Samstag, November 23

Es kann sich lohnen, gegen den Trend zu handeln. Ein gutes Beispiel dafür gibt Bucher. Die Aktien des Landmaschinenherstellers sind in der Regel dann kaufenswert, wenn die Stimmung im Agrarsektor schlecht ist – wie heute.

Aus der Geschichte eines Unternehmens lassen sich Schlüsse auf sein weiteres Geschick ziehen. Bucher Industries wurde 1807 gegründet und hat in der langen Zeit seither viele Krisen überstehen müssen. Philipp Murer, Portfoliomanager der Privatbank Reichmuth & Co, folgert daraus, dass das Unternehmen es immer verstanden habe, sich den Marktbedingungen anzupassen: «Bucher hat ein Gen in sich für den Umgang mit Veränderungen.»

Im Abschwung

Heute ist der Landmaschinenhersteller wieder mit einem schwierigen Umfeld konfrontiert. Das zeigt sein in der Vorwoche publizierter Zwischenbericht: Währungsbereinigt sank der Auftragseingang in den ersten neun Monaten um 17,7% auf 1,96 Mrd. Fr. und der Umsatz um 9,3% auf 2,42 Mrd. Fr. Für 2024 erwartet das Management neu eine Betriebsgewinnmarge «im hohen einstelligen» statt wie zuvor im zweistelligen Bereich.

Ablesen lässt sich die schlechte Marktstimmung auch am CEMA Business Barometer: Es ermittelt anhand einer monatlichen Umfrage in der Landmaschinenindustrie in Europa das Geschäftsklima in diesem Sektor.

Der Index liege zurzeit auf einem äusserst tiefen Stand, erläutert Stephan Sola, Manager des Plutos-Schweiz Fund. Er hat Anfang Oktober trotzdem begonnen, eine Position in Bucher aufzubauen. UBS weist darauf hin, dass das CEMA Business Barometer sich zuletzt weiter leicht verbessert hat, von –54 auf –52 auf einer Skala von -100 bis +100. Es signalisiert damit weiterhin ein kontraktives Umfeld. Die Grossbank hat die Bucher-Aktien dennoch auf «Kaufen» gestellt.

Antizyklisch denken

Portfoliomanager Murer kann diese Anlageurteile nachvollziehen: «Der strukturelle Rückenwind bleibt. Die Aktien von Bucher muss man dann kaufen, wenn es im Agrarsektor nicht gut läuft.» In dem auf Nebenwerte ausgerichteten Fonds Reichmuth Pilatus bildet Bucher die drittgrösste Position.

Das antizyklische Investieren ergibt im Fall Bucher Sinn. Erstens gelingt es dem Unternehmen, aus Krisen gestärkt hervorzugehen. Zweitens bietet es grundsätzlich all das, was Anleger mögen: Technologisch nimmt es mit seinen Produkten eine führende Rolle ein. Es generiert Wachstum; über die letzten zehn Jahren stieg sein Umsatz organisch mit einer durchschnittlichen Rate von über 4% pro anno.

Die finanzielle Lage ist mehr als solide. Das Management geniesst einen ausgezeichneten Ruf, die Familie Hauser sorgt mit einem Stimmrechtsanteil von 35% für Stabilität im Aktionariat. Dazu sind die Titel relativ günstig bewertet und bieten eine gute Dividendenrendite.

Der wichtigste Endmarkt

Bucher ist grossteils abhängig von der Entwicklung des Agrarsektors. Das gilt vollumfänglich für ihre wichtigste Division, Kuhn Group, die letztes Jahr 39% zum Konzernumsatz beisteuerte. Doch auch die Divisionen Hydraulics sowie Specials generieren einen Teil ihres Umsatzes in diesem Sektor. UBS schätzt, dass insgesamt mehr als 50% des Umsatzes und des Betriebsgewinns von der Landwirtschaft abhängen.

