Vor sieben Jahren hat Panama die Beziehungen zu Taiwan abgebrochen und Peking diplomatisch anerkannt. Seither nimmt Chinas Einfluss kontinuierlich zu.
Der Panamakanal ist von grosser wirtschaftlicher und militärischer Bedeutung für die USA. Für den Handel zwischen der amerikanischen Atlantik- oder Golfküste und Asien bildet er das eigentliche Nadelöhr. Mehr als 60 Prozent des Frachtverkehrs, der den Kanal durchquert, beginnen oder enden in einem amerikanischen Hafen. Zum Vergleich: Nur rund 13 Prozent der durch den Kanal beförderten Fracht kommen aus China oder gehen dorthin.
Der Kanal ist aber auch für die amerikanische Flotte sehr wichtig. Die wichtigsten Einsatzräume der US Navy sind der Pazifik und der Atlantik. Der Kanal ist die zentrale Wasserstrasse, welche die beiden Schauplätze verbindet. Die Amerikaner sind auf ihn angewiesen, wenn sie Flotteneinheiten vom einen Ozean in den anderen verschieben sowie zur Versorgung der Schiffe.
Ex-Präsident Varela erhoffte sich wirtschaftliche Vorteile
Am 12. Juni 2017 hat der damalige Präsident Panamas, Juan Carlos Varela, überraschend die Beziehungen zu Taiwan abgebrochen und stattdessen Peking diplomatisch anerkannt. Er begründet dies mit wirtschaftlichen Argumenten. Der Schwenk zu Peking werde chinesische Investitionen erleichtern. Bei einem Besuch in Peking erklärte Varela später, sein Land wolle Chinas «kommerzieller Arm» in Lateinamerika werden.
Seitdem hat Chinas Einfluss im Karibikstaat deutlich zugenommen. Nur fünf Monate nach der diplomatischen Anerkennung Chinas trat Panama als erstes lateinamerikanisches Land Pekings Belt-and-Road-Initiative bei. Fast alle grösseren öffentlichen Bauprojekte in Panama werden seither durch chinesische Staatsfirmen ausgeführt. So baute China ein grosses Kongresszentrum, einen Hafen für Kreuzfahrtschiffe und eine vierte Brücke über den Kanal, welche kurz vor der Fertigstellung ist.
Unter Varelas Nachfolger Laurentino Cortizo, der Anfang Juli 2019 sein Amt antrat, kühlte sich das Verhältnis zu Peking etwas ab. Mehrere von den Chinesen bereits begonnene Grossprojekte wurden annulliert, verschoben oder zurückgefahren – wegen Nichteinhaltung der Vertragsbedingungen oder der Pandemie. Insbesondere wurde der Bau einer 400 Kilometer langen Hochgeschwindigkeitsbahn von Panama-Stadt nach David gestoppt, ebenso die Pläne für eine elektronisch überwachte Safe City nach dem Muster von Shenzhen in einem Teil der Stadt Colón. Dort wurde auch die Konzession der Chinesen für den Bau eines neuen Containerhafens wegen Unregelmässigkeiten widerrufen.
China profitiert einseitig von neuer Zusammenarbeit
Sieben Jahre nach Varelas Schwenk hat China in den bilateralen Beziehungen eine dominierende Stellung inne, während Panama wenig davon profitiert. Auf wirtschaftlicher Ebene hat der Wechsel zu China dem Karibikstaat bisher kaum Vorteile gebracht. Trotz insgesamt fünf Verhandlungsrunden kam das von Panama erhoffte Freihandelsabkommen bis jetzt nicht zustande. Die Annäherung an Peking führte auch nicht zum Aufbau von bedeutenden neuen Produktionskapazitäten durch chinesische Investitionen. Während China im grossen Stil Kupfer aus Panama importiert, erschwert es den Export von Produkten aus dem Land durch nichttarifäre Handelshemmnisse.
Die engeren Beziehungen zu China belasten das Verhältnis zu den USA, denn diese haben auch zu einer Annäherung an Pekings aussenpolitische Positionen geführt. War Panama in der Vergangenheit durchaus kritisch gegenüber der chinesischen Rolle in der Weltpolitik, so zeigte sich Cortizos Aussenministerin Erika Mouynes plötzlich empfänglich für die chinesische Forderung nach einer neuen geopolitischen Ordnung. Sie lehnte Sanktionen gegen Russland im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine ab und erklärte, die Freundschaft mit China schaffe die notwendige Äquidistanz zu Washington und Peking in der neuen multipolaren Weltordnung.
