Mittwoch, Oktober 9

Neue Steuern auf Finanzmarkttransaktionen wären relativ schlechte Steuern. Und sie würden eher geringe Erträge bringen. Das sagt der Bundesrat in einem vom Parlament verlangten Bericht.

Die AHV ist populär. Der Grund ist simpel: Die meisten Menschen ziehen mehr Geld aus dem Sozialwerk heraus, als sie direkt oder indirekt einzahlen – und dies geht nach dem Motto «nach uns die Sintflut» grossenteils zulasten der Jüngeren. Die Rentenversprechen der AHV sind derzeit bei weitem nicht voll finanziert.

Laut Rechnungen von Ökonomen der Universität Freiburg im Breisgau und der UBS vom September hat die AHV einschliesslich der beschlossenen 13. Monatsrente ungedeckte Checks für etwa 1300 Milliarden Franken ausgestellt. Das heisst, die Rentenversprechen übersteigen die künftigen Einnahmen um diesen Betrag. Künftige Deckungslücken sind dabei mit einem realen Zins von 2,1 Prozent pro Jahr auf den heutigen Barwert heruntergebrochen.

Eine andere Betrachtungsweise lieferte der Bund im September mit den korrigierten AHV-Finanzperspektiven. Laut diesen Schätzungen schreibt die AHV ohne Gegenmassnahmen ab 2026 oder 2027 rote Zahlen, und das Jahresdefizit nimmt danach laufend zu – auf über 3 Milliarden Franken ab 2031 und über 5 Milliarden ab 2035. Und im wahrscheinlichen Szenario, wenn die Urnengänger auch noch der Mitte-Volksinitiative zur Erhöhung der Ehepaarrenten zustimmen, werden die jährlichen Defizite des Selbstbedienungsladens noch um weitere 3 bis 4 Milliarden Franken steigen.

Massnahmen sind unvermeidlich

Der Bundesrat will die 13. Monatsrente teilweise mit einer Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0,7 Prozentpunkte finanzieren, doch dies würde die AHV noch nicht langfristig über Wasser halten. Weitere Sanierungsmassnahmen werden kommen müssen. Auch künftig dürften zusätzliche Steuern oder Lohnabzüge weniger unpopulär sein als die Erhöhung des Rentenalters. Hauptgrund: Die Zusatzzahlungen für die AHV gehen grossenteils zulasten der Jüngeren, während an der Urne die Bürger ab Alter 50 eine klare und noch weiter wachsende Mehrheit haben.

Wie wäre es mit einer zusätzlichen Steuer auf Finanzmarkttransaktionen für die AHV? Antworten auf die Frage hatte der Ständerat vom Bundesrat im Jahr 2022 noch weit vor dem Urnengang zur 13. AHV-Rente verlangt. Politisch erscheint die Idee attraktiv: Man kann den Eindruck erwecken, es treffe nur Reiche und Böse («Spekulanten»), die Steuersätze sind optisch gering, und Warnungen vor schädlichen Wirkungen auf Investitionen erscheinen zu abstrakt, um in 20-Sekunden-Botschaften vor TV-Kameras bleibenden Eindruck zu hinterlassen.

Doch der Bundesrat hat am Mittwoch in seinem Bericht kaltes Wasser auf die Idee gegossen: Er lehnt eine Finanzierung der AHV durch zusätzliche Steuern auf Finanzmarkttransaktionen klar ab. Er bringt vor allem vier Einwände vor.

Erstens: Gemessen am Prinzip der Besteuerung nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit sind Transaktionssteuern schlecht, weil sie im Unterschied zu Einkommens- oder Konsumsteuern nicht auf die Leistungsfähigkeit abstellen. Zweitens: Finanztransaktionssteuern verzerren den Entscheid zwischen Konsum und Sparen zulasten des Sparens, sie können die Kapitalbildung von Unternehmen verteuern und damit die Wirtschaftsentwicklung bremsen. Drittens: Die Gefahr von Ausweichmanövern ist relativ gross. Und viertens: Die potenziellen Steuererträge sind relativ gering.

