Mittwoch, März 12

In ihren Memoiren erinnert sich die Sängerin Cher an ihre Kindheit in ärmsten Verhältnissen und die Anfänge einer legendären Entertainment-Karriere. Welche Looks sie zur Stilikone gemacht haben, weiss sie noch ganz genau.

Eine kurze und unvollständige Liste jener Dinge, die einem beim Namen Cher in den Sinn kommen könnten:

  • Eine junge, langhaarige Künstlerin in einem Glitzerkostüm
  • Eine ältere Frau mit einem jungen Gesicht und einem noch jüngeren Freund
  • Ein Musikvideo, vielleicht «Believe» oder «If I Could Turn Back Time»
  • Eine Szene aus dem Film «Mermaids»

Obiges trifft alles zu. Wie sich beim Lesen von Chers neuer Autobiografie aber herausstellt, ist da noch viel mehr. Genaugenommen bietet Chers Leben so viel Stoff, dass man nach wuchtigen 411 Seiten erst Anfang der 1980er Jahre angekommen ist. Dass Cher 1988 einen Oscar für ihre Rolle in «Moonstruck» bekommen wird, steht also noch in den Sternen. Oder besser gesagt: im geplanten zweiten Teil der Memoiren, der im November 2025 erscheinen soll.

Nicht dass so viel Lebensgeschichte ungewöhnlich wäre bei einer Frau, die als 78-Jährige viele Leben gelebt und mehrere Generationen berührt hat. Wie lange sie schon im Business ist, zeigen jene Szenen im Buch, in denen Cher als Künstlerin, die in den 1960er Jahren bereits tourt und sich einen Namen gemacht hat, auf Nachwuchsmusiker der damaligen Zeit trifft: Mick Jagger heisst einer, John Lennon ein anderer.

Nicht weniger als sechzig Jahre waltet Cher heute bereits als eine der grössten Entertainerinnen unserer Zeit. Ein Teil ihrer Anziehungskraft, neben der Bühnenpräsenz und ihrem Schauspieltalent, sind die donnernde Stimme und der trockene Humor. Als Chers Mutter ihr einmal nahelegte, sich doch endlich niederzulassen und einen reichen Mann zu heiraten, antwortete die Tochter: «Mom, ich bin ein reicher Mann.»

In ärmsten Verhältnissen aufgewachsen

Wohlhabend war Cher, mit vollem Namen Cheryl Sarkisian, nicht immer. Im Gegenteil. Sie ist in ärmsten Verhältnissen aufgewachsen. «Unsere Geschichte ist eine traurige, seltsame Geschichte von Südstaatlern, die aus dem Nichts kamen und sich nach der Grossen Depression ein Leben aufbauten», schreibt Cher in ihren Memoiren über ihre Familie, die mütterlicherseits Wurzeln bei den Cherokee hat.

Ihre Grossmutter wurde als 10-Jährige zur Arbeit in einer Pension geschickt, wo sie drei Jahre später von einem örtlichen 17-jährigen Bäckergehilfen schwanger wurde. Er war gewalttätig, und das Paar überlebte nur, indem es Baumwolle pflückte und die kleine Jackie, Chers Mutter, auf einem Jutesack durch die Felder schleppte.

Jackie hatte schon früh eine schöne Stimme, also nahm ihr Vater sie in die Bars mit, stellte sie auf den Tresen und liess sie singen, um seine Drinks zu bezahlen. Die Mutter lief schliesslich davon, und so wurde Jackie bei einer Tante und einem Onkel untergebracht, wo sie belästigt wurde. Als 8-Jährige verkaufte Jackie Weihnachtskarten auf der Strasse.

Als 19-Jährige wird auch sie schwanger. Im Mai 1946 wird Cheryl Sarkisian, kurz Cher, in Kalifornien in diese tragischen Familienumstände hineingeboren. Ihr Vater John Paul Sarkisian ist ein kleinkrimineller, Heroin- und spielsüchtiger Armenier, der in ihrem Leben ab und zu auftauchen wird, nur um dann gleich wieder abzutauchen.

