Mittwoch, März 19

Das Zwinkern. Das Feinrippunterhemd. Als Actionheld stand er für eine lässige, kerngesunde Männlichkeit. Man will ihn nicht missen.

In der letzten Szene seiner grossen, rund 140 Film- und Fernsehauftritte umfassenden Schauspielkarriere sitzt Bruce Willis in einem Diner-Restaurant und bestellt ein grilliertes Käsesandwich. Ein Mann nimmt gegenüber Platz.

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«Ich habe überall nach dir gesucht», sagt der Kerl, der sich dem Zuschauer mit einem fiesen Lächeln als Bösewicht entlarvt. Er redet passiv aggressives Zeug. Willis erschlägt eine Mücke auf seinem Nacken, dann sagt er mit ruhiger Stimme: «Du bist tot, du Hurensohn.»

Der andere grinst immer noch: «Nur, wenn du mich zuerst findest», lautet seine etwas kuriose Antwort. Daraufhin zieht Willis ansatzlos einen Revolver unter dem Tisch hervor und knallt den Kerl, ohne mit der Wimper zu zucken, ab.

«Assassin» heisst der Film, es geht um Agenten, die sich in die Gehirne von Menschen versetzen können, um diese dann für tödliche Missionen fernzusteuern. Der Typ, der Willis beim Käsesandwich störte, ist offenbar manipuliert. Aber auch Willis hat einen bösartigen Mikrochip im Gehirn, der sich demnächst anschaltet. Es ist kompliziert.

Jedenfalls reicht er seine Waffe danach einer guten Agentin, die ihn erschiessen solle. Damit er nicht auch zur willenlosen Tötungsmaschine wird. «Ich spüre es bereits in meinem Kopf», sagt er. Die Frau hat verstanden, mit zitternder Hand drückt sie ab.

Unwürdiger Schlussakt

Glücklicherweise wird in dem Moment auf Schwarz geschnitten. Den toten Bruce Willis erspart uns der Film. Aber auch so markiert das hanebüchene, billig produzierte B-Movie, das 2023 auf den Markt kam, einen unwürdigen Schlussakt in der Karriere des Bruce Willis.

Die letzte Szene nimmt sich fast wie ein boshafter Wink des Schicksals aus. Noch vor Erscheinen des Films hatte Willis die Schauspielerei aufgeben müssen, weil in seinem Kopf etwas nicht mehr stimmte. 2022 machte der Actionstar zunächst öffentlich, dass er an Aphasie leide, die seine Sprachfähigkeiten stark beeinflusste. Anfang 2023 dann die fürchterliche Diagnose: Der Hollywoodstar hat frontotemporale Demenz.

Dabei handelt es sich um die häufigste Form von Demenz bei unter 60-Jährigen. «Sie trifft den Teil des Gehirns, der uns wirklich menschlich macht», so zitierte die «New York Times» einen Neurologen nach Bekanntwerden von Willis’ Erkrankung. Oft würden mehrere Jahre vergehen, bis die Diagnose erkannt sei. Sobald sich die Symptome dann klar zeigten, betrage die Lebenserwartung noch fünf bis sieben Jahre. Wenn Bruce Willis nun seinen 70. Geburtstag feiert, muss man realistisch davon ausgehen, dass es einer seiner letzten sein wird.

Mühe mit dem Sprechen

Schauspielkollegen berichten, dass er schon in den Jahren vor seinem Rücktritt zunehmend Mühe hatte, sich vor der Kamera zu artikulieren. Wie er seiner Sprachfähigkeiten beraubt war, glaubt man auch in «Assassin» zu erkennen. Der Star verschluckt teilweise Silben, spricht Dialogzeilen so, als würden sie ihm zugeflüstert. Und der Schnitt erweckt den Eindruck, dass Willis manche Szenen separat gedreht hat. Womöglich war er nicht mehr fit genug, um ständig beim Dreh dabei zu sein.

Aber das Bemerkenswerte ist, wie selbst ein schwer angeschlagener Bruce Willis einen lamentablen Film «watchable» macht, wie man im Jargon sagt. Durch die blosse Präsenz des Darstellers wird ein veritabler Murks wie «Assassin» geniessbar.

Gewiss hängt das auch damit zusammen, dass bei fast allem, was er spielte, ein Hauch von John McClane aus der «Die Hard»-Reihe mitschwang. Als Polizist im Feinrippunterhemd, der den Bösen das Handwerk legt, hat Bruce Willis, als Sohn eines US-Soldaten in Idar-Oberstein in Rheinland-Pfalz zur Welt gekommen, das Actionkino der 1980er und 1990er Jahre geprägt.

Wann immer Willis in dem Genre auftrat, erinnerte er an die Heldenfigur McClane. Vor allem in der Spätphase der Karriere kaprizierte er sich fast nur noch auf Actionstoffe. Als Geschäftsmodell schienen Auftritte in Billigproduktionen für den Workaholic zu rentieren.

