Sonntag, September 29

Der Maschinenbauer restrukturiert weiter, noch zeichnet sich aber keine Erholung ab. Ausserdem: Komax-Kunde Leoni wird nach China verkauft, wieso Martin Ebner auf Temenos setzt, Aryzta hält Wort und bei Interroll verabschiedet sich Familie Specht schrittweise.

Geschätzte Leserin, geschätzter Leser

Komax kämpft. Der Hersteller von Kabelverarbeitungsmaschinen leidet seit Monaten unter der sehr schwachen Nachfrage aus der europäischen Automobilindustrie. Hinzu kommt, dass mittelfristig auch aus China Ungemach droht. Das Land produziert mittlerweile mit Abstand am meisten Elektroautos und versucht, seine Dominanz und damit die chinesische Wertschöpfung durch eine vertikale Integration der Produktionskette zu steigern.

Das schwierige Marktumfeld spiegelt sich im Aktienkurs von Komax, seit Anfang Jahr haben die Titel gegen 40% verloren.

Und nun kommt die nächste Nachricht aus China: Luxshare Precision Industry soll laut der Onlineplattform Mergermarket eine Mehrheit – genauer 50,1% – an der deutschen Leoni vom bisherigen Eigentümer L2-Beteiligungs GmbH erworben haben. Leonis Kabeldivision geht gemäss der Mitteilung für 320 Mio. € zu 100% an eine Tochter des chinesischen Herstellers von Elektrokomponenten.

Leoni stellt Kabel her und beliefert die grossen europäischen Autobauer mit Bordnetzen. Das Industrieunternehmen war einst Komax› grösster Kunde, bevor es in Schieflage geriet und in den vergangenen zwei Jahren restrukturiert werden musste. Durch die Anwendung des sogenannten StaRUG-Verfahrens war die Insolvenz gerade noch abgewendet worden. Seit Spätsommer 2023 ist der österreichische Unternehmer Stefan Pierer über seine Gesellschaft L2 alleiniger Aktionär des Unternehmens. Die Restrukturierung zum Vorteil Pierers hatte für grosse Kritik gesorgt. Die bisherigen Leoni-Aktionäre seien de facto enteignet worden, sagen Kritiker, und nun folgt mit dem Verkauf nach China der nächste Schlag für die deutsche Industrie.

Grössere Investitionen durch Leoni dürfte Komax zwar bis auf weiteres nicht mehr erwartet haben. Und ob sich der Verkauf Leonis nach China tatsächlich auf den Schweizer Maschinenbauer auswirkt, lässt sich heute nicht sagen. Das Unternehmen will die Meldung nicht kommentieren. Aber mit der Transaktion fällt ein weiteres Glied aus der Wertschöpfungskette in chinesische Hände, wodurch die Dominanz und damit der Kostendruck aus Fernost sicher nicht kleiner wird.

Auch Bystronic steckt in der Misere. Beim Hersteller von hoch automatisierten Maschinen zur Blechbearbeitung bleiben die Bestellungen weg, weil die Fabriken der Kunden ungenügend ausgelastet sind. Bereits im vergangenen Jahr schrumpfte der Umsatz, und das erste Halbjahr 2024 fiel erneut enttäuschend aus: Das Unternehmen schrieb einen Verlust, der Auftragseingang blieb mit gut 300 Mio. Fr. erneut hinter dem Umsatz zurück. Für das Gesamtjahr rechnet das Management um den seit Juli 2024 amtierenden CEO Domenico Iacovelli mit einem Auftragseingang und einem Umsatz unter Vorjahr und einem «wesentlichen» Verlust.

Der Aktienkurs ist seit dem Höchst Ende 2022 um 75% gesunken.

Das Unternehmen hat entsprechend Massnahmen zur Kostenreduktion getroffen, nachdem die Ausgaben für Produktion und Serviceleistungen in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen waren. Stellen wurden abgebaut, temporäre Produktionskapazitäten reduziert und am Standort in Niederönz befinden sich Mitarbeiter produktionsnaher Bereiche seit dem Frühjahr in Kurzarbeit. Ausserdem sollen die Unternehmensstruktur vereinfacht und die Geschäftsleitung verkleinert werden, wie Bystronic vergangene Woche angekündigt hat. Diese Massnahmen dürften zwar rund 20 Mio. Fr. kosten, aber versprechen nochmals Einsparungen von 40 Mio. bis 60 Mio. Fr. jährlich.