Chers Mutter Jackie, die unter dem Künstlernamen Georgia Holt als Model und Schauspielerin arbeitet, liebt ihre Tochter, schafft es aber auch nicht, Cher eine stabile Kindheit zu bieten. Cher hat mehrere Stiefväter: «Waren es am Ende sieben oder acht Ehemänner?», wundert sich Cher im Buch. Ausserdem zieht die Familie ständig um. Auch diese Zeit ist geprägt von Armut und Gewalt. «Diese Scheisse passiert Frauen seit Anbeginn der Zeit», schreibt Cher an einer Stelle.

Cher wird ein Star – und prägt die Mode

Vielleicht hat genau diese Dunkelheit, die ihre Familie umgibt, Cher ins Bühnenlicht und in die glitzernden Looks gelockt. Zusammen mit dem Musiker Sonny Bono, den sie als 16-Jährige kennenlernt und später heiratet, gründet sie 1964 das Duo Sonny and Cher und wird etwa mit dem Song «I Got You Babe» bekannt. Schon damals fällt das Paar mit seinen Looks auf: verspielten, bunten Teilen, in denen Cher oft viel Haut zeigt.

Bei der gemeinsamen TV-Show «The Sonny and Cher Comedy Hour» trifft Cher erstmals auf den Kostümbildner Bob Mackie. Die Zusammenarbeit mit ihm habe der Sendung zum Erfolg verholfen, schreibt sie: «Die Leute haben nicht nur wegen der Comedy eingeschaltet, sondern auch wegen der Kostüme.» Bob Mackie wird sie als Designer und Stylist noch lange begleiten, auch als Cher ihre eigene Sendung, «The Cher Show», bekommt. «Er ist einer der wichtigsten Männer in meinem Leben», sagt Cher heute über ihren Freund und Vertrauten.

Es ist erstaunlich, wie detailliert sich Cher in diesem ersten Teil ihrer Autobiografie an ihre Looks erinnert – das zeigt wohl auch, wie wichtig ihr die Mode stets war. Ihr Outfit für eine Soiree der New Yorker High Society, 1965 von der ehemaligen First Lady Jackie Kennedy organisiert, fand sie im Kleiderladen «Bendel’s», wo sie sich «eine wunderschöne samtene, grüne Military-Jacke und passende Hosen» kaufte. Dazu trug die damals 19-Jährige ihre schwarzen «Anello & Davide»-Beatle-Boots. «Ich schnitt meine Fingernägel viereckig, nicht oval, das tat damals niemand, und meine Haare waren hinten spitz zugeschnitten.»

Ebenfalls an der schicken Soiree anwesend ist Diana Vreeland, die Chefredaktorin der «Vogue». Sie ist von Cher so angetan, dass sie sie gleich am nächsten Tag für ein Mode-Shooting anfragt. Hinter der Kamera steht Richard Avedon, der ihr mitteilt: «Mit dunklen Haaren und dunklen Augen wirst du es niemals auf das Cover schaffen.» Erst Jahre später fotografierte er Cher für ihr erstes «Vogue»-Cover.

«Diana war mutig und weitsichtig genug, um zu sehen, dass wir die neuen Gesichter waren, obwohl wir nicht im traditionellen Sinn schön waren», schreibt Cher. «Ich habe mein ganzes Leben auf Diana gewartet.»

Es ist in jener Zeit, in der ihre weiblichen Fans beginnen, sich wie Cher zu stylen. Sie kaufen die gleichen Kleider, tragen wie Cher ihren Eyeliner im Kleopatra-Stil, färben sich die Haare dunkel und strecken sie.

In Chers Karriere werden noch viele modische Highlights folgen, besonders ab den 1980er Jahren und damit im zweiten Teil ihrer Memoiren. Was nach den ersten 35 Jahren dieses reichen Lebens aber in Sachen Stil ganz sicher festgehalten werden muss: Die heute so berühmte Kardashian-Familie, die wie Cher armenische Wurzeln hat und mit ihren Looks prägend war, hatte definitiv eine Wegbereiterin.

Die neue Autobiografie

«Cher. Die Autobiografie, Teil eins»

Die Memoiren der Sängerin sind im Verlag Harper Collins auf Deutsch erschienen. Für November 2025 ist der englische Release des zweiten Teils geplant.

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