Armee, AHV, Klimasubventionen: Die Finanzansprüche an den Bund steigen massiv. Wenn keiner sparen will, braucht es Steuererhöhungen. Zusatzeinnahmen für den Fiskus ohne grosse Wirtschaftsschäden sind am ehesten durch die Reduktion der Steuerabzüge zu erwarten.

In der Bundespolitik herrscht Inflation – eine Inflation der Ansprüche. Die Bundeseinnahmen wachsen zwar in der Regel mehr oder weniger im Einklang mit der Volkswirtschaft, doch die Ansprüche wachsen schneller. Armee, AHV, Klimasubventionen sind drei aktuelle Stichworte dazu. Und es sind nicht die einzigen Stichworte.

Ohne Korrekturen fehlen der Bundeskasse ab 2027 etwa 3 bis 4 Milliarden Franken pro Jahr, wie der Bundesrat vorrechnete. Und das war noch vor dem Volks-Ja im März für höhere AHV-Renten mit Kosten von 4 bis 6 Milliarden Franken pro Jahr für die Lohnempfänger und Steuerzahler. Bei einem Volks-Ja im Juni zum Ausbau der Subventionen für die Krankenkassenprämien gäbe es nochmals Zusatzkosten von mehreren Milliarden Franken pro Jahr.

Bei einem ordentlichen Bundeshaushalt von zurzeit etwa 80 Milliarden Franken pro Jahr erscheinen Korrekturen im Umfang von zum Beispiel 5 Milliarden zwar schwierig, aber nicht unmöglich. Doch Sparen in diesem Umfang stösst auf hohe politische Hürden: Jede Interessengruppe will nur bei «den anderen» sparen, und der Aufschrei von Betroffenen ist in der Regel viel grösser als der Applaus von Verschonten.

Experten sollen es richten

Der Bundesrat hat im März eine externe Expertengruppe eingesetzt. Sie soll bis im Spätsommer Vorschläge machen, wie man die drohenden Defizite vermeiden soll. Zum Mandat der Gruppe gehört eine grundlegende Überprüfung der Aufgaben und Subventionen. Auch Möglichkeiten zur Einnahmensteigerung werden ein Thema sein. Einnahmensteigerung für den Bund heisst typischerweise höhere Steuererträge. Dies lässt sich im Prinzip über drei Wege erreichen: neue Steuern, höhere Sätze auf bisherigen Steuern und/oder eine Reduktion von Steuervergünstigungen bzw. Steuerabzügen.

Das Mandat der Expertengruppe umfasst auch die Überprüfung von Steuervergünstigungen, wie der Bundesrat jüngst in seiner Antwort auf einen Parlamentsvorstoss bekräftigt hat. Steuervergünstigungen haben oft den Charakter von Subventionen. Sie widersprechen dem Grundpostulat für effiziente Steuerpolitik. Dieses sagt: breite Steuerbasis mit möglichst wenig Ausnahmen, dafür moderate Steuersätze. Das minimiert die volkswirtschaftlichen Schäden aufgrund von Fehlanreizen.

Steuervergünstigungen machen das System komplizierter, verzerren die Anreize für die Pflichtigen und erhöhen die Nachfrage nach teuren Beratern. Doch Steuerabzüge sind in der Politik beliebt: Politiker können sich damit für ihre Klientel Vorteile verschaffen, während die Kosten so diffus und breit verteilt sind, dass niemand weiss, wer am Ende welchen Anteil der Rechnung bezahlen muss.

Schon 2005 erklärte ein Bericht der Eidgenössischen Steuerverwaltung, dass die Abzüge bei der Einkommenssteuer die Erträge aus dieser Steuer für den Bund um mehr als die Hälfte reduzieren. Bei Abschaffung aller Abzüge könnte der Bund also ohne Nettoeinbussen die Steuersätze halbieren.

Das heisst nicht, dass alle Steuerabzüge fehl am Platz wären. Sinnvoll sind zum Beispiel Abzüge für Kosten, die direkt und ursächlich mit der Erzielung des steuerbaren Einkommens verbunden sind; der Jargon spricht von «Gewinnungskosten». Ein Klassiker sind Berufsauslagen, die der Arbeitgeber nicht entschädigt. Zum Gebot der Besteuerung nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit gehört die Berücksichtigung solcher Gewinnungskosten.

Vielversprechende Kandidaten

Doch diverse Abzüge könnte man aus Sicht der Steuerlogik und der volkswirtschaftlichen Effizienz getrost reduzieren oder streichen. Hier läge für den Bund einiges drin. Hinweise liefert der bisher jüngste Bundesbericht zu Steuervergünstigungen (von 2011). Aus diesem Bericht seien im Folgenden einige valable Abschaffungskandidaten bei der direkten Bundessteuer für natürliche Personen sowie bei der Mehrwertsteuer dargestellt. Die im Bericht von 2011 genannten Werte sind hier auf Basis der Entwicklung der Steuereinnahmen für die Gegenwart hochgerechnet. Die Zahlen beziehen sich nur auf die Bundesebene.

