Mittwoch, März 12

Vier europäische Aussenminister nehmen am Protest gegen die georgische Regierung teil. Als Unterstützung für die Demokratie gemeint, geht der Schuss nach hinten los.

Vier europäische Aussenminister reisen in ein Land, das sich um die Aufnahme in die EU bewirbt. Dort nehmen sie an einer Demonstration gegen die Regierung teil: Einer hält eine flammende Rede, kritisiert die Spaltung zwischen Volk und Regierung des Gastlandes und lässt sich wie ein Volksheld feiern. Geht das?

Eigentlich geht das nicht. Geschehen ist es trotzdem diese Woche in Tbilissi, der georgischen Hauptstadt. Dort traten die Chefdiplomaten der drei baltischen Staaten und Islands unter dem Jubel der Menge auf. Anlass war eine Grossdemonstration der Opposition, die das sogenannte «Agentengesetz» verhindern will. Dieses zwingt einheimische NGO, die Geld aus dem Ausland erhalten, sich als «Agenten mit ausländischem Einfluss» zu registrieren. Angepriesen wird es von der Regierung als «Transparenzgesetz». Ungarn hat eine ähnliche Regelung, die Slowakei ist auf dem Weg dazu, und schon lange verwendet Russland ein solches Gesetz als Repressionsinstrument.

Es geht also um viel. Georgien hat im Dezember 2023 den lange ersehnten Kandidatenstatus von der EU erhalten. Der Schritt ist eine Reaktion auf den Krieg Putins gegen die Ukraine. Länder in der Nachbarschaft Russlands sollen sich der Einflusssphäre der revisionistischen Macht entziehen können. Verbunden mit dem Brüsseler Angebot an Georgien ist ein Katalog von Reformen, die umgesetzt werden müssen, bevor die Beitrittsgespräche beginnen.

Statt sich diese Agenda vorzunehmen, hat die Regierung in Tbilissi nun das Agentengesetz verabschieden lassen. Es ist ein Hindernis auf dem Weg in die EU. Deren Aussenbeauftragter Josep Borrell äusserte sich denn auch postwendend: Geist und Inhalt des Gesetzes widersprächen den Normen der Union, die Regierung solle es zurückziehen. Man sei bereit, weiter mit Georgien an dessen europäischer Zukunft zu arbeiten. So weit, so diplomatisch.

Eine postsowjetische Schicksalsgemeinschaft

Weniger diplomatisch ging es am Protest vor dem georgischen Parlament zu. Stürmisch wurde Gabrielius Landsbergis, der jugendliche litauische Aussenminister, von der Europaflaggen schwenkenden Menge gefeiert. Alle, rief Landsbergis, müssten jetzt offen sagen, was diese Politik für die europäische Zukunft des Landes bedeute. «Die Regierung schuldet es euch, dem georgischen Volk, in die Richtung zu gehen, die der moralische Kompass weist.»

Woher nimmt Landsbergis das Recht zu einer politischen Rede in einem anderen Land? Einer Rede, die die Regierung des Landes unverblümt für ihren Kurs kritisiert und Ratschläge erteilt? Der Litauer beantwortete die Frage indirekt gleich selber. Er sieht sein Land in einer Art Schicksalsgemeinschaft mit Georgien, aber auch mit der Ukraine und natürlich den Nachbarn Estland und Lettland. Sie alle, sagte er, seien vor dreissig Jahren «hinter dem Eisernen Vorhang hervorgekommen» und hätten gesehen, wie weit der Weg in die EU und die Nato noch sei. Und sie alle hassten den Ausdruck «postsowjetisch», aber sie teilten eben doch diese Vergangenheit.

Es ist also die gemeinsame quasikoloniale Vergangenheit, die für Landsbergis aus Georgien so etwas wie eine Brudernation macht, in der er so offen und klar sprechen darf wie zu Hause auf einer Wahlveranstaltung. Aber das ist aus zwei Gründen ein Irrtum. Zum einen ist seine Intervention völkerrechtlich fragwürdig, weil sie gegen das Prinzip der Nichteinmischung in die innere Angelegenheit eines anderen Staates verstösst.

Dieses wird von Artikel 2 der Uno-Satzung garantiert und dient dem Schutz der Souveränität von Staaten. Natürlich dürfen alle Staaten, denen etwas an Georgien liegt, sich dafür einsetzen, dass das Land eine Demokratie bleibt. Aber das umfasst nicht die Teilnahme von Regierungsvertretern an Demonstrationen. Daran ändert auch nichts, dass die Chefdiplomaten zuvor dem georgischen Aussenministerium die Aufwartung gemacht hatten.

Ein Eigengoal für die europäischen Freunde

Der zweite Grund, weshalb der Auftritt von Landsbergis und seinen Kollegen ein Fehler war, ist politisch. Sie spielen damit der Regierung und den Demokratiegegnern direkt in die Hände: Dass ausgerechnet an dem Protest gegen das «Agentengesetz» ausländische Minister auftreten, ist für sie ein gefundenes Fressen. Was machen die dort? Sind das nicht Agenten? Genau dieses Narrativ verbreitet jetzt die Regierungspartei. Es richtet sich an das heimische Publikum und zielt auch schon auf die Wahlen im Oktober.

Der Generalsekretär der Regierungspartei spricht von einem «auswärtigen Versuch, einen Staatsstreich, eine Revolution im Land anzuzetteln». Diese Ausländer seien keine Freunde, sondern versuchten das Land zu spalten. Erstaunlich, haben das Landsbergis und seine Kollegen nicht vorausgesehen.

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