Eine schnelle Trendwende lässt sich auch damit kaum herbeiführen. Das Unternehmen selbst erwartet keine Erholung im zweiten Halbjahr und es ist gut möglich, dass Bystronic noch 2025 und sogar 2026 Verlust schreiben wird. Damit sind die Mittelfristziele von einem Umsatz in Höhe von 1,3 Mrd. Fr., einem jährlichen organischen Wachstum von 5% und einer Betriebsgewinnmarge auf Stufe Ebit von 12% längst Makulatur. Es würde mich nicht überraschen, wenn Iacovelli auch diese Prognose noch vor Ablauf dieses Jahres überarbeitet.

Der neue CEO, der den deutschen Pressenhersteller Schuler erfolgreich restrukturierte, hat ohnehin noch viel Arbeit vor sich – vielleicht mehr als er erwartet hatte. Er setzt denn auch nicht einfach auf die Markterholung, sondern will weiter aktiv an der Verbesserung arbeiten: Bystronic soll näher zu den Kunden, um deren Bedürfnisse zu verstehen, und neue Märkte etwa in der Elektromobilität erschliessen.

Vor der Pleite steht das Unternehmen deshalb aber noch lange nicht, die Kassen sind seit der Fokussierung der ehemaligen Conzzeta unter dem Namen Bystronic auf das Blechbearbeitungsgeschäft und dem Verkauf der Outdoormarke Mammut im Jahr 2021 prall gefüllt: Per Ende Juni wies es – Cash und Wertschriften zusammengezählt – eine Liquidität von rund 300 Mio. Fr. auf. Dem stehen keine Finanzschulden gegenüber. Damit macht die Nettoliquidität mehr als die Hälfte der gegenwärtigen Marktkapitalisierung von rund 560 Mio. Fr. aus. Ein ansehnlicher Anteil.

Die Bilanzqualität ist nicht nur solide, sondern könnte aus Sicht eines Grossinvestors mit langfristiger Perspektive geradezu verlockend wirken. Angesichts des niedrigen Börsenwerts liegt auch die Idee einer strategischen Übernahme nicht fern, zumal Bystronic als Nummer drei im Markt sehr gut positioniert ist. Am ehesten käme dafür Branchenleader Trumpf infrage. Doch ein solches Vorhaben würde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an der Eigentümerschaft scheitern: Die Caliza Holding hält rund 51% an Bystronic. Dahinter steht unter anderem Jacob Schmidheiny, der die familieneigenen Ziegeleien zu Conzzeta umbaute.

Aus Sicht einer Kleinanlegerin wäre ich derzeit aber noch zurückhaltend, der Weg ist lang. Für einen allfälligen Einstieg sollte sich zuerst eine operative Besserung abzeichnen.

«Temenos? Nein danke.»

Das ist die Antwort, die man unisono erhält, wenn man Fondsmanager auf die Aktien des Genfer Herstellers von Bankensoftware anspricht. Zu oft hat das Unternehmen die Erwartungen enttäuscht, zu oft haben sich Übernahmefantasien in Luft aufgelöst.

Vom Angriff des Short-Sellers Hindenburg im Februar haben sich die Titel – obwohl die Vorwürfe weitgehend entkräftet wurden – nicht mehr erholt. Weiterhin ist Temenos das Ziel von Spekulanten, die auf sinkende Kurse wetten. Gemäss den letzten verfügbaren Daten waren knapp 5% der ausstehenden Aktien von Temenos ausgeliehen, was ein Hinweis auf das Ausmass der Short-Positionen gibt.

Ein Investor scheint jedoch an Temenos zu glauben: Martin Ebner. Der Financier aus Wilen hat gemäss einer Pflichtmeldung bei der SIX Exchange Regulation vom 6. September die meldepflichtige Schwelle von 20% überschritten. Anders als die umtriebige Investmentgesellschaft Petrus Advisers, die ihre meldepflichtigen Beteiligungen an Temenos in der Vergangenheit jeweils hauptsächlich über Call-Optionen aufgebaut hatte, ist Ebner «richtig» dabei. Er hält mehr als 20% der Aktien.

Was also sieht er am Unternehmen, das andere Investoren nicht sehen?

