Sonntag, September 29

Die Verteilung der SNB-Gewinne an den Bund und die Kantone sorgt regelmässig für Kontroversen. Das wäre laut Avenir Suisse nicht länger der Fall, wenn das Geld direkt dem Volk ausbezahlt würde.

Wenn etwas nicht kaputt ist, soll man es nicht reparieren. Diese Weisheit gilt auch in der Politik. Es ist daher fraglich, ob bei der Schweizerischen Nationalbank (SNB) grosse Korrekturen nötig sind. So hat die SNB ihren Auftrag in den vergangenen Jahren besser erfüllt als die meisten anderen Zentralbanken. Zudem geniesst die Institution breite Unterstützung in der Bevölkerung. Auf der Liste der reformbedürftigen Organisationen der Schweiz steht die SNB ziemlich weit unten.

Aber Verbesserungen sind immer möglich. Getreu diesem Motto und ihrer Aufgabe nimmt der liberale Think-Tank Avenir Suisse den baldigen Wechsel an der Spitze der SNB zum Anlass, einige Reformen vorzuschlagen. Zwar spricht auch die Denkfabrik Lob dafür aus, dass es der Nationalbank in den letzten Jahren gut gelungen sei, ihre Kernaufgabe zu erfüllen und für stabile Preise zu sorgen. Damit das so bleibt, schlägt man aber vor, die Unabhängigkeit der SNB zu stärken und die Bank besser vor politischen Angriffen zu schützen.

Gelingen soll dies mit drei Reformen:

1. Gewinnausschüttung direkt an die Bevölkerung

Die Idee: Politisch am brisantesten ist die Idee, die Gewinne der SNB nicht mehr an den Bund und die Kantone auszuschütten, sondern direkt an die Bevölkerung. Erfolgen könnte dies etwa durch Steuergutschriften, über die Krankenkassenprämien oder anlog zur bereits bestehenden Rückverteilung der CO-Abgabe. Ausgehend von den Ausschüttungen der letzten zwanzig Jahre könnten Schweizer Bürger mit einer Zahlung in der Grössenordnung von 110 bis 440 Franken pro Jahr und Person rechnen.

Das Ziel: Heute ist die Ausschüttungspolitik der SNB stark politisiert. Viele Kantone kalkulieren mit den Geldern und lassen dies die SNB auch wissen. Um dem entgegenzuwirken, sollte die Gewinnverteilung möglichst breit sein. Eine «Zersplitterung» der Ansprüche an die SNB reduziere den politischen Druck, betont Avenir Suisse. Das würde es der SNB auch erleichtern, ihre seit der Finanzkrise stark gesunkene Eigenkapitalquote durch die Einbehaltung von Gewinnen wieder zu stärken.

Was bringt es? Politiker, die es auf die SNB-Bilanz abgesehen haben, argumentieren oft, hier gehe es um Volksvermögen. Daraus ziehen sie aber nie den Schluss, dass die Erträge dieser Bilanz konsequenterweise auch direkt zum Volk fliessen sollten. Denn Politiker wollen das Geld selber ausgeben. Entsprechend chancenlos dürfte die Forderung sein, die Zahlungen an Bund und Kantone zu stoppen. Sie taugt allenfalls als Drohkulisse für den Fall besonders dreister Forderungen an die SNB.

Dennoch, eine Ausschüttung direkt ans Volk hätte durchaus eine Entpolitisierung der SNB-Bilanz zur Folge. Denn die Interessen der breiten Bevölkerung sind im politischen Prozess viel schlechter vertreten als jene von kompakt organisierten Lobbys. Konsumenten mögen beispielsweise noch so sehr über hohe Agrarpreise klagen, gegen die gut geölte Lobby der Bauern sind sie chancenlos. Flössen die SNB-Gewinne ans Volk, verlöre das politische Gerangel um diese Gelder an Vehemenz.

