Montag, Oktober 7

Damit soll Migration reduziert werden – im Fall von Marokko scheint der Plan nicht aufzugehen.

Über 900 Millionen Franken stellt der Bund dem Schweizer Tourismus in der laufenden Vierjahresperiode zur Verfügung. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) verteilt die Gelder via Förderprogramm Innotour, über Schweiz Tourismus oder über die Regionalentwicklung.

Das ist viel Geld und könnte – je nach politischen Prioritäten – auch immer mehr oder weniger sein. Der Bund fördert aber nicht nur den eigenen Tourismus. Seit 2015 hat das Seco 50 Millionen Franken bei Tourismusprojekten im Ausland «umgesetzt», wie es dieses Ausgeben von Steuergeldern nennt.

Die Angaben stammen aus einer Stellungnahme, die das Seco auf einen Vorstoss des Mitte-Fraktionschefs Philipp Matthias Bregy hin abgegeben hat. Es ist eine kuriose Geschichte, die bezeichnend ist für die Schweizer Finanzpolitik. Welche Ausgaben sind zu hoch? Welche zu tief? Welche sind einfach nur nutz- und sinnlos und könnten deshalb weg?

Jedenfalls waren Bregy und das Ratsbüro Mitte Mai in Marokko unterwegs. Der reise- und flugfreudige Nationalratspräsident, SP-Nationalrat Eric Nussbaumer, hat die Fraktionschefs eingeladen. Besucht wurden auch Firmen, die vom Seco mitfinanziert werden. Darunter auch Beherbergungsbetriebe. Bregy und die bürgerlichen Fraktionschefs von der FDP und der SVP wollten es genauer wissen und reichten, wieder zurück in Bundesbern, eine Interpellation ein.

Darin schrieb Bregy, dass der Tourismus ein hart umkämpfter, internationaler Markt sei. Die hohen Lohnkosten und der starke Franken würden es den hiesigen Unternehmern nicht gerade einfach machen. «Es muss daher durchaus die Frage gestellt werden, ob es sinnvoll ist, wenn mit Entwicklungshilfegeldern die touristische Konkurrenz unterstützt wird», schrieb Bregy im Vorstoss. Das Seco solle Transparenz schaffen.

In der Stellungnahme schreibt das Seco, dass die 50 Millionen Franken für insgesamt 17 Tourismusprojekte gedacht gewesen seien. Dies im Rahmen der wirtschaftlichen Entwicklungshilfe und für die Schwerpunktländer Peru, Kolumbien, Vietnam, Indonesien, Tunesien, Kirgistan und – eben – für Projekte in Marokko. Ziel dieser Tourismusförderung im Ausland sei es, «durch die Stärkung eines nachhaltigen Wirtschaftswachstums Einkommensmöglichkeiten für die lokale Bevölkerung zu schaffen und damit die Armut, als eine der Migration zugrunde liegende Ursache, zu reduzieren».

Im Fall von Marokko haben sich die «Investitionen» des Seco (noch) nicht bezahlt gemacht. In letzter Zeit war es eines der Länder, woher am meisten Einwanderer illegal in die Schweiz kamen. Auch in der Kriminalstatistik belegen die Marokkaner, oft sind es junge Männer, Spitzenplätze. Das Seco möchte mit der Tourismusförderung auch Justizminister Beat Jans unterstützen. Die Gelder sollen die Verhandlungen über ein Migrationsabkommen erleichtern.

Weniger optimistisch zeigt sich Beat Stauffer. Der Maghreb-Experte plädierte in einem Interview mit der «Sonntags-Zeitung» für einen ganz anderen Weg. «Maghreb-Staaten und andere Länder sind etwa im Bereich Tourismus oder bei der Entwicklungszusammenarbeit auf uns angewiesen», sagt Stauffer. Diese Überlegenheit solle man entsprechend auch als Druckmittel einsetzen – «bis hin zu Reisewarnungen». Statt Steuergelder in den Maghreb zu schicken, sollte man erst gar nicht mehr hingehen.

Stauffers Ansatz widerspricht dem Vorgehen des Seco diametral. Projekte wie jenes, das Bregy erst zu einem Vorstoss bewogen hatte, seien wichtig, schreibt das Staatssekretariat. Diese hätten «einen Demonstrationseffekt». Bleibt abzuwarten, wo sich dieser Effekt zuerst zeigen wird: in den Diskussionen ums Bundesbudget – oder in den Asylzahlen?

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