Sonntag, September 8

Der deutsche Oppositionsführer rechnet damit, dass die Union die nächste Bundesregierung anführen wird. Jetzt hat er sich Gedanken gemacht, wie eine Koalition aussehen müsste, in der sich möglichst viele Positionen von CDU und CSU durchsetzen lassen.

Der Chef der deutschen Christlichdemokraten, Friedrich Merz, hält nach der nächsten Bundestagswahl ein von CDU und CSU angeführtes Zweierbündnis mit einer der Ampelparteien für realistisch. Die Grünen nahm er davon in seinem wöchentlichen Rundschreiben am Samstag ausdrücklich nicht aus.

Im Herbst vergangenen Jahres hatte Merz einer Koalition mit den Grünen auf Bundesebene noch eine Absage erteilt. Allerdings schränkte er dies auf den Fall ein, dass die Partei an ihren derzeitigen Positionen festhalte. Er nannte dabei besonders Migration und Innere Sicherheit. Schon zuvor hatte er die Grünen als politischen Hauptgegner der Unionsparteien identifiziert.

Keine Koalition mit der AfD

Merz legte seinen Überlegungen mit Verweis auf Umfragen die Annahme zugrunde, dass CDU und CSU nach der nächsten Bundestagswahl als stärkste Fraktion den Regierungsauftrag erhalten werden. Weil aber eine eigene Mehrheit nicht in Sicht sei, bleibe die Union auf einen Koalitionspartner angewiesen. Die AfD schloss er als rechtsradikal aus. «Also bleiben SPD, Grüne und FDP», so Merz.

Anlass für seine Überlegungen war die Frage, wie ein Politikwechsel in Deutschland sichergestellt werden könne, ohne dass die politischen Vorstellungen der Union in Koalitionsverhandlungen verwässert werden. Bei einer Rede im Bundestag hatte er bereits vergangene Woche deutlich gemacht, dass die Union die Politik der «Ampel» im Grundsatz und nicht nur im Detail ablehne.

Voraussetzung für eine von Unions-Politik geprägte Koalition auf Bundesebene wäre demnach, dass CDU und CSU mindestens doppelt so stark würden wie jede der derzeitigen Regierungsparteien. «Die Union muss die mit Abstand stärkste Kraft in Deutschland werden, am besten im Verhältnis 2 zu 1 zu SPD und Grünen, mindestens doppelt so viel im Verhältnis zur FDP.»

Merz will nur einen Koalitionspartner

CDU und CSU müssten bei der Wahl zudem so gut abschneiden, dass nur ein Koalitionspartner benötigt werde, auf keinen Fall zwei. «Wenn die FDP die Wahl überlebt, sind FDP und Grüne zusammen genauso wenig verlockend wie jede andere Kombination. Einer muss reichen, am besten mit Auswahl zwischen mehreren», so Merz. Das sei realistisch.

Merz verwies dabei auf die Erfahrungen, die die CDU in Hessen nach der Landtagswahl im vergangenen Oktober gemacht hatte. Die mit Abstand stärkste Partei führte nach der Wahl ergebnisoffene Gespräche sowohl mit ihrem bisherigen grünen Koalitionspartner als auch mit der SPD. Schliesslich gab die CDU unter Ministerpräsident Boris Rhein einem Bündnis mit den Sozialdemokraten den Zuschlag.

«Hätte die hessische CDU eine Koalition mit den Grünen von vorneherein ausgeschlossen, wäre dieses Ausloten um den besten Erfolg im Sinne der CDU nicht möglich gewesen», so Merz, «die SPD wäre viel selbstbewusster aufgetreten.» Auch eine Koalition dürfe nicht alternativlos werden. «Der Koalitionsvertrag in Hessen trägt somit die Handschrift der CDU, auch die Besetzung der Ressorts in Hessen zeigt, wer in der Regierung die wichtigsten Aufgaben wahrnimmt. »

Die Liberalen erklärte Merz dabei zum Wunschpartner. «Mit der FDP liesse sich eine bürgerliche Koalition am ehesten verwirklichen, fraglich ist aber, ob sie als Partei überlebt», so der CDU-Chef. Das verband er mit einer Drohung in Richtung der FDP, sollte sie die Ampelkoalition nicht vor dem regulären Ende im Herbst 2025 verlassen.

Der CDU-Chef sieht strukturell keine linke Mehrheit

«Wenn sie bis zum bitteren Ende in der gegenwärtigen Koalition bleibt, werden wir um ihre früheren und bis dahin noch verbliebenen restlichen Wählerinnen und Wähler kämpfen.» Jede Stimme an die FDP wäre dann eine verschenkte und verlorene Stimme für einen Politikwechsel in Deutschland, so Merz.

«Löst sie sich früh genug und glaubwürdig aus der Umklammerung der ‹Ampel›, müsste sie ordentlich zulegen, um mit uns zusammen die Mehrheit der Mandate im Deutschen Bundestag zu erreichen», schrieb Merz. Das Potenzial dafür sei ohne Zweifel vorhanden. Es gebe in Deutschland strukturell keine linke Mehrheit.

Die FDP müsste laut Merz dann aber auch zurückkehren zu ihren liberalen und marktwirtschaftlichen Grundüberzeugungen, eine ausgesprochen linke Gesellschaftspolitik würde ihr Potenzial eher wieder begrenzen. «Die FDP muss sich also in mehrfacher Hinsicht entscheiden.»

Seit dem Einzug der AfD in den Bundestag 2017 ist die Regierungsbildung für die Union schwieriger geworden. Sie muss Mehrheiten jenseits der rechten Partei finden, mit der sie jegliche Zusammenarbeit ausschliesst. Laut aktuellen Umfragen darf die AfD im nächsten Bundestag mit einer deutlich stärkeren Präsenz rechnen.

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