Die Stimmberechtigten sprechen sich laut einer Umfrage von GfS Bern knapp gegen den Ausbau der Nationalstrassen aus. Auch bei der Gesundheitsreform Efas könnte es eng werden.
Seit seinem Amtsantritt Anfang 2023 hat Bundesrat Albert Rösti seine Abstimmungen jeweils stets klar gewonnen. Sowohl beim Klimaschutzgesetz als auch beim Stromgesetz und bei der Biodiversitätsinitiative vermochte er eine komfortable Mehrheit der Stimmbevölkerung von seiner Haltung zu überzeugen. Auch am 24. November schien ein Sieg für den SVP-Magistraten programmiert. Im Autoland Schweiz sind die Nationalstrassen das Rückgrat der Mobilität. Da sollte die punktuelle Erweiterung von sechs besonders neuralgischen Abschnitten eine Mehrheit finden.
Doch das ist alles andere als sicher, wie eine neue Umfrage von GfS Bern im Auftrag der SRG zeigt. Darin spricht sich eine Mehrheit von 51 Prozent der Befragten gegen den «Ausbauschritt 2023» aus. Hinter der Vorlage des Bundesrats stehen nur 47 Prozent. Durchgeführt wurde die Befragung vom 28. Oktober bis zum 7. November.
Für Verkehrsminister Rösti und die Wirtschaftsverbände Economiesuisse und Gewerbeverband hat sich die Ausgangslage damit noch einmal verschlechtert. Bei der ersten SRG-Trendumfrage Anfang Oktober hatte sich noch eine knappe Mehrheit von 51 Prozent für den Autobahnausbau ausgesprochen.
Laut Lukas Golder, Co-Leiter von GfS Bern, hat nicht zuletzt die kritische Haltung der Medien gegenüber dem Autobahnausbau zum Nein-Trend geführt. So mehrten sich in den vergangenen Wochen Berichte, die infrage stellten, ob die sechs Autobahnprojekte tatsächlich eine nachhaltige Entlastung der Strassen zur Folge hätten. Ebenso wurde die Vermutung geäussert, dass die Bauvorhaben des Bundes deutlich mehr kosten könnten als 5 Milliarden Franken und auch eine Erhöhung des Benzinpreises nötig sein könnte.
Argumente des Bundesrats ziehen nicht
«Bei Behördenvorlagen ist es ungewöhnlich, dass den Argumenten des Bundesrats so viel Skepsis entgegenschlägt», sagt der Meinungsforscher Golder. Das zeige, dass die Verbände, die das Referendum gegen den Ausbauschritt ergriffen hätten, bei ihrer Kampagne gute Arbeit leisteten. Umgekehrt sei das Regierungsvertrauen zurzeit tiefer als in der gesamten Covid-Zeit. «Die Position gegen den Bundesrat hat es in diesem Umfeld leichter als üblich.»
Bemerkenswert ist laut dem Politologen, dass der Autobahnausbau auch auf dem Land mehrheitlich auf Ablehnung stösst. «Es überwiegt die Haltung, dass die eigene Verkehrssituation durch die Autobahnerweiterungen nicht verbessert wird. Im Gegenzug wird der Landverlust, der mit dem Bau der Strassen verbunden ist, höher gewichtet.» In der ersten SRG-Umfrage Anfang Oktober hatte sich auf dem Land noch eine klare Mehrheit für den Strassenausbau ausgesprochen.
Laut Golder ist der Ausgang der Abstimmung allerdings weiterhin offen. «Der gegenwärtige Nein-Trend ist nur sehr schwach ausgeprägt. Am Schluss dürfte für den Ausgang der Abstimmung entscheidend sein, welcher Seite es besser gelingt, die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger zu mobilisieren.» Da sich Bundesrat und einzelne Parlamentarier stark im Abstimmungskampf engagieren würden, sei es durchaus möglich, dass es am Schluss doch noch ein Ja gebe.
Nicht auf mehr Beton im Strassenbau setzen will insbesondere die Bevölkerung in der Romandie: Dort stehen lediglich 42 Prozent der Befragten hinter der Vorlage. Die nachträgliche Integration eines Ausbaus der A 1 zwischen Le Vengeron und Nyon in die Vorlage durch das Parlament führte offenbar nicht dazu, die Gunst der Mehrheit der Bevölkerung zu gewinnen.
