Samstag, Oktober 5

Unter dem Labour-Premierminister Starmer schlägt Grossbritannien einen kritischeren Kurs gegenüber Israel ein als unter der konservativen Vorgängerregierung. Mit dem partiellen Exportverbot für Waffen erntet die Regierung Kritik.

Mit dem Entscheid, gewisse Waffenexporte nach Israel zu verbieten, haben der britische Premierminister Keir Starmer und sein Aussenminister David Lammy in ein politisches Wespennest gestochen. Der einstige Regierungschef Boris Johnson fragte sich auf der Plattform X, warum die neue Labour-Regierung Israel fallen lasse und ob sie sich einen Sieg der Hamas wünsche. Und der Oberrabbiner in Grossbritannien, Ephraim Mirvis, erklärte, das Vorgehen der Regierung in London sei «völlig unfassbar», zumal sich Israel in einem Mehrfrontenkrieg um seine schiere Existenz befinde.

Lammy hatte sich bei der Verkündung des Entscheids am Montag im Unterhaus noch vorsorglich darum bemüht, die Wogen zu glätten. Der Aussenminister betonte, die britischen Gesetze verpflichteten die Regierung zur Prüfung, ob mit den exportierten Waffen Verletzungen des humanitären Völkerrechts begangen werden könnten. Entsprechende Prüfungen wurden bereits unter der konservativen Vorgängerregierung eingeleitet. Nun kamen die zuständigen Beamten zu dem Schluss, dass beim Einsatz der Waffen im Gazastreifen ein «klares Risiko» von Verletzungen des Kriegsvölkerrechts bestehe.

Nur ein Teil der Exporte betroffen

Wortreich betonte Lammy, dass Grossbritannien das Selbstverteidigungsrecht Israels selbstverständlich anerkenne. Zudem masse sich die Regierung nicht an, zu beurteilen, ob Israel im Gazastreifen tatsächlich das humanitäre Völkerrecht verletzt habe. Weiter erklärte der britische Aussenminister, es handle sich ausdrücklich nicht um ein Waffenembargo, sondern um limitierte Exportbeschränkungen, die auf die Verteidigungsfähigkeit Israels keine namhaften Auswirkungen haben würden.

Im Gegensatz zu den USA und Deutschland ist Grossbritannien als Waffenlieferant für Israel unbedeutend, nur etwa 1 Prozent aller israelischen Waffenimporte stammen aus dem Vereinigten Königreich. Zudem werden konkret bloss 30 der 350 bestehenden Lizenzen für Waffenexporte nach Israel suspendiert.

Betroffen sind Bestandteile für die Anvisierung von Bodenzielen sowie für Militärflugzeuge, Helikopter und Drohnen, die im Gaza-Krieg zum Einsatz kommen. Nicht Teil des Exportverbots sind hingegen Komponenten der F-35-Kampfjets. Diese werden von rund zwanzig Ländern genutzt, weshalb die Regierung bei einem Exportverbot schwerwiegende Auswirkungen auf die globalen Lieferketten befürchtet hätte.

Diese Argumentation zeigt, dass für Labour beim Entscheid doch eher politische als juristische Erwägungen im Vordergrund standen. Einerseits wollten Starmer und Lammy die Parteilinke besänftigen, die seit langem eine scharfe Reaktion auf die israelische Kriegsführung in Gaza verlangt. Andererseits hatte die Regierung gehofft, mit dem bloss partiellen und militärisch kaum bedeutenden Exportverbot Israel nicht allzu sehr vor den Kopf zu stossen.

Kritik von allen Seiten

Insgesamt schlägt Labour gegenüber Israel einen kritischeren Kurs ein als die konservative Vorgängerregierung. So hat Starmer jüngst beschlossen, Gelder für das Uno-Hilfswerk UNRWA wieder freizugeben. Aufgegeben werden soll auch der Widerstand gegen die Pläne des Internationalen Strafgerichtshofs, der einen Haftbefehl gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu erwirken möchte.

Auch vor diesem Hintergrund hat das partielle Exportverbot von Waffen zu einer diplomatischen Verstimmung zwischen London und Jerusalem geführt. Netanyahu sprach von einem «schändlichen Entscheid». Innenpolitisch erntete der Versuch eines Kompromisses Kritik von allen Seiten. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International warf der Regierung vor, sie betreibe Symbolpolitik, die 90 Prozent der britischen Waffenexporte nach Israel ausklammere. Die parteiinterne Gruppierung «Labour Friends of Israel» teilte derweil mit, der Entscheid werde bloss Israels Feinde ermutigen und zu einer Eskalation statt zu einer Deeskalation im Nahen Osten beitragen.

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