2. Ein Mandat mit Verfassungsrang

Die Idee: Der zweite Vorschlag zielt auf das Mandat der SNB. Dieses besteht vorrangig aus der Gewährleistung der Preisstabilität. Anders als die Unabhängigkeit der SNB steht es nicht in der Verfassung, sondern nur im Nationalbankgesetz. «Dieses staatsrechtliche Ungleichgewicht ist aus geldtheoretischer Sicht problematisch, da Unabhängigkeit und Mandat sich gegenseitig bedingen», schreibt Avenir Suisse. Gefordert wird daher, auch das Mandat in die Verfassung zu hieven.

Das Ziel: Bei Avenir Suisse zeigt man sich überzeugt, dass die Stabilität des Frankens besser zu gewährleisten wäre, wenn die Verpflichtung zur Preisstabilität in der Verfassung statt im Gesetz stünde. «Es würde die Glaubwürdigkeit der SNB erhöhen, niedrige Inflationserwartungen verankern und somit die geldpolitische Zielerreichung vereinfachen», heisst es. Dahinter steht die Hoffnung, dass sich Politiker mit Angriffen auf die Verfassung eher zurückhalten als mit Angriffen auf Gesetze.

Was bringt es? Der Vorschlag, dem Mandat rechtlich mehr Gewicht zu geben, ist löblich. Dass dies viel ändern würde an der Geldpolitik, ist aber fraglich. Entscheidend ist nicht, wo das Mandat steht, sondern dass die SNB den Willen und die Kompetenz hat, es zu erfüllen. Das war bisher auch mit einem Mandat auf Gesetzesstufe der Fall. Zudem gilt: Mancher Verfassungsartikel der Schweiz ist nie umgesetzt worden, auch Bestimmungen mit Verfassungsrang sind nicht gefeit gegen Missachtung.

3. Pflicht zu marktneutraler Anlagepolitik

Die Idee: Die Bilanz der SNB ist seit der Finanzkrise massiv gewachsen, und zwar als Folge der Devisenkäufe, mit denen die Aufwertung des Frankens verhindert werden sollte. An Gewicht gewonnen hat daher die Anlage der Währungsreserven. Geht es nach Avenir Suisse, sollten diese Anlagen marktneutral und somit möglichst breit diversifiziert sein. Ein Ausschluss von legal operierenden Unternehmen aus politischen Motiven oder Renditezielen wäre somit nicht möglich.

Das Ziel: Die politischen Ansprüche an die Anlagepolitik der SNB werden zahlreicher. Am bekanntesten sind die Forderungen nach einer stärker klimapolitischen Ausrichtung. Aber auch Rufe nach Krypto-Anlagen oder nach der Äufnung eines Staatsfonds mit den SNB-Milliarden sind ein Dauerbrenner. Der Druck komme aus allen Lagern, schreibt Avenir Suisse. Dies untergrabe die Neutralität der SNB. Daher will man die SNB mit einer «präventiven Selbstbindung» vor Druckversuchen schützen.

Was bringt es? Die Idee mag unspektakulär tönen, sie wäre aber geeignet, die SNB ein Stück weit aus der politischen Schusslinie zu nehmen. So lähmen Streitereien zur Frage, welche Anlagen die SNB tätigen soll und welche nicht, seit Jahren die Generalversammlungen der SNB. Doch eine Notenbank sollte keine Strukturpolitik betreiben; sie sollte nicht bestimmte Sektoren bevorzugen und andere meiden. Die Verpflichtung zu einem passiven Investieren würde dies erleichtern.

Avenir Suisse meint zu ihren Ideen: «Wenn man etwas verbessern will, lautet die erste Regel, es nicht zu verschlechtern.» Diese Regel wird eingehalten. Die drei Vorschläge legen der SNB keine Fesseln an, sondern wollen ihre Unabhängigkeit stärken. Das zielt in die richtige Richtung. Denn die Geschichte lehrt: Wenn sich Regierungen der Zentralbanken bemächtigen oder die Grenzen zwischen Finanz- und Geldpolitik verschwimmen, gerät die langfristige Preisstabilität rasch in Gefahr.

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