Der grösste Treiber ist mithin Kuhn Group, die Landmaschinen für Bodenbearbeitung, Aussaat, Pflanzenschutz oder Ernte und Fütterungstechnik anbietet. Sie ist Technologieführer in ihrem Bereich. Davon zeugt etwa die I-Spray-Technologie, mit der sich Unkraut präzise erkennen und besprühen lässt. So lässt sich der Herbizideinsatz im Schnitt um 70 bis 75% reduzieren.

Ein weiteres Beispiel ist der autonom fahrende Roboter namens Karl, der grossflächig Feldarbeiten wie Säen im Tag-und-Nacht-Betrieb verrichten kann. «Der Trend in diesem Geschäft geht in Richtung automatischer Bewirtschaftung», sagt Murer von Reichmuth & Co.

Klare Investitionszurückhaltung

Der amerikanische Deere-Konzern ist, als weitaus grösster Landmaschinenhersteller, teilweise ein direkter Konkurrent. Er bietet im Gegensatz zur Bucher-Gruppe jedoch vor allem Traktoren. Auch er erleidet derzeit herbe Einbussen: Sein Umsatz reduzierte sich in den ersten neun Monaten des eben abgeschlossenen Geschäftsjahres um 15% auf 35,5 Mrd. $.

Die Landwirte halten sich mit Investitionen zurück. Sie leiden unter den Folgen der hohen Inflation, gerade in den USA. Für sie seien die starken Zinserhöhungen der US-Notenbank «Gift» gewesen, erläutert Fondsmanager Sola. Angesichts dessen würden sie es sich «dreimal überlegen, Kredite aufzunehmen, um in neue Landmaschinen zu investieren». Die Situation in Europa ist ebenfalls angespannt, wie etwa die durch die Streichung von Steuersubventionen ausgelösten Bauernproteste in Deutschland ab vergangenem Dezember zeigten.

Die Division Emhart Glass, die Maschinen für die Herstellung und die Prüfung von Glasbehältern anbietet, ist ebenfalls von einer Marktabschwächung betroffen: Währungsbereinigt brach ihr Auftragseingang in den ersten neun Monaten gar mehr als 39% ein, während sich der Umsatzrückgang mit 6% in Grenzen hielt.

Auch Municipal zyklisch

Als einzige der fünf Konzerndivisionen hat zuletzt Municipal den Umsatz steigern können, um rund 10%. Dennoch taugt sie nur begrenzt dazu, konjunkturell bedingte Schwankungen bei den anderen Divisionen auszugleichen. Denn sie sei ebenfalls zyklisch, meint Sola. Municipal stellt Kehrfahrzeuge her sowie Fahrzeuge und Maschinen für Kanalreinigung, Winterdienst und Müll­entsorgung. Städte und andere Kommunen würden erfahrungsgemäss dann investieren, wenn es der Wirtschaft gut laufe und sie entsprechend mehr Steuern einnähmen.

Auch bei der Division Municipal geht der Trend hin zur Automation. Das zeigen die Schritte zum Einsatz von autonomen Kehrmaschinen auf öffentlichen Strassen. 2022 hat man mit der deutschen Enway einen Softwareentwickler übernommen, der sich auf hoch präzise autonome Nutzfahrzeuge spezialisiert hat: Eine Softwarelösung von Enway, die in einem Bucher-Kehrfahrzeug eingesetzt wird, war bereits Anfang 2021 in Singapur für den Testbetrieb auf bestimmten öffentlichen Strassen zugelassen worden.

Fast schon überfinanziert

Finanziell befindet sich Bucher in einer ausgezeichneten Verfassung. Mit einer Eigenkapitalquote von 61% und einer Nettoliquidität von 396 Mio. Fr. per Ende letzten Jahres erscheint sie beinahe schon überfinanziert.

Die Kasse für Übernahmen ist gefüllt. Doch Bucher ist nach einer Sturm- und Expansionsphase ab den späten Achtziger- bis in die Nullerjahre hinein nicht mehr bekannt für grössere Übernahmeaktivitäten: «Der Fokus liegt heute auf internem Wachstum», sagt Portfoliomanager Murer.