Am meisten Sukkurs erhält Röstis Vorlage auch nicht etwa von seiner eigenen Partei, sondern von der FDP. Mehr als vier von fünf Anhängern der Partei wollen Ja stimmen. Die SVP-Klientel steht weniger geschlossen hinter ihrem Bundesrat. Golder führt dies darauf zurück, dass es eine Gegenöffentlichkeit im bäuerlichen Umfeld gebe: «Die Narben, welche die Autobahnen aus Sicht vieler Bäuerinnen und Bauern durch die ertragreichen Äcker im Mittelland gerissen haben, sind bis heute nicht verheilt.»
Besonders kritisch sind auch die Frauen. Wäre in diesen Tagen über die Vorlage abgestimmt worden, hätten 60 Prozent ein Nein eingelegt. Die Männer dagegen befürworten den Ausbau der Autobahn nach wie vor mehrheitlich. Ebenfalls unterstützt wird die Beseitigung der Engpässe auf den Nationalstrassen von Personen mit höheren Einkommen. Je kleiner ein Haushaltseinkommen ist, desto weniger Rückhalt geniesst die Vorlage.
Auch für die Gesundheitsreform Efas wird es eng
Knapper als erwartet könnte es auch bei der grossen Gesundheitsreform namens Efas werden. Es geht um die Frage, ob die Kantone und die Krankenkassen künftig sowohl ambulante Behandlungen als auch stationäre Eingriffe im Spital einheitlich finanzieren sollen.
Praktisch alle Akteure des Gesundheitswesens, von den Ärzten über die Spitäler und die Pflegeheime bis hin zu den Krankenkassen, sind für die Reform. Ebenso sämtliche bürgerlichen Parteien. Die SP hat zwar die Nein-Parole verabschiedet, aber zahlreiche linke Gesundheitspolitiker plädieren ebenfalls für ein Ja. Die Grünen haben Stimmfreigabe beschlossen.
Entsprechend schien die Abstimmungskampagne gut zu laufen für die Befürworter: Bei der ersten SRG-Umfrage vom Oktober gaben nur 26 Prozent der Befragten an, dass sie die Vorlage ablehnen würden. Doch nun ist das Nein-Lager stark gewachsen, auf 37 Prozent. Dieser Trend dürfte bei den Efas-Verfechtern Nervosität auslösen. Besonders in der Romandie ist die Skepsis gross. Wegen der Komplexität der Reform ist der Anteil der Unentschlossenen grösser als bei den anderen Sachfragen, über die am 24. November abgestimmt wird.
Die Gewerkschaften sagen, Efas hätte zahlreiche negative Auswirkungen. So würden die Prämien steigen, weil die Krankenkassen künftig einen grösseren Teil der Langzeitpflege finanzieren müssten. Ausserdem komme es zu mehr Kostendruck in den Pflegeheimen, worunter die Angestellten litten. Und die Kassen bekämen mehr Macht; sie übernähmen die Steuerung des Gesundheitssystems.
Die Behauptungen stossen zwar in der Gesundheitsbranche auf dezidierten Widerspruch, sie scheinen gleichwohl einen wachsenden Teil der Bevölkerung zu überzeugen. Trotzdem hält der Politologe Golder ein Ja zu Efas weiterhin für das wahrscheinlichere Resultat. «Es gibt zwar einen Nein-Trend, aber in den Medien sind die Argumente der Befürworter stärker präsent als jene der Gegner – das ist beim Autobahnausbau ganz anders.» Auch das starke Engagement von Gesundheitsministerin Elisabeth Baume-Schneider spreche für ein Ja.
Mietrechtsvorlagen drohen zu scheitern
Ungemütlich könnte der Abstimmungssonntag für den Hauseigentümerverband werden. Denn bei beiden Vorlagen zum Mietrecht sieht es eher nach einem Nein aus. Die Gesetzesänderung, die eine Verschärfung der Regeln für eine Untermiete bringen soll, steht noch bei 50 Prozent Zustimmung, aber mit klar negativem Trend. Das Hauptargument der Befürworter, dass die Neuerung den Missbrauch bei der kommerziellen Untervermietung verhindere, zieht deutlich weniger als noch vor ein paar Wochen.
Noch schlechter sieht es für die Vorlage aus, die die Hürde zur Kündigung des Mietvertrags durch den Käufer bei akutem Eigenbedarf der Liegenschaft senken soll. Der Widerstand gegen dieses Projekt ist besonders bei den Jungen, den Städtern und den Westschweizern gross.