Montag, Oktober 14

Den ärmsten Staaten der Welt geht es laut einem Bericht der Weltbank finanziell schlechter als vor der Corona-Pandemie. Doch woran liegt es, dass arme Länder in einer Armutsfalle stecken bleiben?

Burundi ist eines der ärmsten Länder der Welt. Das ostafrikanische Land hat das weltweit niedrigste Bruttoinlandprodukt (BIP) pro Kopf. Zudem hat es sich in den vergangenen Jahren immer höher verschuldet. 2024 liegt die Staatsverschuldung in Relation zum BIP bei über 70 Prozent.

Burundi ist einer von 26 Staaten, die zu den ärmsten Ländern der Welt zählen. Und den betroffenen Ländern geht es finanziell immer schlechter. Sie sind so hoch verschuldet wie seit fast 20 Jahren nicht mehr. Das geht aus einem am Sonntag veröffentlichten Bericht der Weltbank hervor.

In den betroffenen Volkswirtschaften leben fast zehn Prozent der Weltbevölkerung und etwa 40 Prozent der ärmsten Menschen. Die Pandemie habe die Situation weiter verschärft, schreibt die Weltbank. Die untersuchten Staaten seien heute im Schnitt ärmer als vor der Corona-Pandemie, während sich der Rest der Welt davon weitgehend erholt habe.

Die Fähigkeit dieser einkommensschwachen Volkswirtschaften, kostengünstige Finanzierungen zu erhalten, ist laut der Weltbank weitgehend versiegt. Sie spricht von einer historischen Schuldenkrise. So dramatisch sich der Bericht anhört, so grundlegend ist das Problem.

Arme Länder können sich kaum Schulden leisten

Christian Keuschnigg ist emeritierter Professor für Nationalökonomie an der Universität St. Gallen: «Es ist ein bekanntes Problem, dass manche Entwicklungsländer nicht aus der Armutsfalle herausfinden.»

Die Staatsverschuldung der betroffenen Länder liegt heute im Schnitt bei 72 Prozent der Wirtschaftsleistung. Viele dieser Länder seien unterentwickelt und die Einkommen gering. Für Entwicklungsländer sei bereits eine Schuldenquote von 25 Prozent gefährlich, sagt Keuschnigg. «Ein Land, das arm ist, kann keine hohe Schulden aufnehmen.»

Doch woran liegt es, dass diese Länder in der Armutsfalle stecken bleiben?

Die internationalen Hilfen stocken

Keuschnigg verweist auf die neuen Träger des Wirtschaftsnobelpreises Daron Acemoglu und Simon Johnson und ihr Buch «Warum Nationen scheitern». Darin hätten die Forscher einen starken Aspekt auf die Qualität der Institutionen gelegt. «In den betroffenen Ländern funktioniert die öffentliche Bürokratie oftmals nicht, es herrschen Bürgerkriege und die Korruption ist ein endemisches Problem.»

In vielen afrikanischen Ländern sei das Bildung- und Gesundheitswesen unterentwickelt, so Keuschnigg. Das erschwere die Situation erheblich. «Solange diese Faktoren nicht gegeben sind, wird die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes gelähmt. Deshalb muss die Entwicklungshilfe an diesen Punkten ansetzen.» Doch genau dort stockt es laut dem Bericht der Weltbank.

Der Anteil der internationalen Hilfe an der Wirtschaftsleistung der ärmsten Länder sei so tief, wie seit zwei Jahrzehnten nicht mehr. Vielen betroffenen Länder fehle die dringend benötigte erschwingliche Finanzierung. Laut Keuschnigg ist die Entwicklungshilfe ein zentraler Punkt bei der Gesundung einer Volkswirtschaft. Sie ist jedoch nicht in jedem Land ein gleich grosser Erfolg.

Als negatives Beispiel nennt Keuschnigg Argentinien. «Das war zu Beginn des letzten Jahrhunderts ein reiches Land. Nun haben sie Probleme ohne Ende.» Bangladesh habe sich hingegen in die andere Richtung entwickelt. Der südasiatische Staat galt lange als eines der ärmsten Länder – heute taucht es in der Liste der Weltbank nicht mehr auf. «In Bangladesh ist die Wirtschaft mithilfe der Programme der Weltbank gewachsen. Die dortige Regierung hat es verstanden, die Mittel richtig einzusetzen. Aber der Weg aus der Armut ist lang und mühselig», sagt Keuschnigg.

Die Weltbank will 100 Milliarden Dollar investieren

Erschwerend hinzu kommt, dass viele der ärmsten Länder stark vom Klimawandel betroffen sind. Laut dem Bericht der Weltbank verursachten Naturkatastrophen zwischen 2011 und 2023 in den betroffenen Staaten jährliche Verluste von durchschnittlich zwei Prozent der Wirtschaftsleistung. Das sei fünfmal so hoch, wie der Durchschnitt der Länder mit niedrigem mittlerem Einkommen.

Die Weltbank stellt den schwächsten Volkswirtschaften Zuschüsse und nahezu zinslose Darlehen bereit. Sie will laut eigenen Angaben in diesem Jahr 100 Milliarden Dollar zur Aufstockung eines entsprechenden Finanzierungsfonds aufbringen. Laut Keuschnigg ist diese Finanzierung wichtig. Ob die Gelder ausreichen, sei eine andere Frage.

Er nimmt den Welthandel in die Pflicht. «Man muss diesen Ländern im Handel die Möglichkeit geben, Exportüberschüsse zu generieren und ein Wachstum in Gang zu setzen», sagt er. Als Beispiel für ein entsprechendes Exportgut nennt er Agrarprodukte.

Auch Grossunternehmen seien ein wichtiger Faktor. Sie würden in Gegenden investieren, in denen die Löhne tief sind. «Man muss die Grossunternehmen nicht verteufeln, weil sie die billige Arbeit ausnutzen. Sie zahlen den Arbeiter immer noch höhere Saläre, als sie bei einem lokalen Unternehmen verdienen würden.» Die Investitionen könnten viel bewirken. Es gebe viele Länder, die dadurch ihr Wachstum ankurbeln konnten. «Aber auch das funktioniert nur, wenn es im Land Rechtssicherheit gibt.» Und die ist in vielen der betroffenen Länder nicht gegeben.

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