Sonntag, Februar 2

In China erinnert man sich nicht gern an ihn: Chiang Kai-shek hat ein Terrorregime etabliert. Aber die wirtschaftliche Entwicklung Taiwans hat er auf kluge Art gefördert.

In der Geschichte des modernen China gibt es kaum einen umstritteneren Anführer als Chiang Kai-shek. Der Generalissimus regierte China länger als jeder andere im 20. Jahrhundert – fast ein halbes Jahrhundert lang. Zuerst auf dem Festland, dann in Taiwan. Für die meisten Chinesen und Taiwaner ist er ein perfider Tyrann, der vergessen, ja gehasst werden sollte.

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Statuen und Denkmäler, die für ihn errichtet worden waren, wurden nach der Machtübernahme der Demokratischen Fortschrittspartei 2016 an vielen Orten zerstört. Seine Nachkommen möchten nicht mit ihm in Verbindung gebracht werden. Viele von ihnen leben heute im Westen und erinnern sich ungern an das Gewaltregime ihres Vorfahren.

Chiang dürstete tatsächlich nach unbegrenzter Macht. Er etablierte eine Schreckensherrschaft und ist für den Tod von mehr als anderthalb Millionen unschuldiger Menschen verantwortlich. Er errichtete ein korruptes oligarchisches Regime. Zugleich aber darf man nicht vergessen, dass er auch ein Kämpfer für die nationale Befreiung seines Volkes war, der Architekt eines neuen, republikanischen China, ein Held des Zweiten Weltkriegs, ein treuer Verbündeter der Vereinigten Staaten und anderer Länder der Anti-Hitler- und Anti-Japan-Koalition und ein Reformer der taiwanischen Gesellschaft.

Als gewöhnlicher Diktator hätte er nicht in Erinnerung bleiben wollen. «Wenn ich als Diktator sterbe», sagte er im Mai 1945 zum amerikanischen Botschafter Patrick J. Hurley, «werde ich wie alle Diktatoren in die Geschichte eingehen, aber wenn ich Frieden, Demokratie und Einheit im Land schaffen kann, werde ich als grosser Führer sterben.»

Demokratie und Einheit zu etablieren, gelang ihm nicht. Aber seine Reformen waren die soziale und wirtschaftliche Grundlage für die demokratische Transformation Taiwans. Deshalb wird er in der Geschichte Chinas und Taiwans als nationaler Revolutionär in Erinnerung bleiben. Mit oder ohne Denkmäler. Und trotz den unzähligen Toten, die er auf dem Gewissen hat.

Chiang hat kapitale Fehler und Verbrechen begangen. Er kämpfte sein ganzes Leben lang. Zuerst gegen die Mandschu, dann gegen die Militaristen, gegen die Kommunisten und gegen die Japaner. Selbst nach der Flucht nach Taiwan musste er sich immer auf den Krieg vorbereiten, die Verteidigung der Insel stärken und sich gegen den Kommunismus stellen.

Betrogen und beleidigt

Chiang Kai-shek wurde 1887 in einem Dorf namens Xikou in der Provinz Zhejiang im Osten Chinas geboren. Sein Vater, ein ortsansässiger Kaufmann, starb, als Chiang siebeneinhalb Jahre alt war. Die Jugend als Waisenkind war von Entbehrungen und Demütigungen geprägt.

«Ich erlebte das Leben als Waise und die bittere Situation meiner Familie, die betrogen und beleidigt wurde. Ich wollte mich aufbäumen und allen meine eigene Stärke zeigen», schrieb er später in seinen Tagebüchern. Er begann, reiche Grundbesitzer, Beamte und korrupte Bürokraten zu hassen, die, wie er schrieb «Waisen und Witwen unterdrückten».

In der Schule lernte er die Ideen von Sun Yat-sen kennen, dem Anführer der chinesischen nationalen demokratischen Bewegung. 1906 beschloss Chiang, nach Japan zu gehen, um Militärwissenschaft zu studieren. So wollte er sich auf eine Karriere vorbereiten, die ganz im Dienst der Nation stehen sollte.

In Japan schloss er sich Sun Yat-sens Chinesischer Revolutionärer Allianz an. Deren Ziel war es, Nationalismus, Demokratie und Volkswohlstand in China umzusetzen. Das erste der drei Prinzipien bedeutete die «nationale Befreiung für ganz China», das unter der Herrschaft der Mandschu und ausländischer Mächte stand. Das zweite umfasste das Wahlrecht für alle, das Recht auf Gesetzesinitiativen und Referenden und die demokratische Kontrolle der Verwaltung. Das dritte hiess: «Beschränkung des Kapitals» – Verstaatlichung der Produktionsmittel und der wichtigen Industrieanlagen.