Meiner Ansicht nach ist die Antwort simpel: Temenos ist, vor allem zu Kursen unter 60 Fr., in den Augen von Ebner klar unterbewertet. Die Position der Genfer im Markt für Bankensoftware ist stark, der erwirtschaftete Cashflow steigt stetig. Die grosse Skepsis, die Temenos an der Börse begegnet, ist eine Chance.

Ich gestehe: Auch ich war skeptisch, als Temenos im Frühjahr nach langer Suche endlich einen neuen CEO in der Person des 65-jährigen Franzosen Jean-Pierre Brulard präsentierte. Doch wie ich mittlerweile höre, überrascht Brulard sowohl intern als auch extern positiv. Er macht seine Aufgabe gut, er stärkt die Motivation der Belegschaft, er ist kritikfähig und hört zu. Das ist ein grosser Unterschied zu seinem Vorgänger Andreas Andreades, der intern keine Widerrede duldete.

Drei Themen könnten in den kommenden acht Wochen die Stimmung gegenüber Temenos am Aktienmarkt verbessern:

Erstens arbeitet Temenos mit Hilfe der Banken Goldman Sachs und Rothschild daran, die Fondsmanagementeinheit Multifonds zu veräussern. Bis Ende vergangener Woche konnten interessierte Parteien ihre Angebote einreichen. Wie ich höre, zeigte eine Reihe von Private-Equity-Gesellschaften Interesse. Das Geschäft mit Fondsadministrations-Software ist durchaus attraktiv, aber es weist kaum Synergien mit dem Rest von Temenos auf. Ein Verkauf ist daher sinnvoll. Ich denke, ein Käufer dürfte bereit sein, das Zwanzigfache des Betriebsgewinns auf Stufe Ebitda für die Einheit zu bezahlen. Unter der Annahme, dass Multifonds einen Ebitda von 25 Mio. Fr. erreicht, könnte Temenos rund 500 Mio. Fr. für die Einheit lösen. Ein Grossteil dieses Verkaufserlöses könnte rasch in ein neues Aktienrückkaufprogramm fliessen.

Zweitens publiziert Temenos am 23. Oktober die Zahlen zum dritten Quartal. Ich kann mir vorstellen, dass viele Short-Seller auf eine weitere Enttäuschung setzen. Aber gelingt es Temenos, mit den Zahlen zumindest nicht zu enttäuschen, wäre das schon ein Gewinn. Eine weitere Pflichtmeldung bei der SIX Exchange Regulation lässt in diesem Zusammenhang aufhorchen: Am 12. September hat ein nicht-exekutives Mitglied des Verwaltungsrats den Kauf von Aktien im Wert von 609’000 Fr. gemeldet. Das könnte ein Anzeichen sein, dass das dritte Quartal operativ bislang nicht allzu schlecht läuft.

Drittens führt Temenos am 12. November in London einen Investorentag durch. Brulard wird ohne Zweifel die bisherigen, zu optimistischen, Wachstumsziele senken. Aber das ist in den Schätzungen der Analysten ohnehin längst eingepreist. Der CEO erhält so die Möglichkeit, die Zweifler zu überzeugen, realistische Ziele zu präsentieren und zu zeigen, wie die Umstellung auf ein Abo-Modell im Softwarevertrieb zu attraktiven, wachsenden Cashflows führt.

Das alles dürfte Martin Ebner sehen. Temenos schlägt am Aktienmarkt derzeit einfach zu viel Pessimismus entgegen. Da reichen geringfügige positive Überraschungen aus, um einen «Short squeeze» auszulösen, der die Leerverkäufer zwingt, ihre Positionen zu decken.

Etwas längerfristig betrachtet bleibe ich bei meiner Meinung, dass es für Temenos die beste Option wäre, sich von einer Private-Equity-Gesellschaft übernehmen zu lassen, um die Umstellung auf das Abo-Modell in Ruhe durchzuführen. Diverse Private-Equity-Investoren haben Temenos in den vergangenen Jahren geprüft, doch sie wurden vom langjährigen CEO und VR-Präsidenten Andreas Andreades immer wieder brüskiert. Nun ist Andreades seit knapp einem halben Jahr weg, und damit wird sich früher oder später auch diese Perspektive wieder öffnen.

Wetten, dass Ebner auch das sieht?

