Montag, Oktober 14

Im Raum Zürich stehen derzeit 420 000 Quadratmeter Bürofläche leer.

275 Quadratmeter direkt am Stauffacher, 1000 Quadratmeter auf dem Hürlimann-Areal – bei so mancher zur Miete ausgeschriebenen Bürofläche in der Stadt Zürich drängt sich der Gedanke auf, dass sich an diesem Standort auch wunderbar wohnen liesse.

Warum auch nicht? Schliesslich heisst es immer wieder, der Bedarf an Büroräumen sei spätestens seit der Corona-Pandemie und dem verbreiteten Aufkommen von Home-Office rückläufig. Gleichzeitig sind Wohnungen an zentraler Lage Mangelware.

Auch in der Politik wird die Forderung nach vereinfachter Umnutzung von Büros immer wieder laut. So auch Anfang Monat, als das Parlament den Stadtrat beauftragte zu prüfen, wie Büros flexibel umgenutzt werden könnten.

Wie der Wohnungsmarkt unterliege auch der Büroräumlichkeitsmarkt zyklischen Schwankungen, heisst es im Postulat der beiden FDP-Männer Hans Dellenbach und Flurin Capaul. Diese Schwankungen liessen sich mit flexibleren Nutzungsrichtlinien besser abfedern. Beispielsweise indem Büros für eine beschränkte Dauer als Wohnungen genutzt werden könnten.

Der Vorstoss der Freisinnigen fand gar die Unterstützung der Ratslinken – allerdings erst nachdem der Text dahingehend angepasst wurde, dass der Stadtrat explizit prüfen solle, wie Büros zu kostengünstigen Wohnungen umgenutzt werden könnten.

Nur wenige Wohnungen entstehen durch Umnutzungen

Beispiele für Umnutzungen dieser Art gibt es einige, etwa die ehemaligen Büros der SRG in Leutschenbach, welche die städtische Stiftung für den Erhalt von preisgünstigen Wohn- und Gewerberäumen (PWG) zu Wohnungen umgebaut hat. Die Mobiliar will eine Liegenschaft an der Langstrasse sanieren und die oberen Geschosse neu als Wohnungen nutzen. Ein einstiges Labor- und Bürogebäude der Mobimo im Friesenbergquartier bietet inzwischen 59 Wohnungen Platz.

Dennoch machen Wohnungen, die durch solche Umnutzungen entstanden sind, nur einen relativ kleinen Teil des gesamten neu erstellten Wohnraums aus. Netto entstanden 2023 in der Stadt Zürich 1998 Wohnungen. 151 gingen auf das Konto von Umnutzungen. Also weniger als 10 Prozent.

Warum so wenige?

Das komme nicht von ungefähr, sagt Daniel Stocker. Für die Immobilienberatungsfirma Jones Lang Lasalle (JLL) Schweiz analysiert er den hiesigen Büromarkt. Auf den ersten Blick scheine die Idee, Büros zu Wohnungen umzubauen, sicherlich verlockend. Immerhin stehen gemäss JLL derzeit im Raum Zürich – der die Stadt, Schlieren, Wallisellen, Kloten und Opfikon/Glattbrugg umfasst – etwa 420 000 Quadratmeter Bürofläche leer.

Schaue man aber genauer hin, werde schnell klar: «Das Potenzial, auf diese Art schnell eine spürbare Entspannung auf dem Wohnungsmarkt herbeizuführen, ist gering.»

Stocker schätzt, dass bei etwa 10 Prozent der unvermieteten Büroflächen eine Umnutzung hin zu Wohnen machbar wäre. Das entspreche grob gerechnet etwa 400 bis 500 Wohnungen. «Das ist besser als nichts, aber nicht der grosse Wurf», sagt Stocker.

Gemäss dem jüngsten Wirtschaftsmonitoring der Zürcher Volkswirtschaftsdirektion müssten im ganzen Kanton bis 2040 unter dem Strich 7600 Wohnungen pro Jahr entstehen, um die erwartete Zunahme an Haushalten aufzufangen.

«Nur selten wirtschaftlich umsetzbar»

In einigen Fällen scheitere der Wunsch nach einer Umnutzung von Büro zu Wohnen bereits an der Zonierung der Liegenschaft, sagt Stocker. Sehe die Bau- und Zonenordnung (BZO) in einem Gebiet Gewerbe oder Industrie vor, seien Wohnnutzungen grundsätzlich nicht erlaubt. Zudem herrschten etwa in Sachen Lärm-, Schall und Brandschutz andere Regeln als in einer Wohnzone.

Die Bauzone lässt sich zudem nicht von heute auf morgen ändern. In der Stadt Zürich entscheidet der Gemeinderat über solche Anträge. Bei der rot-grünen Ratsmehrheit haben solche Anliegen in jüngster Zeit einen schweren Stand – es sei denn, die Eigentümerschaft plant günstige Wohnungen.

Dass solche in ehemaligen Büroräumlichkeiten entstehen, hält Stocker für unwahrscheinlich. «In den meisten Fällen sind grössere Eingriffe in die Gebäudesubstanz nötig, um aus Büros Wohnungen zu machen.» Heizung, Lüftung, Klimatechnik und sanitäre Anlagen müssten neu verteilt werden. Jede Wohnung benötige eine Küche und im Idealfall Balkone. Zudem hätten der natürliche Lichteinfall sowie die Sichtbehinderung bei Wohnhäusern einen höheren Stellenwert als bei Bürogebäuden, sagt Stocker.