In Tokio traf Chiang 1906 Sun Yat-sen und blieb bis zu dessen Tod an seiner Seite. Der Respekt war gegenseitig. «Dieser Mann wird der Held unserer Revolution sein», soll Sun nach dem erste Treffen einem Mitarbeiter gesagt haben: «Wir brauchen genau so einen Mann in unserer revolutionären Bewegung.»

Vereint im Kampf für China: Chiang Kai-shek (links) und Sun Yat-sen.

1911 verliess Chiang die Schule und ging nach Schanghai, um an der antimonarchischen Revolution teilzunehmen. Im Jahr darauf trat er der neuen nationalistischen Partei von Sun Yat-sen bei, der Kuomintang. Rasch stieg er in der Parteiführung auf. In den frühen 1920er Jahren wurde Chiang von Sun nach Sowjetrussland geschickt, um mit den Bolschewiki über die Unterstützung der Kuomintang zu verhandeln.

Krieg gegen den inneren Feind

Nach seiner Rückkehr im Mai 1924 ernannte ihn Sun zum Kommandeur der Militärakademie Whampoa, wo Infanterieoffiziere für die zukünftige Nationalrevolutionäre Armee der Kuomintang ausgebildet wurden. Das markierte den Wendepunkt in Chiangs Leben. Er wurde zur führenden militärischen Persönlichkeit der Kuomintang. Nach Sun Yat-Sens Tod 1925 entschied er den parteiinternen Machtkampf für sich.

Er wurde Vorsitzender des Politischen Rates des Kuomintang-ZK und startete den Nordfeldzug gegen chinesische Militaristen, mit dem Ziel, das seit der Revolution von 1911 geteilte China zu vereinigen. Ein Jahr später entfesselte er einen blutigen Terror gegen die Kommunistische Partei Chinas (KPCh), die sich mit der Kuomintang verbündet hatte, aber gegen Chiang intrigierte.

Wie viele Menschen dabei ums Leben kamen, ist bis heute unbekannt. «Es war ein blutiger Krieg, um den inneren Feind zu eliminieren», gestand ein Mitarbeiter Chiangs später: «Ich muss zugeben, dass viele unschuldige Menschen getötet wurden.» Der vorläufige Erfolg der Expedition machte Chiang in der Kuomintang beliebt. Er wurde zum Generalissimus ernannt, übernahm den Vorsitz der Regierung der Republik China in Nanjing und etablierte eine Einparteidiktatur.

Der Krieg ging allerdings weiter. Ehemalige Militaristen erhoben sich und begannen neue Aufstände. Die Kommunisten rächten sich, indem sie die Sowjet-Bewegung ins Leben riefen und die chinesische Rote Armee auf dem Land organisierten. Schliesslich begann die japanische Kwantung-Armee mit der Besetzung der Mandschurei.

Eine Zeitlang versuchte Chiang, eine Diktatur zu errichten, um jegliche Opposition zu vernichten. Er eiferte Mussolini und Hitler nach und gründete die Bewegung «Neues Leben», deren Ideen mit den Prinzipien übereinstimmten, die vom «zeitgenössischen Italien und Deutschland» verfolgt wurden, wie er selbst sagte.

Zwischen 1930 und 1933 führte Chiang vier Strafexpeditionen gegen das sowjetische Kerngebiet in Südostchina durch, wurde aber in allen besiegt. Die fünfte Expedition 1934 war teilweise erfolgreich. Die chinesischen kommunistischen Truppen zogen sich auf dem Langen Marsch nach Nordwestchina zurück, wurden jedoch nicht geschlagen.

Glaube an den Sieg

Chiang stand kurz davor, die sechste Expedition zu starten, als er im Dezember 1936 von seinen eigenen Untergebenen verhaftet wurde. Die Rebellen forderten ein Ende des Bürgerkriegs mit der Kommunistischen Partei Chinas und einen Gegenangriff gegen Japan. Chiang musste «eine Allianz» mit der Kommunistischen Partei billigen.

Kurze Zeit später begann Japan einen grossangelegten Krieg gegen China. Chiang organisierte den Widerstand, und obwohl die Japaner innert anderthalb Jahren die Hälfte des Teils von China eroberten, der seit je zum Chinesischen Reich gehört hatte, kämpfte er weiter, im festen Glauben an den Sieg.