Aryzta tilgt einen weiteren Hybridbond. Wie bereits im August angekündigt, wird die Anleihe mit einem Volumen von 325,4 Mio. Fr. zum Zinszahlungstermin am 25. Oktober zurückbezahlt werden. Die Rückzahlung soll als aus Barmitteln und der neuen Kreditfazilität finanziert werden, wie der Grossbäcker am Montag kommunizierte. Zwischen 2021 und 2024 wird er damit mehr als 880 Mio. € an Hybridkapital und aufgeschobenen Zinsen durch den freien Cashflow und durch Bankkredite zurückgezahlt haben.

Damit gesundet die Bilanz weiter, die Nettoverschuldung im Verhältnis zum Betriebsgewinn auf Stufe Ebitda liegt schon jetzt wie prognostiziert unter 3. Ich gehe davon aus, dass auch die letzte verbleibende Hybridanleihe über rund 150 Mio. Fr. bald zurückgezahlt wird. Eine solche Entschuldung hätte bei Urs Jordis Antritt als Präsident vor ziemlich genau vier Jahren wohl kaum jemand für möglich gehalten.

Noch wichtiger aber finde ich das Signal an die Finanzmärkte: Aryzta hält erneut Wort. Schon bei fast allen Kennzahlen hat das Unternehmen die Mittelfristziele vorzeitig erreicht. Das macht Mut für die nächste Strategieperiode bis 2028. Vor diesem Hintergrund bewegten sich die Aktien in den vergangenen Monaten erstaunlich wenig, das Plus seit Anfang Jahr beträgt rund 8%. Da geht noch mehr.

Da hat jemand ordentlich Kasse gemacht: Für 24 Mio. Fr. hat ein nicht-exekutives Verwaltungsratsmitglied von Interroll per Freitag, den 13. September, Aktien verkauft. Gemäss Daten der Börsenaufsicht SER kamen die 10’000 Titel zu je 2400 Fr. und damit mit einem Abschlag von rund 6% auf den Markt.

Als Verkäufer kommen bei Interroll nur zwei Personen infrage: Verwaltungsratspräsident Paul Zumbühl, der per 31. Dezember 2023 22’565 Aktien ausgewiesen hat – seine Position beträgt seit Jahren rund 20’000 Titel – oder VR-Mitglied Ingo Specht. Das Unternehmen macht keine Angaben zur Person hinter der Transaktion. Das Muster und die Vermögensverhältnisse aber sprechen für Specht: Der Deutsche hat seine Position gemäss Geschäftsbericht bereits 2023 um fast 10’000 auf 42’100 Titel reduziert, wobei er das gemäss Daten der SER über das Jahr verteilt tat.

Über den Grund für den Verkauf kann nur spekuliert werden. Für mich ist klar, dass die Familie Specht ihre Position, zu der sie über Interroll-Mitgründer – und Vater von Ingo Specht – Dieter Specht gekommen ist, stetig reduziert. Schon in den vergangenen Jahren ist der Anteil der Spechts an Interroll stetig gesunken. 2023 wurde laut SER die Meldeschwelle von 5% unterschritten. Mit dem jüngsten Verkauf und weiteren Veräusserungen seit Jahresbeginn rückt die nächste meldepflichtige Marke von 3% in die Nähe.

Auffällig finde ich aber noch etwas anderes: Während das Unternehmen im Geschäftsbericht 2023 den Verkauf der knapp 10’000 Aktien ausweist, kommt die SER auf Veräusserungen durch Manager und Verwaltungsratsmitglieder in Höhe von nur 7138 Titeln. Da scheint einiges nicht gemeldet worden zu sein. Ein Sprecher der SER will sich zu einzelnen Emittenten nicht äussern und verweist darauf, dass es Ausnahmefälle von der Meldepflicht gebe.

Dies sei dann der Fall, wenn es sich um Transaktionen handelt, die ohne Möglichkeit einer Einflussnahme auf den Investitions- oder Desinvestitionsentscheid der meldepflichtigen Person erfolgen. Ausserdem würden gewisse Sachverhalte wie eine Verpfändung oder Schenkung nicht der Meldepflicht unterliegen, wie aus der Richtlinie zur Offenlegung von Managementtransaktionen der SER hervorgeht.

Im vorliegenden Fall erschliesst sich mir jedoch nicht, wieso die Transaktionen nicht hätten gemeldet werden müssen.

Freundlich grüsst im Namen von Mrs Market

Gabriella Hunter

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