Es ist sein gewinnendes Naturell, das diese lausigen Filme veredelte. Willis’ lässige, sympathische Art, sein verschmitztes Grinsen. Dieses freche Zwinkern in den grünen Augen, der spitzlippige Mund auch, der sich gerne zur einen Seite leicht hochzieht und ein leises «Pff» suggeriert.

Bei den Oscars übergangen

Verschiedentlich bewies Bruce Willis, dass er auch zwinkerfrei spielen kann. Nur wurden seine Ausflüge ins ernsthafte Fach kaum honoriert. Stellvertretend dafür der Mysteryfilm «The Sixth Sense», der 1999 Oscar-nominiert war als «best picture». Nominiert waren auch die Regie, der Kinderdarsteller, ebenso die Nebendarstellerin. Einzig die Leistung des Hauptdarstellers Bruce Willis wurde von der Academy übergangen.

Dabei glänzt er in dem Film mit seiner nuancierten, fast im Flüsterton vorgetragenen Darstellung des Kinderpsychiaters, der sich eines verstörten Jungen annimmt. 25 Jahre später ist einem von dem Film das verschreckte Kind geblieben, das unter der Decke hervorschaut und erklärt, mit Verstorbenen sprechen zu können: «I see dead people.»

Willis’ zurückhaltende Darstellung hat sich weniger ins Gedächtnis gebrannt. Aber genau ihretwegen funktionieren der Film und die Schlusswendung, die verrät, dass in Wahrheit der Psychiater selber zu den Toten gehört. Um als Geist durchzugehen, musste Willis ungreifbar sein. Er hatte das erkannt und spielte bravourös. Aber so ist das in dem Beruf: Schauspieler sind dann am besten, wenn sie nicht auffallen.

Als einen Mann im «undurchdringlichen Panzer», der «an der Strassenecke Zuvorkommenheit ausstrahlt», so beschrieb ihn treffend die «New York Times». Ein gewöhnlicher, zugänglicher Typ, der zugleich «unbreakable» scheint, unzerbrechlich, wie ein geradezu paradigmatischer Film mit ihm heisst.

In dem Thriller spielt Willis den einzigen Überlebenden eines Zugunglücks, dem bewusst wird, dass er unverwundbar ist. Ein Superheld, der nichts von seiner Superpower weiss. Wenn einer geeignet war, das zu spielen, dann Willis. Für den Durchschnittstypen, der in der Klemme ungeahnte Kräfte entdeckt, war er stets der Spezialist.

«Yippee ki-yay»

Ein Working-Class-Hero. Ein Arbeiter. Nichts Elitäres haftete je an seinen Figuren. Gleichzeitig grenzte er sich ab von einem Rocky, der schwitzte und die Stufen rauf- und runterrannte, er war auch kein Terminator aus Teflon. Vielmehr drückte sich bei Willis die unbändige Lebenskraft durch Lässigkeit aus. «Yippee ki-yay», der Leitspruch aus «Die Hard», passte zu ihm wie die Faust aufs Auge des Bösewichts. Er hatte noch in der ärgsten Bredouille einen Spruch parat. So war er auch neben der Kamera.

Unvergessen der Interviewtermin vor einigen Jahren in Berlin. Als wäre er John McClane himself, erschien Willis im notdürftig über das Unterleibchen geknöpften Arbeiterhemd. Ihm gegenüber eine Gruppe von europäischen Journalisten, die ihn löchern wollten wegen seiner laxen Haltung zu den amerikanischen Waffengesetzen. Völlig unbeeindruckt zog der Revolverheld den Mundwinkel hoch, schaute einen der Fragesteller eindringlich an und erledigte das Thema auf seine Art, O-Ton Bruce Willis: «Ich trage sogar jetzt eine Knarre auf mir, brother.»

Er war wie im Film

Begegnungen mit Schauspielern sind meistens enttäuschend, denn insgeheim wünscht man sich die überlebensgrosse Leinwandpersona als Gesprächspartner, nicht den Darsteller. Bei Bruce Willis ging das eine in das andere über.

Sieht man einen Filmstar, wie er im Leben körperlich und geistig abbaut, entsteht gleichsam eine kognitive Dissonanz. Bei Bruce Willis womöglich stärker noch als bei andern, weil er als Darsteller das Übermenschliche mit dem Allzumenschlichen zu vereinen schien. Er war keiner dieser unerreichbaren muskelbepackten Haudegen. Der Schauspieler mit dem kahlen Kopf stand stets für eine anschlussfähigere Form der starken Männlichkeit.

Auch wenn er den Kraftmeier spielte, schlug es nicht in eine vergiftete Männlichkeit um. Seine Männlichkeit war eine kerngesunde. Auch deshalb ist es so unerträglich, was jetzt mit ihm geschieht. Es zeigt sich gnadenlos, wie das Schicksal auch vor «Mr. Unbreakable» nicht haltmacht. Ja, ihn nun sterbenskrank zu wissen, setzt einem nicht zuletzt deshalb zu: weil man ihn jahrzehntelang als so verlässlichen, so selbstsicheren und liebenswürdigen Leinwandbegleiter gekannt hat.

Man möchte ihn nicht missen.

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