In seinem Eifer, die Japaner aufzuhalten, schreckte er vor nichts zurück. Er verlagerte Militäroperationen nach Schanghai und verurteilte dort Hunderttausende friedlicher Einwohner zum Tod. Er sprengte die Dämme entlang des Gelben Flusses und tötete damit fast 900 000 Menschen. Und er befahl, die Stadt Changsha niederzubrennen. Dabei kamen zwischen 20 000 und 30 000 Menschen ums Leben.

Viereinhalb Jahre lang stand China allein einem überlegenen Feind gegenüber. Nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor am 7. Dezember 1941 gewann Chiang starke Verbündete: die Vereinigten Staaten und Grossbritannien. Schliesslich wurde der Krieg in China zum Teil des Zweiten Weltkriegs.

Anfang 1942 übernahm Chiang die Position des Oberbefehlshabers der alliierten Streitkräfte am chinesischen Kriegsschauplatz und wurde zu einem der angesehensten Staatsmänner der Welt. Im April 1945 wurde China Gründungsmitglied der Vereinten Nationen und trat im Oktober als eines von fünf ständigen Mitgliedern dem Sicherheitsrat bei.

Die Kapitulation Japans 1945 brachte allerdings keinen Frieden. Die sowjetische Besetzung der Mandschurei stärkte die Position der Kommunistischen Partei Chinas. Es kam zu einem neuen Bürgerkrieg. Chiang Kai-sheks Armee war mit 4,3 Millionen Soldaten und Offizieren dreieinhalb Mal so gross wie die von Mao Zedong. Sie verfügte über hervorragende Ausrüstung und enorme finanzielle Mittel. Bis Ende 1949 versorgten die USA Chiang nicht nur mit Waffen, Munition, Fahrzeugen und Treibstoff, sondern auch mit Darlehen und Krediten im Wert von gegen zwei Milliarden Dollar.

Schreckensherrschaft

Doch Chiang Kai-shek verlor den Krieg. Aus verschiedenen Gründen. Seine Partei, seine Armee und seine eigene Familie, einschliesslich seiner Frau, waren korrupt, und Chiang schaffte es nicht, dem Einhalt zu gebieten. Das Land stürzte in eine tiefe Wirtschaftskrise, die zu steigender Arbeitslosigkeit, einer katastrophalen Inflation von mehr als zwanzig Prozent pro Monat und zu explodierenden Preisen führte.

Chiang leitete politische Reformen ein und setzte eine demokratische Verfassung in Kraft. Im Frühling 1948 wählte ihn die aus mehreren Parteien bestehende Nationalversammlung zum Präsidenten der Republik China. Doch die Situation änderte sich nicht, die wirtschaftlichen Reformen scheiterten.

Die Armee war von mangelnder Disziplin zerrissen, die «fünfte Kolonne» der Kommunistischen Partei Chinas im Rücken der Kuomintang organisierte Streiks. Chiang verstärkte die Schreckensherrschaft, was zu Massenprotesten chinesischer Liberaler führte. Sie hatten die Beteuerungen der Kommunisten ernst genommen, ihr Ziel sei der Aufbau einer «neudemokratischen» liberalen Gesellschaft. Mao hatte bereits um 1940 ein Programm der «Neuen Demokratie» vorgelegt. Das war eine Täuschung, aber viele Menschen glaubten daran.

Die Sowjetunion erlaubte den chinesischen Kommunisten, die Mandschurei als militärische und wirtschaftliche Basis zu nutzen, und unterstützte Mao in verschiedenen Phasen des Krieges. Zugleich war die Politik der Vereinigten Staaten inkonsequent. Auf der Konferenz von Jalta im Februar 1945 wurde der Verlust Chinas besiegelt, als Präsident Roosevelt China der Sowjetunion überliess, im Austausch für den Kriegseintritt Russlands an der Seite Japans.

Roosevelt tat das hinter Chiang Kai-sheks Rücken. Hätten die chinesischen Kommunisten Chiang besiegt, wenn die Russen die Mandschurei nicht besetzt und der Kommunistischen Partei Chinas im entscheidenden Moment Hilfe geleistet hätten? Man kann es nicht wissen. Aber diese Region hatte eine enorme Bedeutung für die kommunistische Machtübernahme in China.

Am 10. Dezember 1949 bestiegen Chiang Kai-shek und sein Sohn Chiang Ching-kuo in Chengdu ein Flugzeug, das nach Osten flog. Der Kampf um das chinesische Festland war verloren, aber Chiangs Wille war ungebrochen. Er flog zur Insel Taiwan, um den Kampf gegen den Kommunismus fortzusetzen.

