 2018 und Juli 2022 hatte der Beschuldigte ausserdem zusammen mit seiner Ex-Freundin an drei Standorten illegale Indoor-Hanfanlagen betrieben. Insgesamt soll er rund 80 Kilogramm Marihuana geerntet und von dessen Verkauf seinen Lebensunterhalt bestritten haben. Zudem konsumierte er selber ein Durcheinander von Substanzen: laut Anklage Amphetamin, Kokain, MDA, MDMA, Ecstasy, Lachgas, Ketamin und Oxycodon.

Im Prozess vor dem Bezirksgericht Zürich gibt der 35-Jährige alle schwerwiegenden Vorwürfe unumwunden zu. Nur bezüglich einiger Nebendelikte wie eines Motorraddiebstahls hat er Vorbehalte. Er ist deutscher Staatsangehöriger, lebt seit 2017 in der Schweiz und arbeitete vor der Pandemie erfolgreich als Kellner in einer renommierten Bar, dann verlor er seinen Job. Seit zwei Jahren sitzt er in Haft. Dadurch sei er jetzt auch drogenfrei und es gehe ihm «ganz gut», sagt er. Er wolle die Haft nutzen, um eine Lehre als Schreiner oder Tischler zu absolvieren.

Der Gerichtsvorsitzende zählt insgesamt 12 Vorstrafen auf, viele davon Jugendstrafen, die meisten begangen in Deutschland, alles Freiheitsstrafen nur auf Bewährung: Diebstähle, Drogendelikte, räuberische Erpressung, Tätlichkeiten, Erschleichung von Leistungen. Was der Grund für die vielen Delikte sei, will der Richter wissen: Er sei ohne Vater aufgewachsen und habe kein Vorbild und keine starke Hand gehabt.

«Das Justizsystem in Deutschland war zu nett zu mir», sagt der Mann, der im Gerichtssaal auffallend freundlich und respektvoll auftritt. In der Untersuchung hatte er – laut seinem Verteidiger – einmal zu Protokoll gegeben: «Hätten sie mich doch besser einmal richtig eingesperrt. Heute weiss ich, wie es ist, ich hätte etwas gelernt.»

«Es war hirnverbrannt, so etwas zu tun», kommentiert er die Brandstiftung, die ihm sehr leidtue. Er habe sich aber seither verändert. «Derjenige, der das gemacht hat, ist nicht derjenige, der jetzt vor ihnen steht.» Er sei an jenem Abend nach einem Barbesuch alkoholisiert und frustriert in der Gegend herumgelaufen und habe auf einer Müllhalde mehrere Möbelstücke gesehen, die er selber angefertigt habe und eigentlich noch aus der Wohnung habe abholen wollen.

Weshalb genau er die Wohnung aber angezündet habe, könne er heute nicht mehr sagen. Es habe einen dumpfen Knall und eine Stichflamme gegeben. Er habe alles liegenlassen und sei weggerannt. Daran gedacht, dass auch noch andere Leute im Haus gewesen seien, habe er nicht. Und ein Mobiltelefon, um die Feuerwehr zu alarmieren, habe er nicht bei sich gehabt. Mit dem Antrag der Staatsanwältin auf 8 Jahre Freiheitsstrafe und 10 Jahre Landesverweis ist er einverstanden. «Das ist in Ordnung», sagt er.

«Love or die»

«Love or die» – liebe oder sterbe – sei das Credo des Beschuldigten bei der Brandstiftung gewesen, führt die Staatsanwältin aus. Sein Motiv: Kränkung. Er habe rein egoistisch gehandelt. Im Laufe der Untersuchung habe sich der Beschuldigte aber durchaus zu einem sympathischen jungen Mann entwickelt, der bereit sei, sein Leben noch zu ändern. 8 Jahre sei jedoch das unterste Limit für die Straftaten. Man könne durchaus auch über 10 Jahre beantragen, meint sie.

Laut dem Verteidiger sei der «kaltherzige Rauswurf» durch die Freundin aus der Wohnung die grösste Schmach für den Beschuldigten gewesen. «Dein Freund kann bleiben, du kannst gehen», habe sie zu ihm gesagt. Bei der Brandstiftung habe er einfach gehofft, dass nichts Schlimmes passiere. Der Verteidiger beantragt eine Freiheitsstrafe von 7 Jahren.

Das Urteil wird zwar noch am gleichen Abend gefällt, aber erst mehrere Tage nach dem Prozess eröffnet. Der 35-jährige Beschuldigte wird in den eingestandenen Hauptdelikten schuldig gesprochen. In drei leichteren Nebenpunkten erfolgen Freisprüche. Er erhält eine Freiheitsstrafe von 7 Jahren und 3 Monaten für qualifizierte Brandstiftung und weitere Delikte sowie 500 Franken Busse. 811 Tage hat er schon abgesessen.

Er wird für 10 Jahre des Landes verwiesen. Seine Ex-Freundin bekommt eine Genugtuung von 7500 Franken. Rund 26 000 Franken Schadenersatz werden direkt zugesprochen. Im Übrigen wird die grundsätzliche Schadenersatzpflicht des Beschuldigten festgehalten. Bei der Strafzumessung erhält er einen Strafrabatt von zwei Dritteln für das Geständnis, sonst hätte es tatsächlich über 10 Jahre gegeben.

Urteil DG240105 vom 8. 11. 2024, noch nicht rechtskräftig.

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