Peking weigert sich, die Neutralität des Kanals zu garantieren
Wo liegen für die USA die Gefahren des wachsenden chinesischen Einflusses in Panama? Zuerst einmal bestehen aus westlicher Sicht Bedenken hinsichtlich des freien Zugangs von kommerziellen Schiffen zum Kanal. Die Häfen an beiden Enden der Wasserstrasse – Balboa am Pazifik und Colón auf der Karibikseite – stehen heute de facto unter chinesischer Kontrolle.
Für beide Häfen erhielt das Hongkonger Unternehmen Hutchinson Whampoa (heute CK Hutchinson Holdings) 1997 eine Konzession für 25 Jahre. 2021 wurden beide Konzessionen unter Präsident Cortizo um weitere 25 Jahre verlängert. Seit der Ausweitung der chinesischen Kontrolle über Hongkong nach der Niederschlagung der Demokratieproteste ist Hutchinson aber nicht mehr länger ein unabhängiges, international tätiges Unternehmen.
Vielmehr geben die Gesetze zur nationalen Sicherheit Peking vollen Durchgriff auf alle Unternehmen in Hongkong. Befürchtungen wegen einer möglichen Einschränkung der freien Schifffahrt in Panama durch China sind umso berechtigter, als sich China trotz mehrmaligen Aufrufen Panamas weigert, das internationale Protokoll zu unterschreiben, das den Schiffen aller Staaten einen freien Zugang zum Kanal garantiert.
1977 willigte der amerikanische Präsident Jimmy Carter ein, die damals unter amerikanischer Souveränität stehende Kanalzone an Panama abzutreten – ein Prozess, der 1999 abgeschlossen wurde. Der zugehörige Vertrag über die permanente Neutralität des Kanals gibt den USA das Recht, auch militärisch den freien Zugang für Schiffe aller Nationen durchzusetzen. In einem Zusatzprotokoll haben rund vierzig Staaten diesen Vertrag anerkannt, unter anderem alle Vetomächte im Uno-Sicherheitsrat ausser China.
US Navy warnt vor strategischem Risiko
Neben seiner Bedeutung für den Welthandel ist der Panamakanal eine zentrale strategische Infrastruktur für die weltweite militärische Macht der USA. Dies zeigte sich in der Vergangenheit besonders bei kriegerischen Konflikten und Krisen. Während des Zweiten Weltkrieges gab es rund 16 000 Durchfahrten von amerikanischen Kriegsschiffen. Auch während des Vietnamkrieges war der Kanal von grosser Bedeutung. Die grosse Mehrheit der Munition und etwa ein Drittel der übrigen Güter zur Versorgung der amerikanischen Truppen in Indochina wurden damals durch die Wasserstrasse transportiert.
In einer Anhörung vor dem für die Streitkräfte zuständigen Ausschuss des Repräsentantenhauses warnte die Kommandantin des US Southern Command, General Laura Richardson, letztes Jahr eindringlich vor dem strategischen Risiko, welches die Präsenz Chinas in Panama mit sich bringe. China investiere in kritische Infrastruktur, die Peking sowohl für kommerzielle als auch für militärische Zwecke nutzen könne. Insbesondere bestehe die Gefahr, dass China strategisch wichtige Häfen in der Region nutze, um den Zugang für kommerzielle und militärische Schiffe der Amerikaner einzuschränken.
Im Falle eines Krieges im Pazifik zwischen den USA und China um Taiwan wäre der Kanal ein Nadelöhr von entscheidender Bedeutung für die Amerikaner für Truppenverschiebungen und zur Aufrechterhaltung der Versorgung mit Munition und lebenswichtigen Gütern. China andererseits könnte seine Flotte im nördlichen Pazifik konzentrieren und versuchen, den Panamakanal für die Amerikaner zu sperren.
Dann gäbe es für die US Navy zwischen dem westlichen Atlantik und dem Pazifik nur noch zwei alternative Routen: entweder durch die Magellanstrasse an der Südspitze Südamerikas oder via die Nordwestpassage in der Arktis. Das würde in beiden Fällen zu wochenlangen Verzögerungen führen und ein Vielfaches an Treibstoff benötigen. Zudem sind diese Routen wesentlich gefährlicher wegen Stürmen sowie Eisbergen und Vereisung.