Bastion gegen den Kommunismus

Bis zu seinem Tod träumte Chiang davon, das Festland zu befreien. Es gelang ihm nie. 1950 bat er die Uno vergeblich darum, Truppen nach Korea entsenden zu dürfen, um auf die Intervention der chinesischen Kommunisten zu reagieren. Es wurde ihm nicht gestattet, und schliesslich entging ihm die letzte Chance, die Macht in China zu gewinnen. Mit amerikanischer Hilfe begann er, Taiwan in eine antikommunistische Bastion zu verwandeln. 1949 verhängte er auf der Insel das Kriegsrecht, um den Aktivitäten der Kommunisten Einhalt zu gebieten.

Nicht alle in Taiwan hiessen Chiang und die mehr als anderthalb Millionen chinesischen Flüchtlinge vom Festland willkommen. Zweieinhalb Jahre zuvor hatte der Kuomintang-Gouverneur der Insel mit Chiangs Unterstützung repressive Massnahmen gegen alle Gegner ergriffen. Sie erreichten im Frühling 1947 in Taipeh ihren Höhepunkt und forderten zwischen 10 000 und 20 000 Toten.

Chiang Kai-shek bekämpfte die «rote Gefahr» mit allen Mitteln. Über zweitausend Menschen wurden erschossen, rund achttausend erhielten Gefängnisstrafen. Viele wurden in einem Konzentrationslager interniert, das auf Befehl von Chiangs Sohn errichtet worden war. Es trug den Namen The New Life Institute.

Ein Schreckensregime. Doch trotz allem war Chiang Kai-shek kein gewöhnlicher Tyrann. Er war grausam, kalt und berechnend. Aber er nutzte seine diktatorische Macht auch zur Förderung von wirtschaftlichen und sozialen Reformen, die darauf abzielen sollten, eine Mittelschicht aufzubauen, die Oligarchie zu unterdrücken und die gesamte taiwanische Gesellschaft zum Wohlstand zu führen.

Die wichtigsten Reformen betrafen die Landwirtschaft und die Industrie. Sie waren erfolgreich, so dass bald auch im Westen vom «Taiwan-Wunder» die Rede war. Chiang selbst lieferte die theoretischen Grundlagen dafür, indem er das Gegenteil von dem tat, was er Jahre früher gefordert hatte: Statt dass der Staat die Wirtschaft übernahm, befürwortete er nun die Privatisierung.

Im Sommer 1951 war die Senkung der Pachtzinsen für landwirtschaftliche Flächen gesetzlich verankert. Dann leitete Chiang die zweite Phase ein. Pächter, die auf öffentlichem Land arbeiteten – also auf Land, das zuvor im Besitz japanischer Kolonisten gewesen und dann an die taiwanische Regierung übergegangen war –, konnten dieses Land während zehn Jahren zu einem unter dem eigentlichen Wert liegenden Preis auf Raten erwerben. Sie mussten dafür 250 Prozent des Wertes der jährlichen Ernte bezahlen, die auf dem Land erwirtschaftet werden konnte.

Bis im Sommer 1952 wurden mehr als 150 000 Familien ehemaliger Pächter zu Landbesitzern. Dann begann die dritte Phase der Reform: Unter dem Motto «Land denen, die es bebauen» erhielten die Bauern nicht nur das verbliebene öffentliche Land, sondern auch überschüssiges Land von Grossgrundbesitzern. Niemand durfte mehr als 2,84 Hektaren bewässertes und 5,68 Hektaren unbewässertes Land besitzen. Wer überschüssiges Land abgeben musste, erhielt von der Regierung eine Entschädigung. Insgesamt führte die Reform dazu, dass mehr als siebzig Prozent des Ackerlandes an Landwirte übertragen wurden. Rund achtzig Prozent der Bauern wurden zu Landbesitzern.

Auch die industrielle Reform zielte darauf ab, die Mittelschicht zu stärken. Ab den frühen 1950er Jahren begann Chiangs Regierung, staatliche Unternehmen zu privatisieren und Monopole zu beseitigen. Bis Anfang der sechziger Jahre stieg der Anteil privater Unternehmen auf über sechzig Prozent. 1953 wurde der erste Vierjahresplan für die wirtschaftliche Entwicklung verabschiedet, der auf eine weitere Steigerung der Produktion von Reis, Düngemitteln und Strom abzielte.