All das gehe ins Geld, wenn man eine gewisse Wohnqualität erreichen wolle. «Umnutzungen sind deshalb nur selten wirtschaftlich umsetzbar», sagt Stocker. Die meist hohen Umbaukosten würden sich am Schluss auf die Mieten niederschlagen. Zum sogenannten «bezahlbaren Wohnraum», wie ihn sich die Linken wünschen, würden solche Projekte demnach kaum beitragen.

Ein weiterer Aspekt, dem zu wenig Beachtung geschenkt wird, ist laut Stocker, dass die umfangreichen Arbeiten, die nötig sind, um aus Arbeitsraum Wohnraum zu machen, eigentlich nur dann umsetzbar sind, wenn die ganze Liegenschaft leer steht. «Das kommt nur sehr selten vor», sagt Stocker.

Meist seien nur einzelne Räume oder Stockwerke eine Zeitlang ungenutzt. Das liege auch daran, dass Büroflächen für fixe Zeiträume vermietet würden. In der Regel gelten Vertragsdauern von fünf bis zehn Jahren mit Verlängerungsoption. Abzuwarten, bis eine ganze Liegenschaft ungenutzt sei, verursache finanzielle Einbussen und lohne sich nur in seltenen Fällen.

Büros sind in der Schweiz noch lange nicht obsolet

Entgegen der geläufigen These, dass die Arbeit von zu Hause aus seit der Pandemie so stark verbreitet ist, dass sie das Büro gar obsolet zu machen droht, haben sich die Leerstände in der Schweiz zwischen 2019 und Mitte 2024 nur wenig verändert.

In der Region Zürich ist die Leerstandsquote bei Büros von 4 auf 5,1 Prozent gestiegen. In der Stadt betrug die Zunahme bloss 0,8 Prozentpunkte.

«Im internationalen Vergleich sind die Büroleerstände in der Schweiz sehr tief», sagt Stocker. In einigen Städten in den USA stünden seit der Pandemie bis zu 30 Prozent der Büros leer. Dass sich die Situation hierzulande anders entwickelt hat, führt Stocker unter anderem auf die tiefe Arbeitslosenrate und die kürzeren Pendlerstrecken zurück. Aber nicht nur.

«Wir haben in der Schweiz viele KMU. Für sie lohnt es sich nur selten, die Bürofläche zu reduzieren», sagt Stocker. Was an Miete eingespart werden könne, stehe oft hohen Umzugskosten gegenüber.

Die Lage ist entscheidend

Vor allem an zentraler Lage oder in Fussdistanz zu Bahnhöfen sei die Büronachfrage intakt und ein Nachmieter könne meist in absehbarer Zeit gefunden werden, sagt Stocker. Das widerspiegelt sich auch in den von JLL ermittelten Daten zu Leerständen. Während sie in der Stadt Zürich bei 3,2 Prozent liegt, verzeichnet Opfikon/Glattbrugg mit 34,4 Prozent einen zehnmal so hohen Leerstand.

Auch Kloten verzeichnet mit 10,7 Prozent deutlich mehr ungenutzte Büroflächen als die Stadt Zürich. Im Vergleich zum Jahr 2019 hat sich die Situation aber verbessert. Damals standen 13,3 Prozent der Büros leer.

«Die Angebotszunahme seit 2019 resultiert im Wesentlichen aus der grossen Menge neu erstellter Büroflächen», sagt Stocker. Zwischen 2020 und 2022 entstanden im Raum Zürich fast 397 000 Quadratmeter Bürofläche. Zwischen 2024 und 2026 sind gemäss Stocker noch 87 000 Quadratmeter in der Pipeline. «Sofern sich das Wirtschafts- und Beschäftigtenwachstum fortsetzt, wird der Druck auch beim Büromarkt zunehmen.» Gleichzeitig sei aber absehbar, dass bestehende Flächen auf den Markt kämen – etwa durch die Integration der Credit Suisse in die UBS oder den Personalabbau am Zürcher Standort von Google.

Gerade bei älteren Bürogebäuden müsse man sich im gegenwärtigen Marktumfeld auf eine längere Suche nach Mietern einstellen, sagt Stocker. Entsprechend könnte in diesen Fällen eine Umnutzung zu Wohnraum attraktiv sein, da ohnehin in eine Modernisierung investiert werden müsste.

Im Zürcher Stadtparlament fand der FDP-Vorstoss breite Unterstützung. Dies, obwohl keine Partei davon ausgeht, dass durch Umnutzungen von Büros eine grosse Veränderung im Wohnungsmarkt zu erreichen ist.

Nur die SVP sprach sich dagegen aus. 2022 hatte die Partei dem Stadtrat diverse Fragen dazu gestellt, welche Möglichkeiten die Stadt habe, um Umnutzungen zu unterstützen. Der Stadtrat argumentierte damals, er habe nur beschränkte Möglichkeiten, den Wandel zu beschleunigen oder zu unterstützen. Zudem erachte er dies meist als wenig sinnvoll. Denn in Zürich sei nicht nur der Wohnraum rar, sondern auch der Platz für das produzierende Gewerbe. Der Stadtrat will die bestehenden Industriezonen deshalb erhalten.

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