Mittwoch, April 2

Die geplanten Direktzüge der SBB stehen vor grossen Hürden. Verkehrsexperten schlagen eine rascher realisierbare Alternative vor.

Die SBB arbeiten an einer neuen Verbindung mit Hochgeschwindigkeitszügen von der Schweiz nach London. Das Marktpotenzial sei vorhanden, liessen sie im März verlauten. Eine Studie habe gezeigt, dass die Verbindung machbar, aber anspruchsvoll sei. Die Studie wollen die Bundesbahnen aus Vertraulichkeitsgründen nicht vorlegen.

Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Aber ein Papier, das die Verkehrsexperten Kurt Metz, Peider Trippi und Kaspar Woker erstellt haben, zeigt, wie anspruchsvoll die Direktverbindung wird. Gemäss den Autoren ist eine zeitnahe Realisierung unrealistisch. Die notwendigen Investitionen in die Infrastruktur im Basler Bahnhof und ins Rollmaterial sowie die Rekrutierung und Schulung des mehrsprachigen Personals seien beträchtlich.

Leistungsfähige Toiletten

Die Züge nach London würden gewissermassen zur Schengen-Aussengrenze. In Basel SBB wären Anlagen für das Check-in sowie die Zoll-, Pass- und Sicherheitskontrollen und Aufenthalts- und Verpflegungsmöglichkeiten für bis zu 600 Passagiere zu erstellen. Für die Kontrolle der Pässe und des Gepäcks in Basel wären britische Beamte zuständig. Die Schweiz müsste dazu mit Grossbritannien ein Abkommen schliessen, nach dem Muster des Euro-Airports. Zudem wären in Basel SBB ein spezielles Gleis und ein Perron nötig, die sich am ehesten im französischen Bahnhofsteil realisieren liessen, der jedoch abgerissen werden soll.

Die Zugfahrt von Basel nach London würde ungefähr sechs Stunden dauern. Potenzial sehen die Autoren vor allem im touristischen Verkehr, da die Bahn für Geschäftsreisende nur bei längeren Aufenthalten eine Alternative zum Flugzeug sei. Das zu erwartende Passagieraufkommen rechtfertige einen Zug pro Tag.

Mehr noch: Die Kosten für das Personal im Terminal für nur wenige Verbindungen seien hoch, wie auch jene für das Personal in den Zügen. Die Benutzung der französischen Hochgeschwindigkeitsstrecken und des Kanaltunnels sei teuer. Die Anforderungen ans Rollmaterial wären hoch, da dieses nach der britischen Zollkontrolle in Basel ohne Halt verkehren würde. Es brauche genug Stauräume, Verpflegungsmöglichkeiten und leistungsfähige Toiletten. Für die Autoren steht fest, dass die Einführung von Direktzügen von der Schweiz nach London sehr ambitiös sei.

Umsteigen in Lille

Als Alternative schlagen sie vor, einen direkten neuen TGV von Basel nach Lille einzuführen. Dieser würde im Bahnhof Lille-Europe Anschluss an die bestehenden Eurostar-Hochgeschwindigkeitszüge von Brüssel und Amsterdam nach London bieten, die pro Tag zehn- bis zwölfmal verkehrten und freie Kapazitäten hätten.

In Lille-Europe seien die nötige Infrastruktur und das Personal vorhanden. Das Prozedere für die Grenzkontrolle und weitere Formalitäten dauere an allen Bahnhöfen, die die Eurostar-Züge bedienten, etwa gleich lang. Das Umsteigen wirke sich deshalb nicht auf die gesamte Reisezeit aus. Im Vergleich zum heutigen Angebot handelt es sich um eine Verbesserung, da der zeitraubende Wechsel zwischen den Pariser Bahnhöfen Gare de Lyon und Gare de Nord entfällt – und der Bahnhof Lille-Europe kleiner ist.

Die TGV nach Lille würden Paris über die Verbindungsstrecke via den Flughafen Charles de Gaulle umfahren. Am schnellsten wäre der Weg über die Hochgeschwindigkeitslinie Ost via Strassburg. Eine Verbindung über die stärker ausgelastete TGV-Strecke Rhin-Rhône via Dijon würde es erlauben, auch Marne-la-Vallée-Chessy und den dortigen Vergnügungspark Disneyland zu bedienen. Das würde zusätzliche Erträge bringen, wie auch eine Weiterführung der TGV von Lille nach Brüssel, wohin es seit Jahren keine Züge mehr ab Basel gibt.

Die Autoren sehen ihren Vorschlag als ersten Schritt. Ein umsteigefreies Angebot für Fahrten nach London aus der Schweiz könne zu einem späteren Zeitpunkt realisiert werden – unter Berücksichtigung der Marktentwicklungen. Auch die SBB dämpfen bereits die Erwartungen: Sie rechnen damit, dass die neue Direktverbindung frühestens im nächsten Jahrzehnt möglich ist.

Exit mobile version