Samstag, Oktober 5

Erneut macht Xi Jinping den afrikanischen Ländern grosse Versprechen. Doch in Wahrheit steuert Peking um – auch wegen der Wirtschaftskrise zu Hause.

Wie fast jedes Mal bei Grossanlässen mit Spitzenvertretern von Schwellen- und Entwicklungsländern schüttete Xi Jinping auch zur Eröffnung des China-Afrika-Forums am Donnerstag in Peking das verbale Füllhorn aus.

Fast 51 Milliarden Dollar werde China in den kommenden Jahren in afrikanischen Ländern investieren, rief Chinas Staats- und Parteichef den Staatsoberhäuptern und Spitzenvertretern von mehr als 50 afrikanischen Staaten zu. Ausserdem werde die chinesische Regierung in Afrika eine Million neue Arbeitsplätze schaffen.

Dazu sollen militärische Hilfen in dreistelliger Millionen-Dollar-Höhe fliessen. Auch werde Peking in Afrika 25 Forschungszentren bauen und 20 Digitalisierungsprojekte an den Start schicken, sagte Xi – damit der Kontinent die «neue technologische Revolution umarmen» könne. Und so ging es am Donnerstag in der Grossen Halle des Volkes in Peking munter weiter.

Kein Mechanismus zur Evaluierung

Allein: Dass China am Ende seine vielen wohlklingenden Versprechen einhält, darf durchaus als ungewiss gelten, eine objektive Prüfung ist oft schwierig. «Es gibt keinen Mechanismus, der evaluiert, ob China seine Zusagen einhält», sagt Eric Olander, Mitgründer des China-Global South Project.

Die wenigen Versprechen, die sich überprüfen lassen, rücken Peking jedenfalls in kein gutes Licht. So sagte China den afrikanischen Ländern 2021 zu, den Wert der Warenimporte aus Afrika bis 2024 auf 300 Milliarden Dollar steigern zu wollen. Im vergangenen Jahr führte China jedoch nur Güter mit einem Volumen von 109 Milliarden Dollar ein – ein Minus von 6,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Am Forum für die neue Seidenstrasse im vergangenen Jahr in Peking sagte Xi den angereisten Staatschefs zu, China werde zusätzlich 100 Milliarden Dollar für Seidenstrassen-Projekte bereitstellen. Xis Zuhörer waren beeindruckt. Inzwischen hat sich aber gezeigt, dass der überwiegende Teil des Geldes für Projekte in China reserviert ist.

Jahrelang finanzierte China auf dem afrikanischen Kontinent, teilweise im Rahmen seiner neuen Seidenstrasse, gigantische Infrastrukturprojekte. Viele von ihnen erwiesen sich jedoch später als Milliardengräber und hinterliessen bei manchen Ländern vor allem eines: hohe Schulden.

Nicht zu Ende gebaute Eisenbahnlinien

Für eine Eisenbahnlinie in Kenya etwa nahm die Regierung bei chinesischen Banken hohe Kredite auf. Wirtschaftlich ist die Strecke jedoch ein Flop. Sinnvoll wäre die Bahnlinie nur, würde sie nach Rwanda und Uganda verlängert. Ein solcher Ausbau wurde allerdings nie in Betracht gezogen.

Bei einer schlampig geplanten Autobahn zwischen Entebbe und Kampala in Uganda, finanziert und gebaut von China, liefen die Kosten derart aus dem Ruder, dass die Strasse pro gebautem Kilometer zu den teuersten der Welt zählt. Uganda wird die Kredite nur zurückzahlen können, wenn der Verkehr deutlich zunimmt und damit die Maut-Einnahmen anziehen.

Chinesisches Geld wird in China benötigt

Von derart unsinnigen Projekten, zum grossen Teil finanziert mit Krediten der China Development Bank und der China Exim Bank, nimmt China inzwischen Abstand, auch weil das Land selbst in einer wirtschaftlichen Krise steckt. Momentan wird chinesisches Geld eher in China als in Afrika benötigt. Peking will auf dem afrikanischen Kontinent keine Risiken mehr eingehen.

Viele Kommunen in China sind hoch verschuldet, manche von ihnen verscherbeln inzwischen ihr Tafelsilber, und Beamte werden nicht mehr bezahlt. Der Grund dafür ist unter anderem die Krise am Immobilienmarkt, die sich derzeit eher noch verschärft. Kaum ein Privatanalytiker rechnet daher noch damit, dass China in diesem Jahr sein Wachstumsziel von fünf Prozent erreichen wird.

Und daher drosselt Peking jetzt seine Aktivitäten auf dem afrikanischen Kontinent. Chinas Direktinvestitionen in Afrika erreichten 2018 mit knapp fünf Milliarden Dollar ihren Höhepunkt. Seitdem schrumpfen sie.

Ähnliches gilt für die Vergabe von Krediten. Im Jahr 2016 liehen die chinesischen Entwicklungsbanken afrikanischen Staaten insgesamt fast 30 Milliarden Dollar. Dann schrumpfte die jährliche Summe kontinuierlich bis zum Covid-Jahr 202o auf weniger als eine Milliarde Dollar zusammen. Erst im vergangenen Jahr erreicht die Kreditvergabe wieder rund fünf Milliarden Dollar.

China braucht Afrika als Absatzmarkt

Der Grund, warum China sich nicht komplett aus Afrika zurückzieht, ist simpel: Peking braucht die afrikanischen Länder als alternative Absatzmärkte, etwa für Umwelttechnologie oder Elektroautos, weil immer mehr westliche Länder, allen voran die USA, ihre Märkte mit neuen Zöllen vor chinesischen Billigexporten schützten.

Zum anderen braucht Peking die afrikanischen Staaten, die über 54 Stimmen bei den Vereinten Nationen verfügen, als Partner beim Schmieden einer Weltordnung und Wertegemeinschaft, die sich vom traditionellen westlich geprägten Ordnungsrahmen abhebt. Modernisierung bedeute nicht automatisch Verwestlichung, erklärte Xi in Peking denn auch seinen Besuchern aus Afrika.

China will weiterhin in Afrika aktiv bleiben, allerdings auf deutlich kleinerer Flamme. Nach Xis Willen sollen von Peking finanzierte Projekte «klein und schön sein», sprich: nachhaltig und wirtschaftlich sinnvoll. Die Rede ist jetzt von Vorhaben mit Investitionsvolumina von weniger als 100 Millionen Dollar.

Projekte zur grünen Transformation

Die chinesischen Entwicklungsbanken sollen künftig zum Beispiel verstärkt Projekte zur grünen Transformation finanzieren, ausserdem Energiespeichersysteme und neue Stromnetze, aber auch den Aufbau von Telekommunikationsnetzen.

Auch wenn solche Projekte den afrikanischen Ländern bei der Entwicklungs sicherlich helfen werden, ihr grösstes Interesse ist ein anderes. Afrika möchte, dass China deutlich mehr Agrarerzeugnisse kauft. Doch hier zögert Peking noch.

Exit mobile version