Höhere Ausschüttungen sind möglich

Die Qualität des Unternehmens manifestiert sich in seiner Fähigkeit, eine genügend hohe Rendite auf das investierte Kapital (ROIC) zu erzielen. Ungeachtet der zyklischen Schwankungen, denen es ausgesetzt ist, lag der ROIC gemäss den Bloomberg-Daten in zwölf der vergangenen fünfzehn Jahre über dem gewichteten durchschnittlichen Kapitalkostensatz. Das heisst, Bucher generiert zuverlässig Mehrwert für die Aktionäre, der für Investitionen in externes oder internes Wachstum oder für Ausschüttungen (Aktienrückkäufe und Dividende) eingesetzt werden kann.

Murer ist der Meinung, dass Bucher über genügend Mittel für einen Aktienrückkauf verfügt und der Zeitpunkt für solch eine Massnahme angesichts des gedrückten Aktienkurses günstig ist. Bei der Dividende sieht er zudem noch «Luft nach oben».

Bucher ist indessen nicht bekannt für Aktienrückkaufprogramme: Es ist zwölf Jahre her, dass das Aktienkapital einmal um bescheidene 3% herabgesetzt wurde. Das Unternehmen fokussiert sich auf eine möglichst kontinuierliche Dividendenpolitik, wobei die Ausschüttungsquote über die lange Frist so gestaltet wird, dass der Gewinn mehrheitlich einbehalten und für die Entwicklung des Geschäfts eingesetzt wird. Mit einer geschätzten Dividende von 10 Fr. für 2024 bieten die Aktien zurzeit eine Rendite von 2,9%.

Kurs nimmt Entwicklung vorweg

Für Bucher waren 2022 und 2023 bezüglich Umsatz und Ergebnis ausserordentlich gute Jahre. Die Titel markierten ihr Höchst von 520 Fr. indessen schon im Jahr davor, als der Auftragseingang den Rekordwert erreichte.

Für 2024 erwarten die Analysten infolge der Marktabschwächung vor allem im Agrarsektor deutliche Einbussen, beim Umsatz um 11% und beim Betriebsgewinn um 27%, und auch das nächste Jahr wird nochmals schwierig werden, bevor es aufwärtsgehen sollte. In Vorwegnahme dessen haben Buchers Valoren seit dem Höchst um ein Drittel korrigiert.

Wer im Vertrauen auf die ausgewiesenen Qualitäten von Bucher jetzt, in einem Tief, antizyklisch investieren will, sollte auch das CEMA Business Barometer im Auge behalten. Wie UBS schreibt, sind Buchers Aktienkursentwicklung und der Geschäftsklimaindex für die Landmaschinenindustrie in Europa in der Vergangenheit eng korreliert gewesen. Fondsmanager Sola rechnet damit, dass es mit den angelaufenen Zinssenkungen durch die Zentralbanken für die Landwirte in den USA wie in Europa wieder attraktiver wird, zu investieren.

Gutes Chancen-Risiko-Verhältnis

The Market ist der Meinung, dass es kein schlechter Zeitpunkt ist, um Bucher-Aktien zu erwerben. Es empfiehlt sich in diesem Fall grundsätzlich, antizyklisch zu investieren – allenfalls erfordert es etwas Durchhaltewillen, bis der Startschuss für die Landmaschinenindustrie fällt und sich die früher oder später unvermeidliche Erholung einstellt.

Das Risiko einer Anlage ist begrenzt: Das garantieren die hohe Qualität, die Bucher zu bieten hat, und die relativ günstige Bewertung. Gemessen am geschätzten Gewinn für das Jahr 2025, in dem die Talsohle erreicht werden sollte, beträgt das Kurs-Gewinn-Verhältnis im Einklang mit dem zehnjährigen Schnitt 15,5.

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