Verschiedene Varianten von Finanzmarkttransaktionssteuern sind denkbar und existieren zum Teil bereits. Das können zum Beispiel Steuern auf die Emission von Eigenkapital oder Fremdkapital durch Unternehmen sein. Oder es können Steuern auf den Handel mit Wertpapieren oder von Devisen sein. Oder es können Steuern auf Krediten und Bankeinlagen sein.

Stempelabgaben für 2,3 Milliarden

Eine Kredit- oder Bankeinlagensteuer wäre vermutlich auch bei Politikern unpopulär. Das breite Publikum würde sich hier wohl direkt betroffen fühlen, und die Warnung vor einer Verteuerung von Krediten und einer Verschlechterung der Bedingungen für Bankeinlagen dürfte wohl auf erhebliche Resonanz stossen.

Emissionsabgaben belasten die Unternehmen und auch die Anleger, doch für das breite Publikum ist das weiter weg. Das zeigte sich 2022, als das Volk die vorgeschlagene Abschaffung der Emissionsabgabe auf Eigenkapital von Unternehmen klar ablehnte – obwohl diese Schweizer Emissionsabgabe im internationalen Vergleich ein Exot ist. Die Emissionsabgabe auf Fremdkapital hatte die Schweiz dagegen 2012 abgeschafft.

Die Schweiz kennt zurzeit drei Typen von Stempelabgaben auf Finanztransaktionen. Nebst der Emissionsabgabe von 1 Prozent auf neu geschaffenem Eigenkapital von juristischen Personen gibt es noch eine Abgabe auf Börsenumsätzen mit Wertpapieren (0,15 bis 0,3 Prozent) und eine Stempelabgabe auf gewissen Versicherungsprämien. 2023 nahm der Bund rund 2,3 Milliarden Franken mit diesen Stempelabgaben ein.

Nach der globalen Finanzkrise von 2008/09 war die alte Idee einer Finanztransaktionssteuer als Lenkungsabgabe zur Eindämmung von «Spekulationen» wieder in Mode gekommen. Die EU-Kommission hatte 2010 eine EU-weite Steuer von 0,01 bis 0,1 Prozent auf gewissen Transaktionen vorgeschlagen, doch Mehrheiten dafür gab es nicht.

Frankreich und Italien führten in der Folge eine eigene Wertschriftentransaktionssteuer ein. Aber die Einnahmen daraus in beiden Ländern sind laut dem Bericht des Bundesrats im Verhältnis zur Grösse der Volkswirtschaft weit geringer als die Einnahmen der Schweiz aus ihrer derzeitigen Stempelabgabe auf Börsenumsätzen. Auch im Vergleich zu fünf anderen europäischen Ländern mit ähnlichen Abgaben einschliesslich Grossbritanniens sind die Einnahmen in der Schweiz im Verhältnis zur Gesamtwirtschaft am höchsten. Der Finanzplatz in der Schweiz ist relativ gross.

Unnötige Lenkungsabgabe

Doch führt eine Besteuerung von Finanztransaktionen zu mehr oder zu weniger Preisschwankungen? Der vom Bundesrat präsentierte Forschungsüberblick kommt zum Schluss, dass laut den meisten Studien Steuern auf Wertpapiertransaktionen die Preisschwankungen erhöhen oder nicht spürbar beeinflussen. Eine Rechtfertigung für eine Lenkungsabgabe lässt sich daraus nicht ableiten.

Die skeptische Haltung des Bundesrats zu (zusätzlichen) Finanztransaktionssteuern deckt sich mit der Einschätzung mancher Ökonomen über gute und schlechte Steuern. Für den Fall, dass das Parlament trotzdem zusätzliche Finanzmarktsteuern will, nennt die Regierung mögliche Ansatzpunkte: die Erhöhung der bestehenden Emissionsabgabe auf Eigenkapital von 1 auf 2 Prozent (geschätzte Mehreinnahmen von etwa 200 Millionen Franken pro Jahr); die Wiedereinführung der Emissionsabgabe auf Anleihen (220 Millionen); die Verdoppelung der Stempelabgabe auf Börsenumsätzen mit inländischen Wertpapieren (150 bis 200 Millionen); oder die Einführung einer Steuer auf Neuhypotheken (590 bis 730 Millionen).

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