Dienstag, April 29

WM Doll, ein führender Anbieter von Erotik-Puppen, erwartet trotz Trump-Zöllen einen kräftig steigenden Absatz in den USA. Das Unternehmen gilt als eine der wenigen Old-Economy-Firmen in der Volksrepublik, die den Sprung in die Hightech-Welt geschafft haben.

Liu Jiangxia, Gründerin und CEO von WM Doll, ist in Chinas sozialen Netzwerken ein Star. Der jungen Frau ist das gelungen, wovon viele Chinesinnen und Chinesen träumen: Liu hat aus einem Unternehmen der Old Economy eine erfolgreiche Hightech-Firma gemacht.

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Im Jahr 2010 war Lius Firma aus Zhongshan im Süden Chinas als Herstellerin langweiliger Schaufensterpuppen gestartet. Vor einigen Jahren begann sie mit der Entwicklung und Fertigung von Erotik-Puppen aus Silikon und TPE, einem speziellen, gummiartigen Kunststoff.

Der Durchbruch kam im vergangenen Jahr. Da integrierte WM Doll verschiedene KI-Features in seine Produkte. «Jetzt bieten unsere Puppen den Nutzern emotionale Begleitung», sagt Liu im Gespräch mit der NZZ. Anhand dessen, was der Mann zu seiner Freundin aus Silikon oder TPE sagt, erkennt diese seine Bedürfnisse, Sorgen und Ängste – und antwortet entsprechend.

Von einer regungslosen Puppe zu menschenähnlichen Wesen

Es ist der erste Schritt einer Entwicklung von einer regungslosen Puppe hin zu einem menschenähnlichen Wesen. «Bis jetzt reagieren unsere Puppen noch ausschliesslich auf Sprache», sagt Liu. Doch das soll sich in Zukunft ändern. Dann sollen sie auch Verhaltensweisen und Bewegungen der Nutzer erkennen und so noch besser auf diese eingehen können.

WM Doll ist nicht der einzige chinesische Hersteller von Spielzeug für Erwachsene, der bei der Entwicklung seiner Produkte mit künstlicher Intelligenz experimentiert. Im Süden Chinas, dort, wo die grossen Anbieter der Branche ihre Fabriken haben, ist längst das KI-Fieber ausgebrochen.

Die chinesischen Anbieter dominieren den Weltmarkt. Rund 70 Prozent aller Spielzeuge für Erwachsene kommen aus dem Reich der Mitte. Und das Geschäft wächst rasant. Im Jahr 2023 wurden weltweit Erotik-Spielzeuge mit einem Wert von 43,5 Milliarden Dollar verkauft. Bis zum Jahr 2032 soll das Volumen gemäss Branchenprognosen auf 160 Milliarden Dollar steigen.

Bei WM Doll betrug das Umsatzwachstum während der vergangenen Jahre im Durchschnitt 5 Prozent pro Jahr. Mit der Lancierung der KI-gestützten Puppen im vergangenen Jahr sei die Nachfrage allerdings rasant gestiegen, sagt Liu. 2024 verkaufte WM Doll mehr als 20 000 Puppen. In diesem Jahr rechnet die Gründerin mit einem signifikanten Anstieg. Über den Gesamtumsatz ihrer Firma schweigt Liu sich allerdings aus.

Chat-GPT für den Auslandmarkt

Mit einem Umsatzanteil von 60 Prozent sind die USA der mit Abstand grösste Markt, es folgt Europa mit einem Anteil von 30 Prozent. Der Rest entfällt auf den chinesischen Heimatmarkt.

WM Doll erschafft seine Erotik-Puppen aus 200 verschiedenen Körpertypen und 600 verschiedenen Gesichtern. So haben Kunden eine beträchtliche Auswahl. Bei den KI-Sprachmodellen nutzt das Unternehmen drei verschiedene Anbieter: Für den heimischen Markt sind das Deepseek sowie Doubao, eine KI-Anwendung des Tech-Riesen Bytedance aus Peking. Im Auslandsgeschäft setzt WM Doll auf Chat-GPT.

Natürlich hat auch Liu die vom amerikanischen Präsidenten Donald Trump verhängten Einfuhrzölle für chinesische Waren wahrgenommen. Grosse Sorgen machen ihr diese aber nicht. Im Gegenteil.

Für Liu ist das, was sie bisher beim Geschäft mit den USA beobachtet hat, nur ein Vorspiel dessen, was noch kommen wird. Für das laufende Jahr erwartet sie dort einen weiteren Rekord. «Wir gehen davon aus, dass der Absatz in den USA in diesem Jahr um 30 Prozent wachsen wird», sagt Liu.

WM Doll ist konkurrenzlos günstig

Der Grund für die optimistische Prognose für das amerikanische Geschäft sind die neuen KI-Funktionen der Erotik-Puppen, mit denen die Firma aus Zhongshan bis jetzt noch allein am Markt ist. Dazu kommt, dass WM Doll seine Produkte wegen der effizienten Lieferketten in China konkurrenzlos günstig anbieten kann.

Eine Puppe des Unternehmens aus Zhongshan kostet in den USA 2000 Dollar; ein Konkurrenzmodell etwa aus amerikanischer Fertigung liegt für rund 10 000 Dollar im Regal. Selbst wenn die Preise für die Erotik-Puppen von WM Doll wegen der Trump-Zölle mehr als doppelt so hoch sind, kann die Chinesin ihre amerikanischen Wettbewerber immer noch ausstechen.

Für die Zukunft rechnet Liu allerdings auch auf dem chinesischen Heimatmarkt mit steigenden Umsätzen. Der Grund dafür sei eine allmähliche Enttabuisierung der Sexualität.

Bessere Aufklärung in China

«Als wir in das Geschäft einstiegen, traute sich kaum jemand, über Sex zu sprechen», sagt Liu. Das ist heute anders. Junge Chinesinnen seien durch das Internet viel besser informiert als die Generation ihrer Eltern. Ausserdem hat die chinesische Regierung die Aufklärung in Schulen und Universitäten stark ausgeweitet. Liu sagt: «Junge Menschen kaufen heute ohne Scham Spielzeuge für Erwachsene und diskutieren offen über Sex.»

Für die Zukunft setzt WM Doll auf die Integration der KI-gestützten Puppen mit Robotik. So sollen aus den Sexualpartnern aus Silikon und TPE menschenähnliche Begleiterinnen werden. Diese könnten dann auch ältere Menschen pflegen und bei der Arbeit im Haushalt helfen.

«Die sexuellen Bedürfnisse des Nutzers zu befriedigen, wird nur noch eine Funktion von vielen sein», sagt Liu. Um die Puppen ihres Unternehmens weiterzuentwickeln, strebt die WM-Doll-Chefin Kooperationen mit Unternehmen wie Unitree in Hangzhou im Osten Chinas an. Die Firma machte mit ihren KI-gestützten, humanoiden Robotern Schlagzeilen, als diese im Februar bei der Neujahrsgala im chinesischen Fernsehen auftraten.

Natürlich bietet WM Doll auch Puppen für Frauen an. Der Umsatz mit den männlichen Puppen sei allerdings verschwindend gering, sagt Liu. «Der überwiegende Teil der Käufer sind homosexuelle Männer.»

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