Der Schweizer Wäschehersteller ist jüngst in eine Negativspirale schlechter Nachrichten geraten. Um wieder vorwärtszukommen, setzt die Firma auf bewährtes Personal – und auf Selbstbescheidung.
Calida gilt als Fels in der Schweizer Unternehmenslandschaft. Fast jede und jeder im Land kennt die Marke. Und nicht wenige verbinden mit dem 1941 gegründeten Hersteller von Unterwäsche und Pyjamas beinahe schon nostalgische Gefühle. Im vergangenen Jahr ist das Selbstbild als bodenständiges Luzerner Traditionsunternehmen aber ins Wanken geraten. Die negativen Schlagzeilen häuften sich.
Rückkehr eines Altbekannten
Sowohl der CEO als auch der Verwaltungsratspräsident wurden im Frühjahr de facto abgesetzt, unter anderem deshalb, weil sie mit ihren Akquisitionen eine unglückliche Hand bewiesen hatten. Die unrentablen Firmenzukäufe mussten in der Folge abgeschrieben und die Strategien neu überdacht werden. Bei den Investoren kostete das viel Vertrauen; der Börsenkurs von Calida brach um über einen Drittel ein.
2023 sei ein «recht turbulentes Jahr» gewesen, sagte Felix Sulzberger am Freitag bei der Präsentation der Jahresbilanz. Er war im vergangenen März im Alter von immerhin schon 72 Jahren von der Gründerfamilie Kellenberger quasi aus der Pension nach Sursee geholt worden. Den Firmenhauptsitz kennt Sulzberger gut. Ab 2001 hatte der erfahrene Textilunternehmer Calida 15 Jahre lang als CEO geführt.
Eigentlich wurde Sulzberger nur als Verwaltungsratspräsident geholt. Nach dem Abgang von Timo Schmidt-Eisenhart als CEO im vergangenen Juli übernahm er ad interim aber auch die operative Führung – eine Rolle, die er bald an einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin abtreten will. Die Aufgabe des Sanierens ist ihm bekannt. Schon 2001, beim ersten Start bei Calida, herrschten verlustreiche Zeiten – damals gelang der Turnaround.
«Kein tolles Ergebnis»
Ob die Wende erneut gelingen wird, ist offen. Für das vergangene Geschäftsjahr weist Calida jedenfalls schlechte Zahlen aus. Der Umsatz ist im Vorjahresvergleich um 5 Prozent auf 304 Millionen Franken gesunken. Und nach einem Unternehmensgewinn von 37 Millionen im Vorjahr resultiert 2023 ein Reinverlust von 67 Millionen Franken. «Kein tolles Resultat», wie Sulzberger meint.
Dass der Wäschehersteller in die roten Zahlen rutschen würde, wusste man. So hatte die Unternehmensleitung bereits im September, nach abgeschlossener Strategieüberprüfung, einen Jahresverlust angekündigt. Schon damals war absehbar, dass die Wertberichtigung auf drei missglückten Akquisitionen, welche die alte Firmenleitung allesamt im Jahr 2022 getätigt hatte, das Gesamtergebnis stark belasten würde.
Nicht aufgegangen ist etwa die Rechnung mit Erlich Textil, einem deutschen Online-Händler für nachhaltig produzierte Unterwäsche. Das Startup blieb von Anfang an weit hinter den Erwartungen zurück. Calida entschied sich daher im Sommer, die Reissleine zu ziehen, das Geschäft mit der jungen Marke nicht weiterzuführen und eine Wertberichtigung von 21 Millionen Franken vorzunehmen.
Allzu ambitiös waren im Nachhinein auch die Pläne mit Cosabella. Die amerikanische Marke für Unterwäsche im Luxussegment war ebenfalls 2022 akquiriert worden und hätte Calida den Weg zum US-Markt ebnen sollen. Hierzu fehlte es der Firma aber nicht nur an Grösse, sondern auch an Lieferketten und Produktneuheiten. Calida hält zwar an Cosabella fest, hat 2023 auf der 80 Millionen Dollar teuren Akquisition aber eine Wertberichtigung von 48 Millionen Franken getätigt.
Rückbesinnung auf die Stärken
Angesichts der Vielzahl verlustreicher Beteiligungen, zu denen auch die E-Commerce-Tochter Reich Online und deren Ende 2023 eingestellter Online-Shop Onmyskin gehört, überrascht es wenig, dass bei Calida der Hunger nach Zukäufen derzeit gestillt scheint. «Keep it simple», lautet bis auf weiteres die Devise, sagt Sulzberger. Man will sich zurückbesinnen auf jene Kernmarken, die rentieren; das sind Calida (Unterwäsche), Aubade (Lingerie) und Lafuma Mobilier (Gartenmöbel).
Diese Devise ist nicht frei von Ironie. So war Sulzberger in seiner ersten Amtszeit als CEO – ähnlich wie nun sein vielgescholtener Vorgänger Schmidt-Eisenhart – ebenfalls durch einen forschen Expansionskurs aufgefallen. Das führte damals zu Spannungen mit der Gründerfamilie Kellenberger. Diese trat für einen Konsolidierungskurs ein und wollte weitere Übernahmen nicht mit einer eventuell nötig werdenden Kapitalerhöhung mittragen.
Der alte Konflikt zwischen Sulzberger und der Familie Kellenberger scheint längst aus dem Weg geräumt. Anders ist nicht zu erklären, dass die Familie, die einen Anteil von 33 Prozent an Calida hält, bei der nun anstehenden Restrukturierung erneut auf den erprobten Krisenmanager setzt. Seine Aufgabe wird es nun aber tatsächlich sein, das Erreichte zu konsolidieren und wieder Ruhe in den Betrieb zu bringen.
Unklare Zukunft der Gründerfamilie
Die Familie ist an den Turbulenzen, die Calida jüngst durchlebte, auch nicht ganz unschuldig. So hatte sie im Sommer 2022 angekündigt, ihre Beteiligung verkaufen zu wollen. Das stiess beim damaligen Management auf Widerstand, da es um die Unabhängigkeit der Firma fürchtete. Gegenüber potenziellen Käufern soll man sich daher wenig kooperativ gezeigt haben, was zu Reibungen mit der Familie führte.
Im März vergangenen Jahres entschied sich die Familie schliesslich, «ihre Verantwortung als Ankeraktionärin weiterhin wahrzunehmen», also das Aktienpaket doch nicht zu verkaufen. Wie lange das so bleiben wird, ist aber unklar. Seitens der Familie bekennt man sich zu einem «mittelfristigen» Engagement. Das ist ein dehnbarer Begriff; das Werweissen über die Rolle der Familie dürfte daher anhalten.
Für die nahe Zukunft zeichnet sich zumindest eine Stabilisierung ab. Zwar will sich Sulzberger für 2024 nicht auf präzise Prognosen festlegen lassen. Beim Umsatz stellt er aber eine ungefähr flache Entwicklung in Aussicht, ebenso bei der Bruttomarge, derweil beim Gewinn dank Wegfall der Sondereffekte eine klare Besserung erwartet wird. Ob das reicht, um die Investoren zurückzuholen, bleibt offen. Das Kursplus der Aktie zu Wochenschluss spiegelt einen gewissen Vertrauensbonus.