Die Regierung hat am Mittwoch ihre konkreten Vorschläge zur Vermeidung von hohen Defiziten ab 2027 in die Vernehmlassung geschickt. Mit Kritik von vielen Seiten ist zu rechnen.
Nun beginnt das offizielle Fest der Kritiker. Der Bundesrat hat am Mittwoch die Vorschläge für sein mittelfristiges Sparpaket in die Vernehmlassung geschickt. Dieses Paket soll das Ergebnis des Bundeshaushalts ab 2027 um etwa 2,7 bis 3,6 Milliarden Franken pro Jahr verbessern, um sonst drohende Defizite zu vermeiden.
Die Zahlen klingen eindrücklich, aber der Begriff «Sparen» ist nicht wörtlich zu nehmen. Es geht nicht um eine Senkung der Bundesausgaben, sondern nur um eine Reduktion des Ausgabenwachstums bis 2030 von durchschnittlich 3 Prozent pro Jahr auf etwas über 2 Prozent. Zudem umfasst das Paket ein Volumen von «nur» etwa 3 Prozent der jährlichen Bundesausgaben.
Doch in der verwöhnten Schweiz braucht schon dies einen politischen Hosenlupf. Die Linke, die im laufenden Abstimmungskampf über die Umweltverantwortungsinitiative verbal gegen das Wirtschafts- und Konsumwachstum kämpft, gibt sich im politischen Tagesgeschäft am stärksten wachstumsgläubig und bezeichnet die geplante Wachstumsbremse als «Kahlschlag».
Auch viele Bürgerliche zelebrieren die gängige Heuchelei: Sie erinnern zwar gerne an die Notwendigkeit eines umfangreichen Sparprogramms, doch wenn es um ihre eigenen Hobbys geht, wie etwa die Steuerprivilegien für Wohlhabende bei Kapitalbezügen aus der Pensionskasse oder der Säule 3a, sind die Predigten der Sonntagsschule rasch vergessen.
Krippenproblem «gelöst»
Das Paket des Bundesrats liefert für die Vernehmlassung Futter für Kritiker in vielen Lagern. Vorgeschlagen sind fast 60 Massnahmen. Davon brauchen 36 eine Gesetzesänderung. Diese Änderungen, die etwa zwei Drittel des gesamten Betragsvolumens ausmachen, will der Bundesrat in einem Sammelerlass zusammenfassen.
Über die Eckwerte des Programms hatte die Regierung auf Basis von Empfehlungen der Expertengruppe Gaillard schon im September 2024 befunden. Neue Massnahmen tauchen in der Vernehmlassungsvorlage denn auch nicht auf. Im Vergleich zu den Eckwerten vom September ist aber der grösste Einzelposten weggefallen. Dabei ging es um die Vermeidung der im Parlament diskutierten Vorschläge zu einer längerfristigen Krippenfinanzierung des Bundes im Umfang von etwa 800 Millionen Franken pro Jahr. Der Bundesrat will die Krippenfinanzierung den Kantonen überlassen. Da der Ständerat im Dezember beschloss, von der diskutierten Bundesfinanzierung abzusehen, schrumpft das Volumen der Regierungsvorschläge.
Auch so ist bei diesem Paket der Kreis der Betroffenen noch gross – was auch den Kreis der Kritiker umfangreich macht. Die Liste der betroffenen Bereiche umfasst unter anderem AHV, Verkehr, Bildung/Forschung, Klimapolitik, Landwirtschaft, Entwicklungshilfe, Flüchtlingsintegration, Bundespersonal, Kultur und Presse. Einige der Massnahmen führen zu Mehrausgaben an anderen Orten wie etwa in der AHV oder bei den Kantonen.
Die Massnahmen auf der Einnahmenseite beschränken sich auf 300 Millionen Franken pro Jahr – was von linker Seite für Vorwürfe der «Einseitigkeit» sorgt. Die Regierung hatte aber schon früher betont, dass die Summe von jüngst beschlossenen oder bald kommenden Steuererhöhungen wie zum Beispiel Anstiegen bei der Mehrwertsteuer für die AHV im Jahr 2027 gut 7 Milliarden Franken ausmachen wird.
Steuerprivileg im Visier
Auch die Massnahmen auf der Einnahmenseite im Regierungspaket gaben bei den Lobbyisten viel zu kritisieren. Dies betraf besonders die deklarierte Absicht des Bundesrats, die Steuerprivilegien (sprich: Subventionen) für Kapitalbezüge aus der Pensionskasse und aus der Säule 3a abzuschaffen. Finanzanbieter, die um ihr Geschäft fürchten, sprachen unter anderem von einem Verstoss gegen Treu und Glauben, weil die Betroffenen die schon kassierten Steuerprivilegien bei den Einzahlungen nicht mehr wie erwartet durch Privilegien bei Kapitalbezügen aufstocken könnten.
