Peking reagiert verärgert auf den Amtsantritt von Taiwans Präsident Lai Ching-te Anfang Woche. Die Manöver sollen dazu dienen, die «Separatisten» zu bestrafen.

Die Antwort liess nicht lange auf sich warten. Am Montag hatte Taiwans neuer Präsident Lai Ching-te in seiner Inaugurationsrede China dazu aufgerufen, seine politische und militärische Einschüchterung gegen Taiwan einzustellen. Am Donnerstagmorgen starteten die chinesischen Streitkräfte ohne Vorwarnung grosse Manöver rund um die Insel.

Laut einer Medienmitteilung des zuständigen Regionalkommando Ost der Volksbefreiungsarmee dauern die Manöver unter dem Namen «Gemeinsames Schwert-2024A» zwei Tage. Einheiten der Marine, Luftwaffe, Armee und Raketenstreitkräfte seien beteiligt.

Als Übungsräume wurden Gebiete in der Strasse von Taiwan, aber auch östlich und nördlich der Insel ausgewiesen. Zusätzlich sind Chinas Streitkräfte um vier taiwanische Inselgruppen aktiv, die nur wenige Kilometer vor dem chinesischen Festland liegen.

Die Manöver seien als deutliche Warnung an die «separatistischen Kräfte der Unabhängigkeit Taiwans» gedacht sowie an «externe Kräfte der Einmischung und Provokation», hiess es.

Taiwan sucht nicht die Konfrontation

Taiwans Verteidigungsministerium teilte mit, dass man als Reaktion auf die chinesische Übung die eigenen Luft-, See- und Landstreitkräfte in Bereitschaft versetzt habe. Man sei auf alle Eventualitäten vorbereitet. Man suche keine Konfrontation, werde aber nicht zurückschrecken, wenn es dazu komme, hiess es.

An einer Medienkonferenz teilte Taiwans Verteidigungsministerium am Abend mit, dass 42 militärische Flugzeuge Chinas entdeckt worden seien, wovon 28 die Median-Linie überflogen hätten. Seit August 2022, als die damalige amerikanische Speakerin Nancy Pelosi Taiwan besuchte, verletzen chinesische Flugzeuge diese Linie immer wieder. Davor hatten beide Seiten diese inoffizielle Trennlinie kaum je überflogen.

China verletzt regelmässig Taiwans Luftüberwachungszone

Zahl der chinesischen Militärflugzeuge und -drohnen*, pro Monat**

Taiwans Militär entdeckte auch 15 Schiffe der chinesischen Marine und 16 Einheiten der Küstenwache. Viele dieser Schiffe fuhren bis knapp an Taiwans 24-Meilenzone heran. Zwar ist die sogenannte Anschlusszone nicht Teil der Territorialgewässer, doch Taiwans Streitkräfte schreiten ein, wenn chinesische Schiffe in die Zone einfahren. Sie versuchen so, eine Bufferzone aufrecht zu erhalten.

Die fünf vom chinesischen Militär ausgewiesenen Manövergebiete schliessen alle direkt an die taiwanische Anschlusszone an. «Es fällt auf, wie nahe die Gebiete an Taiwan liegen», sagt Chen Ming-Chi vom Institute for National Defense and Security Research, einer Denkfabrik des taiwanischen Verteidigungsministeriums. Dies habe es bisher so nicht gegeben. Auffallend sei aber auch, dass keine Flugverbotszonen verhängt worden seien. Es bleibe deshalb abzuwarten, ob die Volksbefreiungsarmee Raketen abfeuern werde, wie sie es beim Besuch von Pelosi tat, meint der Experte.

Die Manöver hätten eine einerseits eine symbolische Funktion, indem Peking eine Botschaft der Stärke und Entschlossenheit an Taiwan sende. Gleichzeitig verschiebe jedes Grossmanöver Grenzen und biete den Streitkräften eine Übungsmöglichkeit, sagt Chen: «Strategisch sind die Manöver allerdings kontraproduktiv: Die Menschen in Taiwan werden China nur noch negativer sehen als eh schon.»

Peking will der Gewalt gegenüber Taiwan nicht abschwören

Präsident Lai hatte sich am Montag in seiner Rede zum Status quo bekannt. Damit versprach er, dass er nicht die formelle Unabhängigkeit Taiwans ausrufen wird. Er lehnte sich in den groben Zügen an die Politik seiner Vorgängerin Tsai Ing-wen an, welche nach acht Jahren zurücktrat. Lai sagte, die Republik China – so nennt sich Taiwan offiziell – und die Volksrepublik China seien einander nicht untergeordnet.

Das ist zwar schlicht die Realität, für die Machthaber in Peking aber trotzdem eine Provokation. Denn sie sehen die Insel als Teil ihres Territoriums an. Chinas Aussenminister Wang Yi bezeichnete diese Woche Lais «hässliche Handlungen» als schändlich. Immer wieder macht Chinas Führung klar, dass sie eine gewaltsame Einnahme Taiwans nicht ausschliessen will. Grosse Militärmanöver sollen beweisen, dass man das ernst meint.

Die Taiwaner trauen Xi Jinping zu, dass er gegenüber Taiwan Gewalt anwendet

In Taiwan beherrschten die chinesischen Manöver und die Reaktion der taiwanischen Streitkräfte naturgemäss am Donnerstag die Schlagzeilen. Das tägliche Leben ging jedoch unbeirrt weiter. Die oberflächliche Gelassenheit der Taiwaner bedeutet aber nicht, dass sie sich gar keine Sorgen über die Situation an der Strasse von Taiwan machen. In einer aktuellen Umfrage des Brooking Institute sagten fast zwei Drittel der Befragten, dass sie beunruhigt seien.

Die Taiwaner machen sich zunehmend Sorgen wegen der Situation an der Taiwanstrasse

Antworten auf die Frage: «Befürchten Sie einen Krieg in der Taiwanstrasse?», in %

Die ständigen Manöver der Volksbefreiungsarmee und die martialische Rhetorik der kommunistischen Propaganda hinterlässt Spuren. Eine solide Mehrheit der taiwanischen Bevölkerung glaubt mittlerweile, dass die Wahrscheinlichkeit in den letzten fünf Jahren gestiegen ist, dass Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping gegenüber Taiwan Gewalt anwenden wird. Dennoch wählten die Taiwanerinnen und Taiwaner im Januar Lai von der chinakritischen Demokratisch-progressiven Partei (DPP) zum Präsidenten.

Mehr Taiwaner trauen Chinas Partei- und Staatschef zu, dass er Gewalt gegenüber Taiwan anwendet

Zustimmung zur Aussage: «Dass Xi Jinping gegenüber Taiwan Gewalt anwendet, ist im Vergleich zu vor 5 Jahren…», in %

Exit mobile version