  • Säule 3a. Im laufenden Jahr liegt der maximale Steuerabzug für Einzahlungen ins gebundene Sparen via Säule 3a bei 7056 Franken (für Steuerpflichtige mit zweiter Säule). Diesen Abzug kann man getrost streichen – ebenso wie die Steuerbefreiung von Erträgen aus den Vermögen in der Säule 3a. Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist kein Grund für eine weitere Sparförderung über die erste und die zweite Säule hinaus ersichtlich. Vom Steuerabzug für die Säule 3a profitieren vor allem die Wohlhabenden. Jenen, die es am ehesten nötig hätten, fehlt es oft an flüssigen Mitteln für Einzahlungen in die Säule 3a, und zudem ist für solche Steuerpflichtige die Ersparnis aufgrund der tiefen Steuersätze für Geringverdiener klein. Der Steuerabzug für die Säule 3a subventioniert überdies den Finanzsektor: Die Kunden stellen wegen des Steuerabzugs ihr Geld den Finanzinstituten günstiger zur Verfügung. Die internationale Forschungsliteratur lässt zudem mutmassen, dass steuerliche Sparförderung zu einem grossen Teil nicht zusätzliches Sparen bringt, sondern nur eine Verlagerung von nicht begünstigten zu begünstigten Sparformen. Die Abschaffung des Steuerabzugs für die Säule 3a könnte dem Bund Mehreinnahmen von 1 bis 1,2 Milliarden Franken pro Jahr bringen.
  • Versicherungsprämien und Sparkapitalzinsen. Der Maximalabzug für diesen Posten beträgt heuer 3600 Franken für Verheiratete und 1800 Franken für die übrigen Steuerpflichtigen. Ein überzeugender Grund für diesen Abzug ist nicht ersichtlich. Faktisch wird der Maximalbetrag bereits durch die Krankenkassenprämie ausgeschöpft. Gäbe es Steuerabzüge für den gesamten Konsum, dann wären auch Abzüge für Lebensmittel, Mieten und manches mehr einzuführen. Die Steuersätze müssten damit noch viel höher sein als heute. Die direkte Bundessteuer löst das «Problem» des lebensnotwendigen Konsums auf eine andere Art: Die Steuer greift erst bei Einkommensteilen ab 18 300 Franken (Alleinstehende) bzw. 31 800 Franken (Verheiratete). Die Abschaffung des genannten Steuerabzugs brächte dem Bund Mehrerträge von etwa 800 Millionen Franken pro Jahr.
  • Pendlerkosten. Der Maximalabzug für Kosten der Fahrt zwischen Wohn- und Arbeitsort beträgt zurzeit 3000 Franken. Hinzu kommt ein Abzug für auswärtige Verpflegung von maximal 3200 Franken pro Jahr (bzw. 1600 Franken bei Verbilligung durch den Arbeitgeber). Die Pendlerkosten sind höchstens teilweise als Gewinnungskosten zu betrachten, weil sie auch eine Folge der Wohnsitzwahl sind. Niemand ist gezwungen, zum Beispiel täglich von Zürich nach Bern zu pendeln. Faktisch ist dieser Steuerabzug eine Subventionierung des Pendelns. Man könnte ihn im Prinzip (jenseits von gewissen Spezialfällen) ohne grosse Bedenken stark reduzieren – zum Beispiel bis auf die Kosten eines lokalen Abonnements für den öffentlichen Verkehr. Auch der Abzug für auswärtige Verpflegung ist nicht zwingend: Man kann sich auch auswärts günstig verpflegen. Die beiden genannten Abzüge zusammen dürften heuer etwa 1,3 bis 1,5 Milliarden Franken pro Jahr ausmachen. Mit einer deutlichen Reduktion könnte der Bund seine Einnahmen um etwa 1 Milliarde Franken pro Jahr erhöhen.
  • Einheitssatz bei der Mehrwertsteuer. Der ordentliche Mehrwertsteuersatz beträgt heuer 8,1 Prozent. Daneben gelten ein reduzierter Satz von 2,6 Prozent (unter anderem für Lebensmittel, Medikamente und Zeitungen) sowie ein Sondersatz von 3,8 Prozent für die Hotellerie. Ein Einheitssatz brächte administrative Vereinfachungen. Die Sondersätze sind Ausdruck von ungerechtfertigten Branchenprivilegien (Hotellerie) beziehungsweise von Sozialpolitik mit der Giesskanne (Vergünstigung unter anderem für Lebensmittel). Die Abschaffung der Sondersätze könnte dem Bund etwa 3 Milliarden Franken pro Jahr bringen.

Zusammen könnten die genannten Posten die Jahresrechnung des Bundes um etwa 6 Milliarden Franken verbessern. So weit die Theorie. Was die Politik machen wird, ist eine ganz andere Frage.

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