Aus einer gesamtgesellschaftlichen Sicht sind Kapitalbezüge aus der Pensionskasse nicht «besser» als Rentenbezüge, weshalb kein überzeugender Grund für die Subventionierung ersichtlich ist. Bei Steuerneutralität beider Bezugsarten verhindert man Fehlanreize. So läge es nahe, Kapitalbezüge zum gleichen Satz zu besteuern, den es bei einer Besteuerung des aus diesem Kapital bestehenden Rentenanspruchs gäbe. In der Praxis ist dies aber kaum sauber umsetzbar, weil die Rentner neben der Pensionskassenrente typischerweise noch andere Einkommensarten haben; das beeinflusst die Steuerprogression. Man könnte bei einem Kapitalbezug jeweils das Einkommen des betreffenden Steuerpflichtigen im Jahr seines Bezugs als Berechnungsbasis nehmen, doch dies wäre eine Einladung zu Umgehungsmanövern.
Bei der Säule 3a gibt es keine Möglichkeit des Rentenbezugs. Die Frage ist dort eher, wie stark man die durch den Steuerabzug von Einzahlungen und die Steuerbefreiung von Erträgen ohnehin schon subventionierte Säule 3a durch eine günstige Besteuerung der Bezüge noch zusätzlich fördern will.
Die Steuerprivilegien der Säule 3a nützen vor allem den Gutverdienern. Zudem profitiert der Finanzsektor, da die Kunden ihm Geld billiger zur Verfügung stellen, als sie es ohne Steuerprivileg täten. Der Mitnahmeeffekt dieser Subvention ist überdies hoch: Laut einem Überblick des Ländervereins OECD über die internationale Forschungsliteratur dürften zwei Drittel bis drei Viertel der Spargelder in steuerbegünstigten Vehikeln nur Verlagerungen aus nicht begünstigten Vehikeln spiegeln.
Sondertarif für Kapitalbezüge
Der Bundesrat schlägt nun die Einführung eines gesonderten Steuertarifs für Kapitalbezüge vor. Bei 20 000 Franken Bezug fiele eine Steuerbelastung von 0,1 Prozent an (20 Franken), bei 100 000 Franken wären es knapp 0,6 Prozent, bei einer Million knapp 4,3 Prozent und bei 20 Millionen gut 9,3 Prozent. Dies gälte bei Bezügen aus der Pensionskasse ebenso wie aus der Säule 3a. Nach geltendem Recht werden Kapitalbezüge aus beiden Säulen vom Bund mit einem Fünftel jenes Steuersatzes belastet, der beim gleichen Betrag bei der ordentlichen Einkommenssteuer des Bundes gelten würde. Die Bandbreite der derzeitigen Belastungen bei Bezügen ab 20 000 Franken reicht von weniger als 0,1 Prozent bis 2,3 Prozent.
Bisher wurden Kapitalbezüge von Ehepartnern im gleichen Jahr zusammengezählt, neu werden solche Bezüge einzeln besteuert. Das erschwert die Vergleichbarkeit mit dem Status quo. Die geplanten Steuererhöhungen fallen vor allem bei hohen Bezügen ins Gewicht. Bei Alleinstehenden und einem Bezug von 100 000 Franken steigt die Bundessteuer «nur» von 547 auf 595 Franken. Bei 500 000 Franken zahlen die Betroffenen 17 595 statt 10 535 Franken, und bei einer Million kommt es fast zu einer Verdoppelung von 23 000 auf 42 600 Franken. Grosse Beiträge kommen vor allem bei Bezügen aus Pensionskassen vor. Steueroptimierungen via Staffelung der Bezüge sind auch im vorgeschlagenen System möglich. Und Einzahlungen in die Pensionskasse wie in die Säule 3a bleiben steuerlich abzugsfähig.
Laut Bundesangaben würde der Vorschlag die Steuerprivilegen für Kapitalbezüge nicht restlos beseitigen, aber reduzieren. Je nach Einzelfall und Annahmen kann das Bild indes unterschiedlich aussehen. Die Reduktion der Steuerprivilegien bringt laut Bundesschätzung bei der direkten Bundessteuer jährliche Mehreinnahmen für den Fiskus von rund 200 Millionen Franken (inkl. Kantonsanteil von etwa 40 Millionen). Die frühere Schätzung belief sich auf 280 Millionen Franken. Das starke Lobbying von Kritikern hat hier also schon gewisse Spuren hinterlassen. Der politische Härtetest für das gesamte Paket der Regierung steht aber noch bevor.