Eng verbunden mit der Neuordnung der Landwirtschaft und der Industrie war die Finanzreform, die Chiang mithilfe der Amerikaner und mit amerikanischen Krediten durchführte. 1949 wurde der Neue Taiwan-Dollar in Umlauf gebracht. Bis Ende 1954 hatten sich die Preise für Grundnahrungsmittel stabilisiert, die Inflation hatte sich verlangsamt, und das Haushaltsdefizit konnte mit amerikanischen Zuschüssen gedeckt werden.

Wichtig war auch die Parteireform, die im August 1950 begann. Unter dem Eindruck der Niederlagen gegen die Kommunisten war Chiang zum Schluss gekommen, die Kuomintang habe den richtigen «Geist» verloren. Er gründete lokale Parteiorganisationen nach dem Vorbild der Kommunisten. Ein Disziplinarkomitee wurde eingerichtet, das Verstösse gegen die Parteidisziplin ahndete. Mehr als tausend Verstösse wurden aufgedeckt. Einige Parteimitglieder wurden aus der Partei ausgeschlossen. Einige für immer, manche vorübergehend.

Gleichzeitig wurde die Armee reformiert. Das Fehlen einer guten Ausbildung, so glaubte Chiang, habe den Kampfgeist geschwächt. Vor allem waren sich die Truppen nicht bewusst, worin ihre Aufgabe bestand. Statt das Volk zu schützen, schikanierten sie es hemmungslos. Bis zum Herbst 1953 wurden die Streitkräfte Taiwans auf 600 000 Mann halbiert und mit amerikanischen Waffen ausgestattet. Chiang und sein Gefolge weigerten sich, den Bürgerkrieg als beendet zu akzeptieren. Für sie ging der Kampf weiter, auch nachdem die Amerikaner die Garantie für die Sicherheit des Landes übernommen hatten.

«Ich fühle mich verraten»

Ende der sechziger Jahre liessen die Amerikaner Chiang fallen. Präsident Nixon war daran interessiert, die Beziehungen zu Peking zu normalisieren, und liess die Volksrepublik China anstelle von Taiwan in die Uno. Chiang Kai-shek schrieb damals in sein Tagebuch: «Ich fühle mich zutiefst gedemütigt. Insbesondere fühle ich mich von den Vereinigten Staaten unendlich getäuscht und verraten – eine beispiellose Schande sowohl für die Nation als auch für meine Familie.»

Zwischen 1968 und 1970 versuchte Chiang, mit den Sowjets zu verhandeln, um eine neue Einheitsfront zu bilden, nun gegen Mao. Aber ohne Erfolg. 1971 musste die taiwanische Delegation das Uno-Gebäude verlassen, und eine Delegation der Volksrepublik China nahm ihren Platz ein. Chiang war frustriert und zog sich aus den Staatsgeschäften zurück, nachdem er seinem Sohn Chiang Ching-kuo die Macht übertragen hatte. Im Juli 1972 wurde er schwer krank. Er starb am 5. April 1975 im Alter von achtundachtzig Jahren. Das Kriegsrecht in Taiwan wurde erst zwölf Jahre später aufgehoben.

Die Bilanz von Chiangs Herrschaft ist zwiespältig. Er war ein Tyrann. Hart, autoritär, jähzornig. Auf seinem Weg zur Macht hatte er nie Mitleid mit den Menschen. Andererseits schuf er die Grundlage für Taiwans Wirtschaftswachstum und brachte die Insel in Bezug auf den Lebensstandard an die Spitze der Entwicklungsländer. Er führte die Menschen in Taiwan zu Wohlstand und gewährleistete die nationale Sicherheit.

Chiang Kai-shek bat darum, sein Leichnam solle nicht der Erde übergeben werden. Er glaubte, die Zeit werde kommen, in der die Kuomintang die Kommunisten besiege und die Nationalregierung nach China zurückkehre. Dann, so stellte er sich vor, würden seine sterblichen Überreste nach Nanjing gebracht, die Hauptstadt des Landes, und er werde neben seinem Lehrer Sun Yat-sen an den Hängen des Purple Gold Mountain beigesetzt.

Vorläufig ruht Chiang Kai-shek in einem schwarzen Granitsarkophag in einem bescheidenen provisorischen Mausoleum am Ufer des Cihu-Sees südwestlich von Taipeh. Vor dem Eingang steht eine Ehrengarde aus Soldaten stramm. Stahlhelme, Paradeuniformen, weisse Handschuhe. Sie halten ihre Gewehre mit aufgepflanzten Bajonetten fest umklammert und schützen die letzte Ruhe des Generalissimus.

Alexander V. Pantsov ist Professor für Geschichte an der Capital University in Columbus, Ohio. Übersetzung aus dem Englischen: rib.

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